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Immunologisches Schlüsselmolekül  
  Amerikanische Immunologen haben ein Molekül identifiziert, das für die spezifische Erkennung von Bakterien durch das Immunsystem verantwortlich ist. Jetzt wollen die Wissenschaftler herausfinden, ob die im Tierversuch erlangten Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind.  
Die grundlegenden Mechanismen der immunologischen Infektionsbekämpfung sind ein Millionen Jahre altes Evolutionsprodukt. Daher sind diese an der Fruchtfliege gewonnenen Erkenntnisse aller Wahrscheinlichkeit auch für den Menschen relevant.
Baustein der Immunreaktion
In einer Publikation des Wissenschaftsmagazins "Nature" haben Forscher des Massachusetts General Hospital for Children in Harvard die Entdeckung eines weiteren Bausteines unserer angeborenen Immunreaktionen veröffentlicht.

Das identifizierte Rezeptor-Molekül ist für die Erkennung und Beseitigung von sogenannten Gram-negativen Bakterien verantwortlich. Die Erkenntnisse wurden an
Makrophagen der Fruchtfliege (Drosophila melanogaster) gewonnen.
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Der Artikel "Functional genomic analysis of phagocytosis and identification of a Drosophila receptor for E. coli" erschien auf der Website der Wissenschaftszeitschrift "Nature" und wird in einer der zukünftigen Printausgaben veröffentlicht.
->   Zum Original-Artikel (kostenpflichtig)
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Von der Fliege zum Menschen
Die Immunantwort des menschlichen Körpers gegen bakterielle Infektionen besteht u. a. aus der koordinierten Reaktion verschiedener Typen weißer Blutkörperchen. Viele Tierarten haben ein vergleichbares körpereigenes Waffenarsenal zur Verteidigung gegen gesundheitsschädliche Eindringlinge.

"Die grundlegenden Mechanismen solcher Immunreaktionen sind ein Millionen Jahre altes Evolutionsprodukt. Daher können wir von den Vorgängen in der Fruchtfliege auch einiges über den Menschen lernen" bekennt R. Alan B. Ezekowitz, der "Senior Author" der "Nature"-Veröffentlichung.
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Angeborene Immunität und Makrophagen
Die angeborene Immunität ist derjenige Teil einer Immunantwort, der sich nicht in Anpassung an das Antigen (i.w.S. körperfremde und/oder gesundheitsschädigende Stoffe) ändert. Es handelt sich dabei um Abwehrmechanismen, die von Geburt an vorhanden sind. Dazu zählen lösliche Faktoren wie Lysozym, das Komplementsystem, die Akutphasenproteine, das C-reaktive Protein und die Interferone. Als Zellen gehören dazu die Phagozyten, die polymorphkernigen Leukozyten (Granulozyten) und die Natural-Killer-Zellen.

Makrophagen: Sammelbezeichnung für eine Reihe amöboid beweglicher und zur Partikelaufnahme freier Zellen des Immunsystems verschiedener Vielzeller. Bei Wirbeltieren und Mensch sind dies vor allem die Gewebe-Makrophagen und die Monozyten.
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Neues Molekül
Die amerikanischen Forscher verwendeten eine neue Methode, mit der sich Gene inaktivieren lassen und konnten auf diese Weise 34 Proteine identifizieren, die offensichtlich mit der sogenannten Phagozytose, der zellulären Aufnahme von Fremdpartikeln, in Zusammenhang stehen.

Eines dieser Moleküle, ein Zellrezeptor mit dem Namen PGRP-LC, sitzt auf der Oberfläche von Makrophagen der Fruchtfliege und fungiert als Empfänger chemischer Signale.
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Zell-Rezeptoren
Rezeptoren sind Proteine, die mit einem extrazellulären Signalmolekül (Ligand oder primärer Botenstoff) in Wechselwirkung treten, und durch Konformationsänderungen bestimmte Funktionen oftmals über sekundäre Botenstoffe (cAMP, Ca2+-Ionen, u.a.) in der Zelle aktivieren oder unterdrücken.
Der Name PGRP-LC steht für für "Peptidoglycan recognition protein LC".
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Gen-Inaktivierung
Makrophagen mit einem künstlich inaktivierten PGRP-LC-Gen waren nicht mehr in der Lage, das Gram-negative Bakterium Escherichia coli zu erkennen und zu verdauen.

Vergleichsexperimente mit Staphylococcus aureus, einem Gram-positien Bakterium, zeigten hingegen keine Veränderung. Dies lässt den Schluss zu, dass PGRP-LC an der Phagocytose von Gram-negativen Bakterien beteiligt ist.

Diese Vermutung konnte auch durch weitere Versuche erhärtet werden, in denen das Forscherteam so genannte Totem-Mutanten der Fruchtfliege herstellte, bei denen das PGRP-LC-Gen "stillgelegt" wurde. Solcherart mutierte Fliegen zeigten eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Gram-negativen Bakterieninfektionen.
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Gram-positiv/Gram-negativ
Die Gram-Färbung ist ein Färbeverfahren zur Differenzierung von Bakterien. Grampositive Bakterien bleiben nach der Anfärbung mit bestimmten basischen Farbstoffen und kurzem Spülen mit Alkohol violett gefärbt, gramnegative werden dagegen durch Alkohol entfärbt.

In der Regel ist das Färbeverhalten von einem charakteristischen Aufbau und der Zusammensetzung der Zellwand abhängig. Es spiegelt allerdings keine verwandtschaftlichen Beziehungen von Bakteriengruppen wider.
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Folgerungen
"PGRP-LC stellt einen Vertreter völlig neuartiger Erkennungsmoleküle dar. Auch beim Menschen gibt es eine Reihe ähnlicher Gene", so die Conclusio von R. Alan B. Ezekowitz.

"Der nächste Schritt betrifft die Frage, inwieweit dieses Molekül auch bei Homo sapiens eine vergleichbare Funktion hat. Das Verständnis dieser Funktion könnte zu neuen Formen der Infektionsbekämpfung führen. Zudem könnte uns das helfen herauszufinden, warum manche Menschen für gewisse Infektionen anfälliger sind als andere", resümiert Ezekowitz.
->   Massachusetts General Hospital for Children
->   Mehr zum Thema "Immunsystem" auf science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010