News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 
Der Handel mit lebensgefährlichen Scheinmedikamenten  
  Zehn Prozent des weltweiten Medikamentenhandels werden, nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), mit Fälschungen betrieben. Der größte Teil der teilweise lebensgefährlichen "Scheinmedikamente" ist in Südostasien im Handel. Wissenschaftler fordern jetzt ein international geschlossenes Vorgehen gegen dieses gefährliche Geschäft.  
Augentropfen aus Leitungswasser, Paracetamol - ein entzündungshemmender und schmerzlindernder Wirkstoff - aus Lösungsmitteln, Antibaby-Pillen aus Mehl sowie unwirksame Antibiotika und Medikamente gegen Malaria sind nur eine kleine Auswahl der im Handel befindlichen Fälschungen.
Unwirksam und manchmal auch tödlich
Einige der Fälschungen sind jedoch nicht nur wirkungslos im Kampf gegen eine Krankheit. Sie enthalten oft auch gesundheitsschädliche, manchmal tödliche Inhaltsstoffe.

Besonders in Entwicklungsländern ist durch den Handel mit den Fälschungen die Anzahl der Todes- und Krankheitsfälle erheblich gestiegen, schreibt Paul Newton vom Center for Tropical Medicine and Infectious Disease an der University of Oxford im British Medical Journal.
...
->   British Medical Journal: Murder by fake drugs
...
Falsche Studien durch gefälschte Medikamente
Zusammen mit Kollegen aus Thailand, Indonesien und Amerika hat Newton das Dossier über den Handel mit den gefälschten Medikamenten zusammengestellt. Bisher gab es nur vereinzelte, lokale Berichte über unwirksame oder schädliche Medikamente.

Diese erste umfassende Studie zu diesem Thema macht nicht nur auf das Problem des Handels mit gefälschten Medikamenten aufmerksam, sondern zeigt auch die Auswirkung des Problems auf andere medizinische Studien.

Die gefälschten Medikamente können nicht nur Menschen töten, sondern verfälschen auch die Ergebnisse von Studien: So gibt es zum Beispiel einige Berichte über Resistenzen gegenüber dem Malariamedikament Artesunate in Kambodscha, die eindeutig auf die unbewusste Verwendung von gefälschten Medikamenten zurück zu führen ist.
Ein kleiner Auszug an Medikamentenfälschungen
Erhebungen auf den Philippinen stellten fest, dass es sich bei acht Prozent der verkauften Medikamente um Fälschungen handelt, wie die Mediziner berichten.

Landesweite Untersuchungen in Kambodscha haben 1999 gezeigt, dass 60 Prozent von 133 Medikamentenhändlern Tabletten verkauften, die statt dem Antimalariawirkstoff Mefloquin die ineffektive aber weitaus billigere Substanzgruppe Sulphadoxine-Pyrimehtamine enthielten.

Außerdem wurden von den Händlern Medikamente in Umlauf gebracht, die eigentlich vernichtet werden sollten und Fälschungen, die gar keine Wirkstoffe enthielten.

Eine andere Studie kam zu dem Schluss, dass es sich bei 38 Prozent der Tabletten, die in fünf verschiedenen Ländern des südostasiatischen Festlandes verkauft wurden, um Fälschungen des Malariamedikamentes Artesunate handelte.
...
Artesunate
Artesunate ist einer der wichtigsten Antimalariawirkstoffe. Seine schnelle Wirkungsweise und die geringen Nebenwirkungen haben ihn zu einem der gefragtesten Medikamente in von Malaria bedrohten Gegenden gemacht. Auf Grund dieser Eigenschaften, und der hohen Erzeugungskosten, wurde Artesunate zu einem begehrten Objekt der Fälscher.
...
Sünden der Vergangenheit
In der Vergangenheit haben, so Newton, Pharmafirmen bereits versucht, das Problem herunter zu spielen, da sie befürchteten, dass die Öffentlichkeit ihr Vertrauen in die Medizin verlieren könnte.

Außerdem sollen einige Regierungen, die sich des illegalen Handels sehr wohl bewusst sind, sich dazu entschieden haben, das Problem zu ignorieren.
Wenig Aufmerksamkeit und keine Mittel
Bisher waren die Reaktionen auf das Problem der Medikamentenfälschung sehr gering. So führte zum Beispiel das Auftreten von gefälschten Krebsmedikamenten in den USA, nur zu lokal begrenzten Maßnahmen der pharmazeutischen Industrie.

Es gibt zwar weltweit gültige Richtlinien für den Handel mit Medikamenten. Den meisten Entwicklungsländern fehlt jedoch die Infrastruktur und das Geld, die Regeln in die Tat umzusetzen.

Um armen Ländern die Überwachung ihrer Medikamentenlieferungen zu ermöglichen, ist eine internationale technische, logistische und finanzielle Unterstützung nötig. Nach Meinung der Autoren wäre es am Besten, eine eigens für diesen Zweck gegründete Organisation ins Leben zu rufen.
Kostengünstige, aber fälschungssichere Techniken
Hologramme, flureszierende Marker und andere ausgereifte Techniken könnten verwendet werden, um die Originalprodukte zu kennzeichnen - den meisten Ländern sind diese Maßnahmen aber zu teuer. Daher müssen einfachere, kostengünstigere, aber trotzdem fälschungssichere Methoden entwickelt werden.

Ein Beispiel hierfür sind so genannte farbmetrische Untersuchungen, mit deren Hilfe beispielsweise erfolgreich gefälschte Artesunate-Tabletten entdeckt werden konnten.
...
Minilabor zur Medikamentenüberprüfung
Der German Pharma Health Fund hat ein Minilabor entwickelt, mit dessen Hilfe die Echtheit einer breiten Palette von wichtigen Medikamenten relativ einfach und kostengünstig festgestellt werden kann.
->   German Pharma Health Fund
...
Ein großes Vorhaben
Der Großteil des Handels mit gefälschten Medikamenten ist eng verbunden mit Korruption, organisiertem Verbrechen, Drogenhandel, dunklen Geschäften einiger pharmazeutischer Firmen und den Geschäftsinteressen skrupelloser Politiker.

Daher werden laut Paul Newton sehr große internationale, politische Anstrengungen nötig sein, um das Problem des Handels mit gefälschten Medikamenten in den Griff zu bekommen.
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Malaria: Falsche Arzneien führen zu Millionen Toten
->   Pharmafirmen: Profit oder Moral?
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010