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ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Der Handel mit den Treibhausgasen  
  Großbritannien hat am Dienstag das weltweit erste Programm gestartet, das den Unternehmen erlaubt auf nationaler Ebene mit Treibhausgas-Emissionen zu handeln. Dieses Programm ist Teil der Umsetzung des Kyoto-Protokolls, dessen Ziel eigentlich der Reduktion dieser klimaschädigenden Gase gilt. Der Emissionshandel, genauer gesagt der Handel mit Emissionsrechten, ist allerdings eine umstrittene Methode.  
Rund fünf Monate ist es her, dass die vorerst letzte Verhandlungsrunde um die Reduktion von klimaschädigenden Treibhausgasen in Marrakesch stattgefunden hat. Man hat sich bei der UN-Klimakonferenz - nach diversen Zugeständnissen an diverse Länder - letztlich auf internationaler Ebene geeinigt.
Beispiel Österreich: 13 Prozent weniger
Alle Partnerländer müssen nun bis 2012 ihre Treibhausgas-Emissionen um bestimmte im Kyoto-Protokoll festgelegte Werte verringern. Österreich etwa muss im Rahmen der EU-Aufteilung eine Reduktion von 13 Prozent - allerdings basierend auf den Werten von 1990 - erreichen, sonst drohen Strafen.
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Das Kyoto-Protokoll
Die Industriestaaten haben sich 1997 auf der UN-Klimakonferenz im japanischen Kyoto dazu verpflichtet, die Emission der sechs Treibhausgase Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Distickstoffoxid (N2O), teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (H-FKW), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW) und Schwefelhexafluorid (SF6) im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2012 gegenüber den Werten des Jahres 1990 um mindestens fünf Prozent zu senken.
->   Der Text des Kyoto-Protokolls
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"Flexible Mechanismen" für die Länder
Nun sind die Länder an der Reihe und müssen auf nationaler Ebene ihre Verpflichtungen umsetzen. Dabei spielt auch der Handel mit Emissionen eine Rolle, denn laut Abkommen können sich Länder von ihren Verpflichtungen gleichsam freikaufen.

Neben der direkten Reduzierung der Treibhausgase legt das Klima-Abkommen nämlich auch so genannte "Flexible Mechanismen" fest, mit denen die einzelnen Staaten ihre Verpflichtungen ebenfalls erfüllen können.

Der Handel mit Emissionsrechten soll es beispielsweise ermöglichen, dass ein Land von einem anderen "Gutscheine" - also Emissionsrechte - kauft, da dieses z.B. weniger CO2 produziert, als ihm laut Abkommen zugestanden wurde.
Großbritannien beginnt mit Emissionshandel
In Großbritannien begann nun am Dienstag offiziell der Handel mit solchen Emissionsrechten - zunächst auf nationaler Ebene: 34 Firmen haben sich für den Anfang im Rahmen des Programms zu konkreten Reduktionen ihres Treibhausgas-Ausstoßes verpflichtet - und erhalten dafür von der Regierung finanzielle Zuwendungen.

Die Unternehmen können sich nun allerdings den für sie günstigsten Weg suchen, ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Zumindest ein Teil ihrer Quote könnte also dadurch erreicht werden, dass sie von anderen Firmen Emissionsrechte ankaufen, statt selbst ihre Emissionen zu reduzieren.

Das Programm basiert damit auf den gleichen Mechanismen, wie der im Abkommen vorgesehene zwischenstaatliche Handel: Reduziert also eine Firma ihren Ausstoß an Treibhausgasen stärker, als sie dies gemäß Vereinbarung tun müsste, kann sie ihre überschüssigen Emissionsrechte weiterverkaufen.
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Die Details des Britischen Programms
In das zunächst über fünf Jahre laufende Programm wurden bislang 34 Unternehmen bzw. Organisationen aufgenommen, die aus einer Vielzahl von industriellen Bereichen kommen. Darunter die Ölfirmen Shell und BP, British Arways, aber auch das National History Museum in London. Geplant ist laut BBC, dass bis Ende des Jahres weitere Firmen - zu leicht veränderten Bedingungen - teilnehmen können.

