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ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Erbsubstanz von zwei Reissorten entziffert  
  Forschern ist es gelungen, die Erbsubstanz zweier Reissorten zu entzifern. Damit soll es möglich sein, besonders widerstandsfähige Pflanzen zu züchten. Doch die Unternehmen wollen aus ihren Forschungen auch finanziellen Nutzen ziehen - möglicherweise durch die Patentierung bestimmter Reisgene oder einzelner Gensequenzen. Und das führt zu der brisanten Frage: Lässt sich "Leben" patentieren?  
Das Genom zweier Reissorten wurde entschlüsselt - eine Meldung von beträchtlicher Bedeutung für die internationale Forschung - und für rund die Hälfte der Weltbevölkerung, deren Grundnahrungsmittel Reis ist.

Denn nicht zuletzt versprechen die Forscher, durch ihre Ergebnisse die Reisernte erhöhen zu können. Das Fachmagazin "Science" hat die beiden Arbeitsversionen der Genomsequenzen nun in seiner aktuellen Ausgabe veröffentlicht.
Zwei Teams - zwei Genome
Die US-Wissenschaftler des zum Syngenta-Konzerns gehörenden Torrey Mesa Research Instituts in San Diego publizierten in "Science" das Genom der Sorte "Oryza sativa japonica".

Laut Syngenta haben die Forscher rund 45.000 Gene, eingebunden in die 420 Millionen Basenpaare der 12 Reis-Chromosomen, gefunden. Damit decke die Analyse mehr als 99 Prozent des Reisgenoms ab, bei einem Genauigkeitsgrad von 99,8 Prozent.

Ihre Kollegen vom Beijing Genomics Institute (BGI) der chinesischen Akademie der Wissenschaften nahmen sich der Sorte "Oryza sativa indica" an. In einer Aussendung hieß es, man habe etwa 95 Prozent entschlüsselt.
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Das Genom - "Bauplan" des Organismus
Als Genom wird die gesamte DNA einer Zelle - eine Kette von Genen - bezeichnet. Das Genom als ganzes enthält die komplette Information, die zur Entwicklung eines Lebewesens notwendig ist - sozusagen den "Bauplan" des Organismus.

Die Art der Information eines Abschnittes der DNA wird durch die Abfolge - die so genannte Sequenz - der vier chemischen Bausteine A (Adenin), C (Cytosin), G (Guanin) und T (Tymin) bestimmt. Ein Gen ist ein kurzer Unterabschnitt der DNA, der die Information für genau ein Protein enthält.
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Erstmals Genom einer Getreidepflanze
Mit dem Reis haben sich die Wissenschaftler erstmals einer Nutzpflanze angenommen. Die Reisgenom-Entschlüsselung gilt somit als Modell für weitere Forschungen an Getreidepflanzen wie Weizen, Mais oder Gerste.
Daten öffentlich zugänglich?
Aufhorchen lässt nun vor allem die Ankündigung der beiden Forschungsteams, mit "öffentlichen Forschungsinstitutionen" zusammen zu arbeiten und ihre Ergebnisse in der Datenbank GenBank öffentlich zugänglich zu machen - denn um genau diesen Aspekt gab es bereits hitzige Debatten.

Zuletzt hatten führende Wissenschaftler in einem offenen Brief in "Science", der im Konkurrenzblatt "Nature" veröffentlich wurde, den freien Zugang zu diesen Daten eingefordert. Hintergrund war der im vergangenen Jahr ausgebrochene "Streit" um die Veröffentlichung des Humangenoms.
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Der Streit ums Humangenom
"Science" zog damals harsche Kritik auf sich, als es die Veröffentlichung des Humangenoms durch Craig Venters Unternehmen Celera Genomics erlaubte. Der Stein des Anstoßes: Celera stellte die Ergebnisse nicht - wie der große Konkurrent und öffentliche Forschungsverbund Human Genome Project (HGP) - in GenBank zur allgemeinen Verfügung.

Stattdessen sicherte sich Celera weiterhin - zumindest teilweise - die Nutzungsrechte, eine neue und erstmalige Beschränkung einer wissenschaftlichen Publikation, wie sie zuvor noch nicht bekannt war.
->   Mehr dazu in science.ORF.at: Streit um Veröffentlichung des Reisgenoms
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Das Reisgenom: Privat und öffentlich
Eine ähnliche Situation gibt es nun auch im Fall des Reisgenoms - denn das private Unternehmen Syngenta forscht nicht als einziges an dessen Entschlüsselung: Parallel dazu arbeitet das International Rice Genome Sequencing Project (IRGSP) - ein öffentlich geförderter Zusammenschluss verschiedener Forschungsinstitute.

