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Magnetismus im eindimensionalen Bereich  
  Bisher glaubte man, dass eine unendlich lange Kette von Atomen, ein so genannter Nanodraht, bei Temperaturen über dem absoluten Nullpunkt keine magnetische Eigenschaften entwickeln kann. Jetzt konnte erstmals Ferromagnetismus auch in Nanodrähten nachgewiesen werden. Dies eröffnet neue Perspektiven auf dem Weg zum Terabitspeicher.  
Eine internationale Physiker-Gruppe um Klaus Kern, Direktor am Stuttgarter Max-Planck-Institut für Festkörperforschung und Professor an der ETH Lausanne, hat jetzt erstmals das magnetische Verhalten eines Materialsystems, das auf seine niedrigste geometrische Form reduziert ist - auf eine eindimensionale atomare Kette- nachgewiesen.

Der beobachtete Ferromagnetismus ist auf die endliche Länge und die beträchtliche magnetische Anisotropieenergie der Nanodrähte zurückzuführen. Diese Entdeckung könnte Design und Eigenschaften magnetischer Nanostrukturen, wie sie z. B. in der Datenspeicher-Technologie eingesetzt werden, revolutionieren, schreiben die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift "Nature".
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Der Artikel in Nature "Ferromagnetism in one-dimensional monatomic metal chains". Nature Bd. 416, S 301 - 304 / kostenpflichtig
->   Nature
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Ziel: Steigerung der Speicherdichte
Zweidimensionale Systeme, wie epitaktische Schichten oder so genannte Übergitter, finden bereits zahlreiche Anwendungen in der Datenspeicherung und der Magnetsensor-Technologie.

Die neuen Forschungsergebnisse tragen also nicht nur zum Verständnis des Magnetismus in niedrig- bzw. eindimensionalen Systemen bei, sondern haben auch wichtige Auswirkungen auf die magnetische Datenspeicher-Technologie.

So werden zur Zeit mehr als 105 Atome für die stabile magnetische Darstellung eines Bits auf der Festplatte eines Computers benötigt. Wenn diese Zahl drastisch reduziert werden könnte, dann ließe sich die Speicherdichte entsprechend steigern.

"In unseren Experimenten haben wir gezeigt, wie durch Verringerung der Koordination der magnetischen Atome der Wert für die magnetische Anisotropieenergie um zwei Größenordnungen, im Vergleich zu den Werten üblicher Übergangsmetallsysteme, gesteigert werden kann", meint Kern.
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Anisotropie und Anisotropieenergie
Unter Anisotropie versteht man die in verschiedenen Raumrichtungen unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften der kristallinen Materie. Es wird eine Anisotropie beobachtet bezüglich der mechanischen Eigenschaften, der thermischen Ausdehnung, der Wärmeleitung und insbesondere der optischen Eigenschaften von Kristallen. Anisotropien spielen eine wichtige Rolle, wenn man nach einem Material sucht, welches seine Magnetisierung definiert ausrichten soll. Dies ist besonders interessant für technische Anwendungen.

In magnetischen Systemen mit einer Anisotropie entlang einer bestimmten Kristallrichtung ('leichte' Richtung) werden die Momente in diese bevorzugte Richtung orientiert und gewinnen so die Anisotropieenergie. Die Anisotropieenergie führt also dazu, dass sich die Magnetisierung in bestimmten Vorzugsrichtungen einstellt. Es existieren leichte (d.h. energetisch günstige) und schwere Richtungen der Magnetisierung.
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Einige Hundert statt Milliarden Atome
"Da die Anisotropieenergie für atomare Kobalt-Ketten so hoch ist, könnten in maßgeschneiderten Nanostrukturen bereits einige hundert Kobaltatome genügen, um ein bei Raumtemperatur stabiles magnetisches Bit zu erzeugen. Das wären großartige Aussichten für den Wettlauf zum Terabitspeicher", ergänzt Kern.
Die Herstellung eindimensionaler atomarer Ketten
Die Ketten aus einzelnen Kobaltatomen stellten die Wissenschaftler mittels selbstorganisiertem Wachstum her. Dabei bilden Atome, die unter genau definierten Bedingungen auf eine Kristalloberfläche aufgebracht werden, Muster von Nanostrukturen, deren Geometrie experimentell kontrolliert werden kann.

Um die notwendige Genauigkeit bei der Untersuchung solch kleiner Objekte zu erreichen, haben die Wissenschaftler Millionen parallel verlaufender atomarer Ketten durch Aufdampfen von Kobalt-Atomen auf eine regelmäßig gestufte Platin-Oberfläche hergestellt. Diese Platin-Stufen binden - wie eine Gussform - die Kobaltatome zu perfekten eindimensionalen atomaren Ketten.

 


Ketten aus einzelnen Kobalt-Atomen an den Stufen einer Platin-Oberfläche, aufgenommen mit dem Rastertunnelmikroskop. Der mittlere Abstand zwischen den Kobalt-Ketten beträgt nur 20 Å.
Mit Hilfe bestimmter Spektroskopieverfahren konnten die Wissenschaftler feststellen, dass die eindimensionalen Kobalt-Drähte im Vergleich zu Festkörpern und dünnen Schichten sehr große lokale magnetische Bahndrehmomente und magnetische Anisotropieenergien aufweisen. Außerdem wurden, je nach Probentemperatur, eine räumliche ferromagnetische Ordnung mit langer oder kurzer Reichweite beobachtet.
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Ferromagnetismus
Bezeichnung für das Verhalten einiger Stoffe, der sog. Ferromagnetika (Eisen, Kobalt, Nickel sowie mancher Legierungen), mehrere tausend mal stärker magnetisch zu sein als paramagnetische Stoffe. Alle Ferromagneten verlieren ihre magnetischen Eigenschaften bei einer bestimmten Schwellentemperatur, der so genannten Curie-Temperatur, die von Material zu Material unterschiedlich ist. Verglichen mit dreidimensionalen Festkörpern reagiert der Magnetismus in zweidimensionalen Dünnschichtsystemen sehr viel empfindlicher auf Temperaturänderungen.
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Abhängig von Temperatur und Anzahl der Atome
Einer der physikalischen Bedingungen für die Entstehung des Ferromagnetismus ist die parallele Ausrichtung der Atome des jeweiligen Stoffes. Diese Ausrichtung entsteht durch die so genannte Austauschwechselwirkung, ein rein quantenmechanischer Effekt, der benachbarte Atome gerade so miteinander koppelt, dass sie sich bevorzugt parallel ausrichten.

Die Stärke dieser Austauschwechselwirkung hängt wiederum von der Anzahl der benachbarten Atome und von der Temperatur ab.
Eine Barriere von -263,15 Grad Celsius
Die eindimensionalen Kobalt-Atomketten bestehen aus einzelnen, thermisch fluktuierenden ferromagnetisch gekoppelten Atomen, die dank der magnetischen Anisotropieenergie unterhalb einer Schwellentemperatur von 10 K (-263,15 Grad C) in einen langreichweitig geordneten Zustand übergehen.

Die Anisotropieenergie wirkt sozusagen als Barriere, welche die Magnetisierung in eine bestimmte Vorzugsrichtung orientiert. Bei diesen Ketten kann diese Barriere unterhalb der Schwellentemperatur von 10 K (-263,15 Grad C) nicht mehr durch thermische Agitation überwunden werden.
->   Klaus Kren
->   Max-Planck-Institut für Festkörperforschung
 
 
 
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01.01.2010