Die 34 Firmen haben sich verpflichtet, ihren jährlichen Ausstoß an Treibhausgasen um mehr als vier Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) zu reduzieren. Damit hätten sie bereits fünf Prozent der für Großbritannien vorgesehenen jährlichen Reduktion erfüllt. Doch die Unternehmen erhalten auch finanziellen Anreiz - in Form von 53,37 Pfund (87, 21 Euro) pro eingesparter Tonne.
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Der Handel beginnt erst
Der britische Vorstoß ist allerdings erst der Anfang. So hat die EU einen Richtlinienvorschlag ausgearbeitet, der den Emissionshandel zwischen den Partnerländern regeln soll. Irgendwann wird dann wohl der Handel auch international möglich sein.

Länder wie Russland hoffen gar auf das ganz große Geschäft mit der "heißen Luft". Das Land könnte Hauptverkäufer solcher Emissionsrechte sein, da in Russland durch den wirtschaftlichen Zusammenbruch bereits jetzt weitaus weniger CO2 produziert wird, als ihm laut Abkommen zugestanden wird.

Hinzu kommen die riesigen Waldflächen des Landes, die als so genannte "Senken" laut Klima-Abkommen ebenfalls angerechnet werden.
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"Senken"
Auch Wälder und Böden dürfen in bestimmten Grenzen als Klimaschutzbeitrag einberechnet werden, da sie Kohlenstoff speichern. Dies soll datenmäßig kontrollierbar und transparent sein. Vor allem waldreiche Länder wie Russland und Kanada profitieren von dieser Möglichkeit. Solche Anrechnungen können auch für später "gebunkert" werden.

Bei Fachleuten gilt dies aber als umstritten, denn wie viel Kohlenstoff Wälder tatsächlich dauerhaft speichern können, ist nicht umfassend geklärt.
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Rapider Wertverlust
Seit allerdings die USA aus den Verhandlungen ausgestiegen sind haben die russischen Emissionsrechte an Wert verloren - denn der weltweit größte Produzent von klimaschädigenden Gasen wäre ein sicherer Abnehmer für die "Treibhausgas-Gutscheine" gewesen.

Russland verlegt sich daher auf ein strategisches Spiel: Man hat bereits angedeutet, das Protokoll nur dann zu ratifizieren, wenn Japan und die EU sich von vornherein bereit erklären, Emissionsrechte zu kaufen.

Dieses Spiel scheint aufzugehen, wie Stefan Schleicher, Professor für Volkswirtschaft an der Universität Graz und langjähriger Beobachter der Klimakonferenzen gegenüber science.ORF.at erklärt. Die EU werde sich das wohl einiges kosten lassen.
Was passiert in Österreich?
In Österreich ist das Kyoto-Protokoll zumindest auf dem besten Wege, endgültig Gesetzesstatus zu erreichen. Vom Nationalrat wurde es Mitte März ratifiziert, in den kommenden Wochen sollte es durch den Bundesrat gehen und letztlich - mit der Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten - Gesetzeskraft erreichen.

Doch auch hierzulande sind die Einzelheiten nicht geklärt, denn das "Wie" wird darin nicht festgelegt. Seit mittlerweile zwei Jahren ist bereits eine Klimastrategie in Verhandlung, Bund und Länder haben sich jedoch bislang nicht einigen können.
90 Millionen Euro Anreizfinanzierung ...
Ähnlich wie in England müssen wohl Anreizfinanzierungen die letzten Zweifel ausräumen, von 90 Millionen Euro ist die Rede. Das klingt zunächst nach einem immensen Betrag.

Doch wie Experte Schleicher erläutert, hat das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) bereits in Studien belegt, dass man letztlich davon profitieren wird.
Kyoto als "Frischzellenkur" für die Wirtschaft
Demnach geht das WIFO davon aus, dass bei Investitionen von 90 Millionen Euro bis zu 300 Millionen Euro in die öffentlichen Kassen zurückfließen können.

Positiv zu bewerten sei auch der Anreiz für die Industrie, sich neue Marktchancen, neue Geschäftsfelder zu eröffnen. Das Kyoto-Protokoll sei eine "Frischzellen-Kur für die Wirtschaft", gibt sich Schleicher überzeugt.

Den Emissionshandel sieht der Volkswirtschaftler im Übrigen nicht als Gefahr für den "Geist des Kyoto-Protokolls" - unter der Voraussetzung, dass dieser korrekt geführt werde. Eben dies bleibt also abzuwarten - denn mit Großbritannien hat der Handel erst begonnen.

Sabine Aßmann, science.ORF.at
->   Mehr zu den UN-Klimakonferenzen in science.ORF.at
->   UK Emission Trading Group
->   Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung
 
 
 
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01.01.2010