Im Rahmen des IRGSP arbeitet man gemeinsam an der aufwändigsten Karte des Reisgenoms - erwartet wird eine Genauigkeit von 99,99 Prozent. Doch diese Entschlüsselung wird erst gegen Ende 2002 erwartet, wie die dpa berichtet.
Syngenta zeigt sich kooperativ
In der "Nature"-Ausgabe, die auch den offenen Brief beinhaltete, wurde bereits berichtet, dass Syngenta Gespräche mit dem IRGSP aufgenommen habe. Demnach sei das Biotech-Unternehmen prinzipiell zur Zusammenarbeit bereit - und wolle Daten zur Verfügung stellen.

Diese Aussage haben nun beide Teams bekräftigt. Wie diese Zusammenarbeit letztlich aussehen wird, sei dahingestellt. Das öffentlich geförderte IRGPS wird auf jeden Fall ebenfalls - früher oder später - eine Karte des Reisgenoms veröffentlichen.
Die Patentierbarkeit von Leben
Übergeordnet steht die Frage nach der Patentierbarkeit von Erkenntnissen, die im Zusammenhang mit dieser Entschlüsselung stehen - und letztlich als Geldquelle der privaten Forschungsunternehmen gelten.

Denn mit der Entschlüsselung des Genoms ist noch längst nicht geklärt, welche Funktionen die einzelnen Gene haben - dies bedarf weiterer Forschungen, die als Quelle des Geldsegens dienen könnten.

Lässt sich ein Unternehmen beispielsweise ein bestimmtes Reisgen patentieren, das für eine besondere Eigenschaft der Pflanze kodiert, so sichert es sich damit sämtliche Nutzungsrechte. Jede Art von Forschung an diesem Gen und die Verwertung etwaiger Ergebnisse wäre lizenzpflichtig bzw. stünde allein dieser einen Firma zu.
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Die "Zukunft" der Reispflanze
Vom Reisgenom erwarten sich die Forscher etwa, dass - durch konventionelle Züchtung, aber auch durch direkte Eingriffe in die Genetik der Reispflanze - besonders ertragreiche sowie gegen Schädlinge resistente oder an Trockenheit angepasstere Sorten entstehen könnten. Neue Sorten, deren Nutzungsrechte dann bei den das Patent haltenden Unternehmen liegen werden.
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Eine auch in Österreich noch offene Debatte
Auch in Österreich ist die Debatte um solche Patenten augenblicklich im vollen Gang: Es geht um die so genannte Biopatent-Richtlinie der EU, die hierzulande bislang noch nicht umgesetzt worden ist. Die österreichische Bioethik-Kommission empfahl kürzlich allerdings, genau dies zu tun.

Umstritten ist beispielsweise - dank widersprüchlicher Formulierungen - die Frage, ob auf Grund dieser Richtlinie einzelne Gensequenzen patentiert werden könnten. Dies ist Gegenstand der politischen Diskussion zwischen allen vier Parlamentsparteien.
->   Mehr dazu in science.ORF.at: Polit-Streit um EU-Biopatentrichtlinie
Rechtsgrundlage für Gen-Patente
Kritiker wie die Umweltschutzorganisation Greenpeace lehnen die Richtlinie völlig ab und wehren sich generell gegen die "Patentierung von Leben", wie sie dadurch ihrer Meinung nach erlaubt wird.

Denn die Biopatent-Richtlinie liefert die Rechtsgrundlage für die Patentierung von einzelnen menschlichen, pflanzlichen oder tierischen Genen ebenso, wie von gentechnisch veränderten Pflanzen und Tieren: Gene werden als chemische Verbindung aufgefasst und können somit patentrechtlich geschützt werden.
"Berühmtes" Beispiel: Brustkrebs-Gen
Bestes und bislang strittigstes Beispiel war die Erteilung eines Patentes auf ein "Brustkrebs-Gen" durch das europäische Patentamt in München. In diesem Zusammenhang bleibt auch bei dem nunmehr entschlüsselten Reisgenom abzuwarten, welche Erkenntnisse die weitere Forschung erbringen wird - und wer letztlich den Nutzen hat.

Sabine Aßmann, science.ORF.at
->   Alle Artikel in "Science" zum Reisgenom (kostenpflichtig)
->   Syngenta-Aussendung zum Reisgenom
->   Beijing Genomics Institute zum Reisgenom
->   International Rice Genome Sequencing Project
->   GenBank
 
 
 
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01.01.2010