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Überleben als Mengenverhältnis  
  Wie viel Nahrung oder Beute braucht ein Organismus, um überleben zu können? Zoologen haben jetzt entdeckt, dass für jedes Kilogramm eines räuberischen Tieres 111 Kilogramm an Beutetier vorhanden sein müssen, damit das Raubtier als Art bestehen kann. Das errechnete Verhältnis hat weitreichende Folgen für Naturschutz und Arterhaltung. Biologen könnten damit das "Existenzminimum" von bedrohten Arten feststellen und schneller als bisher ihre rettenden Konsequenzen daraus ziehen.  
Chris Carbone von der "Zoological Society of London" und John Gittleman von der "University of Virginia" entdeckten die spezifische Räuber-Beute-Regel, als sie die Populationsdichten von 25 fleischfressenden Tierarten mit den Populationsdichten der jeweiligen Beutetiere verglichen. Sie beschreiben ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe von "Science".
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A Common Rule for the Scaling of Carnivore Density
Der Artikel "A Common Rule for the Scaling of Carnivore Density" ist erschienen in "Science", Volume 295, Number 5563, vom 22. März 2002, Seiten 2273-2276.
->   Artikel in "Science" (kostenpflichtig)
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Für viele Arten gültig
Das Verhältnis der Masse eines Räubers zur Masse seiner Beute besteht laut Carbone und Gittleman auch unabhängig davon, wie sich die Tiere ernähren bzw. in welcher Form von Habitat sie leben.

Die Regel gilt für den Europäischen Dachs, der sich in erster Linie von Würmern ernährt, genauso wie für räuberisch lebende Großkatzen. Der Kleinste der von den Biologen untersuchten Räuber war das 140 Gramm leichte Wiesel, der Größte der 310 Kilogramm schwere Polarbär.
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Carnivoren, Fleischfresser
Ordnung vorwiegend Fleisch fressender Säugetiere. Das Gebiss der Raubtiere hat kleine Schneidezähne, große Eckzähne zum Festhalten und zum Schneiden umgebildete Backenzähne (Reißzähne). Man unterscheidet zwei Unterordnungen: die Landraubtiere und die Wasserraubtiere oder Robben.
->   Mehr zu Carnivoren
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Ähnliche Regeln auch für andere Räuber
"Zu erkennen, dass die vorliegende Regel auf eine große Anzahl von Spezies anwendbar war, stellte für uns eine große Überraschung dar", erklärt Carbone. Der Zoologe geht davon aus, dass sich für andere, räuberisch lebende Tiergruppen wie Reptilien bald ähnliche Regeln finden werden.

"Die meisten Modelle von Räuber-Populationen gehen davon aus, dass vorhandene Ressourcen insgesamt kein limitierender Faktor sein können, dass allerdings die Häufigkeit, mit der auf diese von den Räubern zugegriffen wird, sehr wohl wesentlich ist", erläutert der Ökologe Pablo Marquet von der Catholic University of Chile bisherige Denkmodelle.
Blick für das lokale Detail wichtig
Das vorliegende Ergebnis bedeutet für Marquet auch, dass "globale, biologische Muster nur dann erkennbar werden, wenn detaillierte lokale Informationen wie Ernährungsgewohnheiten und die Anzahl vorhandener Populationen vor Ort in die jeweiligen Populationsmodelle miteinbezogen werden."

Manche Forscher ignorieren laut Marquet noch immer lokale Spezifika der jeweiligen Habitate in der Hoffnung, dass sich diese Habitate "im großen Durchschnitt" nicht unterscheiden.
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Räuber-Beute-Verhältnis
Eine der grundlegenden Beziehungen innerhalb von Lebensgemeinschaften sind Räuber-Beute-Verhältnisse. Die räuberisch lebenden Organismen transportieren Energie und Nährstoffe von einer Nahrungsebene des Ökosystems zur nächsten, sie regulieren aber auch die Populationsgröße der Beutetiere und nehmen Einfluss auf die natürliche Selektion der Beute-Population.

Die Anzahl der Beuteorganismen und der von ihnen abhängigen Räuber steht dabei in einem bestimmten Verhältnis, das um einen bestimmten Mittelwert schwankt, zumindest wenn es sich um eine einfache Abhängigkeit handelt. Räuber- und Beutepopulationen regulieren sich im Bestand gegenseitig und mit zeitlicher Verzögerung.

Die Wechselwirkungen zwischen Räuber und Beute innerhalb einer Ebene der Nahrungspyramide haben somit unmittelbare Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen Räuber und Beute auf der nächsthöheren Ebene.
->   Mathematische Beschreibung des Räuber-Beute-Verhältnis
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Ein Werkzeug zur Schätzung
Die vorliegende Regel ist eine sehr nützliche Schätzmethode für Naturschützer", beschreibt Chris Carbone den Wert seiner Forschungen. "Sie könnten damit die Populationsdichten von Tierarten prognostizieren, die in ursprünglichen Analysen nicht vorhanden waren."

Carbone möchte die neu entdeckte Regel jetzt auf den vom Aussterben bedrohten Sumatra-Tiger anwenden. Diese Tiger leben in der Nähe von Ölpalmplantagen und ernähren sich vorwiegend von Wildschweinen. Durch die Bestimmung der Größe der vor Ort bestehenden Schweinepopulation könnte im vorliegenden Fall errechnet werden, wie viele Tiger ein bestimmtes Habitat "erhalten" kann, erklärt der Zoologe.

Sollte bei einer vorliegenden Untersuchung wie im Falle des Sumatratigers das Masseverhältnis von Räuber zu Beute unter 1:111 fallen, so wäre das ein wichtiger Hinweis auf eine mögliche Bedrohung der analysierten Art.
->   Institute of Zoology, Zoological Society of London
->   Department of Biology, University of Virginia
 
 
 
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01.01.2010