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Pakistan: Armut macht blind  
  In Pakistan leben 40 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Mangelernährung, schlechte hygienische Bedingungen und spärliche medizinische Versorgung führen dazu, dass zwei Millionen Menschen blind sind. Acht von zehn Blinden leben in den ländlichen Regionen Pakistans.  
Katarakt (grauer Star) ist für 70 Prozent der Blindheitsfälle verantwortlich, in ganz Pakistan sind 1,3 Millionen Menschen mit grauem Star blind. In einer einfachen Operation kann in einer Viertelstunde die getrübte Linse durch eine künstliche ersetzt werden.

Jedes Jahr werden in ganz Pakistan 140.000 Katarakt-Operationen durchgeführt - während 300.000 Operationen nötig wären, um alle zu heilen.
Purdah hemmt Hilfe
Das Problem ist, dass vor allem viele alte Frauen blind sind, obwohl sie das nicht sein müssten. Die Purdah, das System der Abgrenzung, verbietet, dass Frauen in der Öffentlichkeit in Erscheinung treten.

Sie dürfen kaum außer Haus und daher auch nicht ohne männliche Begleitung zum Arzt. Da ihnen der Kontakt zu fremden Männern untersagt ist, gestaltet sich die Behandlung zudem dann oft schwierig. Weibliche Augenärzte sind bei einem Akademikerinnenanteil von 0,8 Prozent äußerst selten.
Abhilfe Augencamps
Um zu den Patienten vorzudringen, organisiert die Christoffel Blindenmission Augencamps - mobile Augenkliniken, die die Patienten vor Ort versorgen. Unter den einfachsten Bedingungen - mit Strom aus dem Generator - werden Operationen von angereisten Augenärzten durchgeführt.

So auch in Beluchistan, einer kargen Region, durch die nur eine einzige asfaltierte Straße führt. Trockenes Klima, Arbeitslosigkeit und Hunger prägen die Bevölkerung.
->   CBM - Christoffel Blindenmission
Vitamin A-Mangel
Vor allem Frauen und Kinder leiden an Unterernährung. Viele bekommen kaum Gemüse zu essen. Die Folge: Vitamin A-Mangel. Vitamin A-Mangel ist die häufigste Ursache für Kinderblindheit. Essen wird im Augencamp der Christoffel-Blindenmission aber keines ausgegeben.

Die Patienten, die nach der Operation noch einen oder zwei Tage zur Kontrolle hier bleiben, müssen von Verwandten versorgt werden. Sonst wird das Camp gestürmt, sagt Venu Gopal vom MALC (Marie Adelaide Leprocy Center), das eng mit der österreichischen Hilfsorganisation kooperiert.
School Screenings
Im Norden Pakistans ist die Situation weniger dramatisch, aber auch hier gibt es viele, die unnötigerweise Probleme mit dem Sehen haben. In Battagram gehen Augenhelfer in Schulen, um systematisch Reihenuntersuchungen durchzuführen.

Der Augenhelfer Abdel Warhab ruft die Kinder zusammen. "Zuerst werde ich eine Gesundheitserziehung in der lokalen Sprache abhalten. Dann beginne ich mit den Tests und werde die Augen nach Trachom, Vitamin A-Mangel und andere Augenkrankheiten untersuchen", erklärt er. "Die komplizierten Fälle verweisen wir dann zum Augenarzt nach Battagram."
Trachom bei Kindern
Die Augenhelfer erklären den Kindern, wie wichtig es ist, die Hände und das Gesicht regelmäßig zu waschen. Sie zeigen ihnen Bilder mit Augenentzündungen und Trachom. Trachom ist eine Infektionskrankheit des Auges, die dazu führt, dass die Wimpern nach innen wachsen und die Hornhaut zerkratzen.

Die Entzündung ist leicht am Augenlid zu erkennen, deshalb untersuchen die Augenhelfer immer die Augenlider. Unhygienische Bedingungen begünstigen die Entstehung von Trachom. Eine einfache Behandlung mit einer Augensalbe kann die Erblindung verhindern.
Augen statt Lepra
Die Augenhelfer waren früher vor allem auf der Suche nach Leprafällen. Nachdem diese Krankheit aber eingedämmt ist, konzentrieren sie sich in ihrer Arbeit vermehrt auf die Augenkrankheiten.

