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Digitale Geschichte  
  Informations- und Telekommunikationstechnologien, die bislang vor allem die Biowissenschaften revolutionierten, werden nun auch bei den Geschichtswissenschaften immer wichtiger.  
Mehrere historische Projekte, die sich der neuen Technologien bedienen, werden in der jüngsten Ausgabe des Nature Magazines (409, 556-557) vorgestellt.
Digitalisierung historischer Quellen
Die zentrale Idee von Projektleiter Jürgen Renn - so viele historische Quellen wie möglich zu digitalisieren und via Internet einer größtmöglichen Menge an Interessenten zur Verfügung zu stellen - ist nicht neu.

Doch die Ideen von Renn, einem der Leiter des Max Planck Instituts für Wissenschaftsgeschichte in Berlin, gehen darüber hinaus. Er möchte strukturierte Datenbanken anlegen lassen, die es erlauben, nicht nur nach Schlüsselbegriffen zu suchen, sondern auch nach zugrundeliegenden Konzepten - am besten unabhängig von der Sprache.
Enorme Anforderungen, technisch wie personell
Der technischen Anforderungen dafür sind enorm - und mit Supercomputern zur Gensequenzierung zu vergleichen. Die personellen auch, da die Dateneingabe nicht komplett automatisiert werden kann und Expertenwissen erfordert.
Privilegierter Zugang zum Wissen
Letzlich solle die Digitalisierung die Geschichte aus ihrer "esoterischen Ecke" holen, so Renn, und auch Menschen zugänglich machen, die nicht über das nötige - und privilegierte - Sprach- und Expertenwissen verfügen.
Archimedes: Eine Geschichte der Mechanik
Um seine Thesen zu untermauern, verfolgt Renn mit Kollegen von drei amerikanischen Unis das Projekt "Archimedes" zur Geschichte der Mechanik (Kosten: 15 Millionen ATS). Es soll mehrere Millionen historische Seiten dokumentieren und archivieren, zusammengetragen aus zwei Jahrtausenden und aus verschiedenen Kultur- und Sprachkreisen.

Beginnen wird Archimedes mit der Digitalisierung einer Abhandlung von Aristoteles, dem ältesten bekannten Text zur Mechanik.
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Prototyp: Projekt Galileo Galilei
Als Prototyp gilt eine Kooperation des Max Planck-Instituts mit der Nationalbibliothek Florenz und dem ebenfalls dort ansässigen Institut für Wissenschaftsgeschichte, bei der bereits Galileo Galileis "Bemerkungen zur Bewegung und Mechanik" digitalisiert wurden. Das Werk des italienischen Mathematikers und Physikers aus dem 17. Jahrhundert umfasst über 300 Seiten und beinhaltet kürzere wie längere Abhandlungen, Zahlenbeispiele sowie Diagramme.
->   Galileo Galileos Bemerkungen zur Bewegung und Mechanik
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Weitere Digi-Projekte

Beim Projekt "Die Jahre der Cupola" wird dem Bau der Kathedrale von Florenz im 15. Jahrhundert nachgegangen. Es wird ein elektronisches Archiv angelegt, dass die über 14.000 Bescheide und Verordnungen der Stadtverwaltung dokumentiert, die nötig waren, bis die Kathedrale 1434 schließlich fertig gestellt werden konnte.
Digitale Revolution ruft auch Kritiken hervor
Die digitale Revolution à la Renn trifft in der Gelehrtenwelt der Historiker aber nicht nur auf Freunde. Fritz Krafft, Professor am Institut für die Geschichte der Pharmazie an der Universität Marburg, sorgt sich etwa über die erhöhte Fehlerhaftigkeit von computergenerierten Übersetzungen. John Heilbron, Geschichtswissenschaftler an der Universität Oxford, gibt sich ebenfalls skeptisch: "Man braucht neue Ideen, nicht nur neue Werkzeuge."
Wissenschaftlichere Geisteswissenschaften?
Andere sind enthusiastisch. Seamus Russ, Vorstand des Instituts für Humanities Advanced Technology and Information, meint, dass der Einsatz der neuen Technologien die Geisteswissenschaften "wissenschaftlicher" macht, da dadurch die Wiederholbarkeit und Überprüfbarkeit von Argumenten vereinfacht würden.
->   Max Planck Institut für Wissenschaftsgeschichte
->   Nature Magazine
 
 
 
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01.01.2010