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Bakterien zur Pistenreinigung  
  Das Schivergnügen oberhalb der Baumgrenze wird immer mehr zum Umweltproblem. Die empfindlichen Böden in hochalpinen Lagen leiden unter intensiver Nutzung und hohen Schadstoffeinträgen. Mittels Bakterien wollen Wissenschaftler jetzt die leidenden Böden in hochalpinen Regionen wieder sanieren.  
Vor allem Abgase, Diesel- und Schmierölrückstände von Pistengeräten, Schneekanonen und Liften machen Probleme. Eine Bodensanierung könnte schon bald notwendig werden.

Konventionellen Methoden stehen die großen Flächen, das schwierige Gelände und die Kälte entgegen. Mikrobiologen der Universität Innsbruck haben dafür eine Lösung parat: Kältefeste Bakterien sollen dafür sorgen, dass der Schnee auch künftig schneeweiß bleibt.
Mikrobiologische Bodensanierung
Die Arbeitsgruppe für angewandte Mikrobiologie an der Universität Innsbruck ist spezialisiert auf die biologische Bodensanierung. Dabei werden die "Fähigkeiten" von Bakterien, Hefen und Pilzen genützt, um verschiedene Schadstoffe abzubauen.

Entweder befinden sich die Bakterien und Pilze bereits im Boden oder das kontaminierte Erdreich wird mit besonderen Mikroorganismen regelrecht geimpft. Um den Appetit der Schadstoff-Fresser zu steigern, muss der Boden mit Nährstoffen versorgt werden.

Auch die zugesetzten Nährstoffe werden dabei abgebaut. So bleiben zum Beispiel beim bakteriellen Abbau von Mineralöl nur Kohlendioxid und Wasser als Abbauprodukte zurück.
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Nützliche Mikroorganismen
Boden- und Gewässerbakterien sorgen für einen biologischen Abbau der abgestorbenen tierischen und pflanzlichen Substanzen durch Fäulnis und Gärung zu anorganischen Substanzen - also für die Re-Mineralisierung organischen Materials. Durch Bakterien werden Kohlenstoff-, Stickstoff-, Schwefel- und Phosphorkreisläufe innerhalb der Natur in Funktion gehalten.

Die Verdauung von Mineralölen, Diesel und Schmierstoffen ist geradezu ein "Kinderspiel" für bestimmte Bakterien, wenn nur ausreichend Sauerstoff vorhanden ist. Bei der Vielzahl an "Ölfressern" im Erdreich ist es meist nicht einmal nötig, die Böden zu impfen. Es reicht ein Nährstoffcocktail als Stimulans.
->   Schadstoffabbau durch aerobe Bakterien
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Problem Betriebstemperatur
Bisher bestand die Ansicht, dass Bakterien eine bestimmte Temperatur benötigen, wenn sie Schadstoffe verdauen sollen. Die besten Ergebnisse gab es im Bereich von 20 bis 40 Grad Celsius. Eine biologische Bodensanierung käme also für hochalpine Lagen kaum in Frage - die Durchschnittswerte liegen weit darunter.

Bakterienstämme, die selbst Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt überstehen, wurden zwar in den Polgebieten entdeckt, doch abgesehen von ihrer Kälteresistenz haben diese Mikroorganismen keine besonderen mikrobiologischen Talente.
Kältefeste "Dieselfresser"
Die Entdeckung kältefester Bakterienstämme, die auch bei niedrigen Temperaturen Schadstoffe abbauen, ist das Verdienst der Innsbrucker Mikrobiologen. Diese Mikroorganismen sind in ihrer natürlichen Umgebung mit permanent kalten Temperaturen sowie mit wiederholtem Frieren und Tauen konfrontiert und haben dafür eigene Überlebensstrategien entwickelt.

Ihre Enzyme arbeiten am besten bei niedrigen Temperaturen. Diese Biokatalysatoren könnte man zum Beispiel auch für Kaltwaschmittel verwenden. Dass der biologische Abbau von Kohlenwasserstoffen wie Diesel durch diese Bakterien kein Problem darstellt, wurde erst im Labor, dann in Freilandversuchen getestet. Mit durchwegs zufriedenstellenden Ergebnissen.
Bodensanierung im Kühlschrank
In den Klimakammern des Instituts für Mikrobiologie der Universität Innsbruck wurden Altlasten und frisch mit Diesel verseuchte Böden mit Bakterien geimpft und dann gedüngt. Schon nach 20 Tagen war die Dieselbelastung auf die Hälfte zurückgegangen.
Und das bei einer Temperatur von nur 10 Grad Celsius.

Beim zweiten Experiment im Laborkühlschrank wurden keine Bakterien zugesetzt. Die Erdproben wurde ausgiebig mit Diesel getränkt und dann nur noch etwas gedüngt. Nach einem halben Jahr waren bis zu 90 Prozent der Schadstoffe abgebaut.
Bewährungsprobe am Gletscher
In einer dreijährigen Feldstudie in einem Gletscherschigebiet in 3.000 Meter Seehöhe konnte der hohe Schadstoffgehalt von drei Gramm Diesel/kg Boden, der von den Pistenpflegegeräten verursacht worden war, um 70 Prozent reduziert werden.

Die Arbeit haben bodeneigene Bakterien geleistet, denen nur mit einem Nährstoffcocktail auf die Sprünge geholfen wurde. Fast die Hälfte der Dekontamination des Bodens war bereits im ersten Jahr erfolgt. Ohne den Zusatz von Nährstoffen lief die Sanierung wesentlich langsamer und weniger effizient ab. Nach drei Jahren hatten die Bakterien noch nicht einmal die Hälfte der Verschmutzung beseitigt.
Verzicht auf Gentechnik
Auf die Verwendung von gentechnisch optimierten Bakterien verzichten die Tiroler Mikrobiologen. Ihr Einsatz sei wenig zielführend, meint der Institutsleiter Franz Schinner. Die genmanipulierten Bakterien hätten in freier Wildbahn wenig Chance zu bestehen.
Die Vorteile der Biosanierung
Die Vorteile der biologischen Bodensanierung liegen vor allem in der Umweltverträglichkeit und in den relativ niedrigen Kosten. Große Eingriffe sind nicht nötig, die ohnehin sensiblen hochalpinen Biotope werden nicht weiter gestört. Ein Nachteil ist freilich die lange Dauer der Boden-Behandlung.

Der Schadstoffgehalt lässt sich allerdings allein durch
biologische Dekontaminationsverfahren nicht auf Null reduzieren. Die Abbauleistung sinkt mit der Schadstoffkonzentration.

Außerdem entstehen aus den Mineralölrückständen im Lauf der Zeit chemische Verbindungen, die selbst von den "hungrigsten" Bakterien nicht mehr zu bewältigen sind.

Gerhard Roth/Modern Times
->   Ölfressende Bakterien erzeugen Strom
->   Institut für Mikrobiologie, Universität Innsbruck
 
 
 
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01.01.2010