Sie erklären den Kindern, und auch dem Lehrer, was sie essen sollen, um ihren Vitamin A-Bedarf zu decken. Die Kinder, die schon Mangelerscheinungen haben, bekommen Vitamintabletten.
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Studie des PICO
Eine Studie des PICO (Pakistan Institute of Community Ophthalmology) in Peschawar hat gezeigt, dass in Pakistan rund zwei Millionen Menschen blind sind. Weitere fünf Millionen Menschen sehen so schlecht, dass sie bald blind werden könnten.

Neun von zehn Blinden leben im ländlichen Gebiet. 80 Prozent der Blindheitsfälle könnte vermieden werden, wenn menschliche, finanzielle und technische Ressourcen zur Verfügung stünden.
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Augenhelfer in den Dörfern
Im Hazara-Distrikt suchen ausgebildete Augenhelfer systematisch umliegende Dörfer auf, um dort Menschen mit Augenkrankheiten in einer Kartei zu erfassen und sie dazu zu bringen, sich operieren zu lassen. Die Patienten sollen aus den Dörfern ins Distrikthospital nach Battagram kommen.

Im Jahr 1999 wurde dort eine Augenabteilung eingerichtet, jedes Jahr werden hier rund 1.000 Katarakt-Operationen durchgeführt, 13.000 Patienten werden ambulant behandelt.

Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation kann durch die Operation von jährlich 1.000 neu erblindeten Menschen ein Rückstau von Katarakt-Operationen in diesem Gebiet verhindert werden.
Augenvorsorge verbessern
Am Pakistan Institute of Community Ophthalmology (PICO) arbeitet Daud Khan, einer der angesehensten Augenärzte in Pakistan. Er ist für das nationale "Eye-Care-Program" verantwortlich.

"Wir glauben, dass wir uns nicht nur um den Heilungsaspekt kümmern sollten, sondern um die Vorsorge von Augenerkrankungen, indem wir Augenvorsorge promoten und auch jene nicht vergessen, bei denen wir die Sehkraft durch Operationen oder Sehhilfen nicht wiederherstellen können. Das sind die Beinahe-Blinden, die Blinden, die wir sozial und wirtschaftlich rehabilitieren müssen"
80 Prozent erreichen
In den Gebieten, die in das Augenvorsorgeprogramm eingebunden werden, können 80 Prozent der Bevölkerung erreicht werden, In vielen Familien gibt es aber noch immer Blinde, über die nicht geredet wird.

Die Ärzte müssen anfangen, die Sprache der Bevölkerung zu sprechen, meint Khan. Wenn er fragt, ob jemand in der Familie krank sei, bekommt er die Antwort nein.

Blindsein wird in Pakistan weniger als Krankheit gesehen, denn als ein Lebensumstand, den Allah so gewollt hat. Er müsste daher fragen, ob jemand in der Familie Probleme mit dem Sehen habe. Dann würde die Antwort lauten: ja, sie ist blind!
Blindenschulen durchuntersucht
Am PICO haben die Ärzte die Ursachen der Augenverletzungen auch dort studiert, wo die Blinden Kinder schließlich landen: in Blindenschulen.

Sadia Sethi hat als erste eine Studie über Blindenschulen in Nordwest-Pakistan durchgeführt. Immer auch mit Blick darauf, wie verhindert werden kann, dass Kinder blind werden.

"Wir haben alle Kinder in den Blindenschulen in der Provinz untersucht. Wir haben Statistiken aufgestellt, warum die Kinder blind waren, wie viele Kinder es waren und ob ihnen durch Operationen oder Sehhilfen geholfen werden könnte. Und wir waren bei zwei oder drei Kindern mit Operationen erfolgreich, diese Kinder können jetzt sehen."

Ein Beitrag von Ulrike Schmitzer, für die Ö1-Dimensionen, vom 3.4.02, 19 Uhr.
->   Ö1
 
 
 
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01.01.2010