News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 
Chlor im Schwimmbad: Gefahr oder Panikmache?  
  Organische Verunreinigungen, Bakterien, Pilze oder Keime können das Vergnügen in Schwimmbädern erheblich beeinträchtigen. Da sie nur bedingt durch Filteranlagen entfernt werden, ist das Aufoxidieren durch Chlor das übliche Verfahren. Während nun britische Forscher dabei auf mögliche Gesundheitsrisiken hinweisen und entsprechende Maßnahmen fordern, geben hiesige Wissenschaftler für die österreichischen Bäder Entwarnung.  
Gefährliche Substanzen nachgewiesen
In einer Studie, die in der aktuellen Ausgabe des Ärzte-Fachblatts "Occupational and Environmental Medicine" veröffentlicht wurde, fanden Forscher des Imperial College of Science, Technology and Medicine (London) im Wasser britischer Schwimmbecken erhöhte Werte gefährlicher Substanzen, die durch Beifügung von Chlor zwecks Aufoxidierung entstehen.
...
Aufoxidierung (stilles Verbrennen)
Da der Sauerstoffgehalt in stehenden Schwimmbad-Gewässern unzureichend ist, muss Sauerstoff in der aktiven Form des "O" hinzugefügt werden. Ozon (O3), Wasserstoff-Superoxyd, Chloroxyd oder Chlorverbindungen setzen im Wasser - durch Bildung der unterchlorigen Säure HOCI - ein äußerst wirksames, oxydierendes Sauerstoffatom frei.
->   Mehr zu Chlor
...
Substanzen für Schwangere gefährlich
Diese so genannten Desinfektions-Nebenprodukte werden mit Fehlgeburten und Missbildungen von Embryonen in Verbindung gebracht.

Deshalb sollten laut der britischen Studie vor allem schwangere Frauen stark gechlorte Schwimmbecken nach Möglichkeit meiden. Das Baden könnte Gesundheitsrisiken für ihre ungeborenen Kinder bergen.
Weitere Forschung nötig
Ob vom Schwimmbadwasser tatsächlich eine direkte Gefahr für schwangere Frauen und ihre ungeborenen Kinder ausgeht, konnten die Wissenschaftler nicht sagen. Um die Risiken einschätzen zu können, sei weitere Forschung nötig.
Hohe Konzentrationen in acht Bädern
Den Angaben zufolge stellten die Forscher in acht Londoner Hallenbädern aber hohe Konzentrationen von Trihalomethanen(THM) fest, darunter das möglicherweise Krebs erregende Chloroform.

Problematisch an Chloroform ist nicht, dass man es in kleinen Mengen über die Haut aufnimmt oder kleine Mengen schluckt, sondern dass es an der Wasseroberfläche als Gas frei wird.
...
THM=Trihalomethane
Es handelt sich dabei um organische Verbindungen von Trichlormethan, Tribrommethan, Dibromchlormethan und Bromdichlormethan, die wiederum zur Gruppe der Haloforme gehören. THMs entstehen, wenn im Methanmolekül CH4 drei Wasserstoffatome durch Halogene ersetzt werden.
...
Senkung der Chlormenge gefordert
Als Vorsichtsmaßnahme schlagen die Wissenschaftler vor, den Einsatz von Chlor in Bädern so weit wie möglich zu verringern.

Was in Großbritannien zur Zeit für Aufregung sorgt, ist jedoch in Österreich aufgrund strenger Verordnungen längst kein Thema mehr.
Wasserqualität in Österreich ausgezeichnet
So betont Friedrich Tiefenbrunner vom Hygieneinstitut in Innsbruck gegenüber science.ORF.at die sehr gute Wasserqualität in österreichischen Bädern, die durch gesetzliche Richtlinien, strenge Kontrollen und insbesondere ein spezielles Wasseraufbereitungsverfahren gewährleistet wird.

Die alarmierenden Untersuchungsergebnisse der britischen Studie führt Tiefenbrunner zum einen auf die in angelsächsischen Ländern sowie Belgien und Dänemark übliches Vorgehen bei der Wasseraufbereitung, zum anderen auf dort fehlende gesetzliche Richtlinien zurück.
Grenzwerte für Wasseraufbereitung wichtig
In Österreich wird beispielswiese das Badewasser vor der Chlorung durch Flockung und Filtration bereits von größeren Verunreinigungen frei, die dann hinzugefügte Chlormenge wird gemäß eines strengen Verteilungsschlüssels (Anzahl der Menschen/Volumen) errechnet und darf gesetzlich festgelegte Grenzwerte nicht überschreiten.

In Großbritannien wiederum gibt es diese Grenzwerte nicht, auch ist laut Tiefenbrunner die Zahl der Badenden wesentlich höher, was bei der meist zu geringen Filterleistung zu entsprechend hohen Chlordosierungen führt.
...
Flockung
Bei der Aufbereitung wird das Rohwasser in offenen Anlagen belüftet, indem es durch Düsen fein zerstäubt wird. Dabei geschieht zweierlei: Kohlensäure und Schwefelwasserstoff verflüchtigen sich, und gleichzeitig nimmt das Wasser Sauerstoff aus der Luft auf.

Der Sauerstoff verbindet sich (oxidiert) mit dem im Wasser gelösten Eisen und Mangan und es bilden sich kleine Flocken. Das Entfernen der Flocken erfolgt in Filtern, die mit feinem Sand und Kies gefüllt sind. Während das ausgeflockte Eisen und Mangan zurückgehalten wird, sickert das geklärte Wasser hindurch.
...
Auf das Verfahren und die Dosierung komme es an
Chlor sei immer noch das geeignetste Mittel für die Oxidation, so Tiefenbrunner. In kleinen Konzentrationen bewirke es mehr als vergleichbare Mittel wie beispielsweise Wasserstoffperoxid, das verglichen mit Chlor fünfzigfach höher dosiert sein müsste, um ähnliche Ergebnisse erzielen zu können.
->   Wasserstoffperoxid
Gesetzliche Regelung notwendig
Auch gäbe es laut Tiefenbrunner in Großbritannien keine vergleichbaren gesetzlichen Richtlinien. In Österreich hingegen sei die Badewasserqualität seit 1977 durch das Bäderhygienegesetz geregelt. Strenge Kontrollen und Vorgaben hinsichtlich der Chlormengen seien daher seit Jahren üblich.
->   Bäderhygienegesetz (pdf-Dokument)
Die möglichen Gefahren von Desinfektions-Nebenprodukten seien daher überhaupt kein Thema in Österreich, betont der Forscher und warnt vor unbegründeten Ängsten.

Einer EU-weiten Regelung der Schwimmwasserqualität steht Tiefenbrunner folglich skeptisch gegenüber: "Den kleinsten gemeinsamen Nenner können wir uns nicht leisten".
->   Mehr über Friedrich Tiefenbrunner
->   Neue Normen für Wasseraufbereitung
->   Abstract der Studie (Occupational and Environmental Medicine)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010