News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Gesellschaft 
 
Religion und Gesundheit  
  Fördert Beten die Gesundheit? Nein, sagt ein amerikanischer Wissenschafter und richtet sich damit gegen eine immer weiter verbreitete Meinung in den USA, dass religiöse Menschen gesünder sind als nicht religiöse. Diese Annahme hat in den Vereinigten Staaten mittlerweile dazu geführt, dass bereits knapp 30 medizinische Universitäten Kurse in Religion und Spiritualität im Lehrstoff haben - mittlerweile ist darüber ein Streit entbrannt, der vorösterlich aufflackert.  
Richard Sloan, vom Institut für Verhaltensmedizin an der renommierten Columbia Universität, hat sich mit dem Phänomen "Beten fördert Gesundheit" genauer beschäftigt
Lebensführung statt Religion im Zentrum der Studien?
Der Verhaltensmediziner kommt zu dem Schluss, dass 83 Prozent der Studien wertlos sind, denn sie beschäftigen sich gar nicht wirklich mit den Auswirkungen der Religion und der religiösen Praktiken auf die Gesundheit, sondern mit Fragen der Lebensführung im Allgemeinen. "Alles Unsinn", sagt Sloan.
...
Verhaltensmedizin
Verhaltensmedizin beschäftigt sich mit dem Einfluss psychologischer, sozialer Verhaltensfaktoren auf den Zustand und Fortschritt von physischen und psychischen Krankheiten. Ziel ist es herauszuarbeiten wie sehr psychische und soziale Faktoren sich auf die Gesundheit auswirken.
->   Mehr über Verhaltensmedizin
...
Große Versprechungen
"Das Beten eines Rosenkranzes ist gut für Herz und Lunge. Die Andacht sorge für gleichmäßige und ruhige Atmung, die optimal für das Herz-Kreislaufsystem sei" , berichtet das "British Medical Journal" (Bd. 323, S. 1446).

"Für Herzkranke zu beten hat eine nachweisbar heilende Wirkung - außerdem seien streng wissenschaftliche Untersuchungen über den Nutzen ungewöhnlicher Behandlungen wie etwa das Beten möglich" schreiben Forscher in der angesehenen Fachzeitschrift "American Heart Journal".
Religiös beeinflusster Lebensstil und Gesundheit
Sloan kontert den Autoren dieser Publikationen mit dem Argument, dass es bei diesen Studien vielmehr um Fragen des Lebensstils, als um das religiöse Verhalten gehe. Als Beispiel führt er eine Studie an die sich damit beschäftigt ob etwa gewisse Diäten wie bei den 7 Tage Adventisten oder gläubigen Juden ihre Wirkung auch bei anderen Menschen zeigen.

Denn wenn man zum Beispiel kein Schweinefleisch isst, bleiben einem natürlich die negativen Folgen dieser speziellen Fleischsorte erspart.

Außerdem würden in den meisten Studien untersucht wie Gesundheitsprobleme die religiöse Praxis beeinflussen und nicht umgekehrt. Es würden daher, so Sloan, Äpfel mit Birnen verglichen.
Schnöder Mammon
Dass der Streit gerade in den USA entbrannt ist kommt nicht überraschend. Denn in Vereinigten Staaten sind die Entscheidungen ob Erkenntnisse an Universitäten gelehrt werden oder ob sie in wissenschaftlich renommierten Magazinen publiziert werden dürfen, eng mit wirtschaftlichen Erfolgen verknüpft. Und werden daher oft sehr emotional und hart geführt.

Mittlerweile haben schon renommierte Zeitungen wie die Washington Post, die Chicago Tribune oder USA Today Berichte über den Zusammenhang von Gesundheit und Spiritualität veröffentlicht. Für Sloane ein bedenkliches Zeichen.
Ein ewiger Streit
Differenzen zwischen Glaube und Wissenschaft sind nicht neu und werden hier nur - einmal anders - aufs neue geführt.

Der Verhaltensmediziner Sloane bestreitet nicht die Möglichkeit, dass der Glaube von Patienten auch bei Krankheiten helfen kann. Er bestreitet aber sehr wohl jeden wissenschaftlichen Beweis: "Es gibt keine empirische Berechtigung, dass religiöse Aktivitäten in die klinische Medizin gebracht werden."

Glaube bleibt eben Glaube und nicht Wissen. Die Studien hätten vor allem ganz handfeste Mängel, wie statistische Fehlauswertungen.
"Heiraten sie sich gesund"
Sloan hält es für gefährlich, wenn Ärzte ihre Position ausnützen könnten, wenn sie ihr angestammtes Gebiet verlassen und plötzlich nicht-medizinische Tipps geben.

"Es ist wohl unpassend für einen Arzt zum Beispiel einem unverheirateten Patienten zu sagen: Heiraten Sie doch, die Untersuchungen zeigen uns, dass verheiratete Menschen bessere Heilungschancen haben!"

Außerdem, so Sloane, könnte es passieren, dass Krankheit als fehlender Glaube interpretiert wird.
Glauben, Wissen, Heilen
Aber auch in Europa geht es immer mehr darum wer was wie teuer verkauft. Und doch: Auch Medikamente oder Therapien haben dann den besten Effekt, wenn man daran glaubt, da steht die Wissenschaft ihrer Schwester der Theologie um nichts nach.

Niki Popper, ZiB-Wissenschaft
->   British Medical Journal - Effect of rosary prayer and yoga mantras on autonomic cardiovascular rhythms: comparative study
->   University of Columbia
Mehr zu beten und Gesundheit in science.ORF.at
->   Wie das Gehirn beim Meditieren arbeitet
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Gesellschaft 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010