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Föhn wirkt wie Wasser, Alpen wie ein Wehr  
  Wie funktioniert eigentlich der Föhn, dieser allen Alpenbewohnern bekannte Fallwind? Ein Meteorologenteam konnte nun einzigartige Daten zur Entschlüsselung dieses bisher nie eindeutig geklärten Phänomens liefern. Demzufolge ähnelt der Föhn einer Wasserströmung über ein Wehr - wobei die Alpen das Wehr darstellen.  
"Mesoscale Alpine Programme"

Der 2.778 Meter hohe Wolfendorn, östlich des Brennerpasses. Zu sehen sind die ins Tal schießenden
Luftmassen - erkennbar an den herabstürzenden Wolken.
Der Föhn, der nicht nur bei vielen von uns Kopfweh und Kreislaufprobleme verursacht, sondern auch dem Flugverkehr und der Landwirtschaft Schwierigkeiten bereitet, gibt den Forschern bereits seit mehr als eineinhalb Jahrhunderten Rätsel auf.

Ein internationales Forschungsteam mit Meteorologen aus den USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Italien, Deutschland und Österreich machte sich nun - gefördert vom Wissenschaftsfonds (FWF) - auf die Suche nach den Antworten hinter dem oft zitierten, gern verfluchten Föhn.

Als Teil des "Mesoscale Alpine Programme (MAP)", der größten jemals durchgeführten Messkampagne zur Erforschung von Gebirgswetter, werden seit 1999 auch Analysen entlang der so genannten Brennersenke im Tiroler Wipptal rund um die Mechanismen dieses Phänomens durchgeführt.
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Koordiniert wird das vom Wissenschaftsfonds (FWF) geförderte Projekt vom Innsbrucker Institut für Meteorologie und Geophysik, das auch den Großteil der Messungen und der Betreuung der mehr als 80 Messeinrichtungen bestritten hat.
->   Föhn-Projekt am Innsbrucker Institut für Meteorologie und Geophysik
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Alpen wirken wie ein Wehr

Blick über die Brennersenke am Alpenhauptkamm in Tirol - das
Forschungsgebiet.
Die ersten Ergebnisse der Messungen, die auf beiden Seiten des Brenners erfasst worden sind, können sich sehen lassen: "Der - Föhn entlang der Brennersenke ähnelt stark der Wasserströmung über ein Wehr, wobei die Alpen das Wehr darstellen", erläutert der Leiter des Projekts, der Meteorologe Georg Mayr.

"Stromaufwärts liegt die Luft wie ein Fluss aufgestaut vor dem Wehr. Die Oberfläche dieser gestauten Luftmassen wird oft von einer Wolkenschicht gebildet. Stürzt die Luft auf der anderen Seite des Wehrs hinunter, erwärmt sich die ins Tal schießende Luft und die Wolken lösen sich auf."
Seichter und hoch reichender Föhn
So wie ein Fluss unterschiedlich viel Wasser führen kann, sind auch die aufgestauten Luftmassen unterschiedlich hoch. "Wenn sie hoch genug sind, um durch die Einschnitte und Pässe des 'Alpenwehrs' fließen zu können, bezeichnet man das als 'seichten Föhn'", so der Meteorologe. "Eine Hochwassersituation, bei der die Luftmassen noch weit oberhalb der höchsten Alpengipfel auf die andere Seite des Wehrs stürzen, wird 'hoch reichender Föhn' genannt."
"Föhnflieger" mit Minilabors ...
Im Gegensatz zu früheren Analysen wurden die Daten während der 70 Tage dauernden Messkampagne nicht nur auf dem Boden, sondern auch in der Luft durchgeführt: Neben dem gängigen Messballon, der Daten zum Boden funkt, während er in die Luft steigt, boten vor allem die von der örtlichen Bevölkerung "Föhnflieger" getauften Messflugzeuge interessante Einblicke in den Föhn.
... und hurrikanerprobter Flugcrew

Mini-Labor des "Föhnfliegers"
Die viermotorigen US-Maschinen, die ein hervorragend ausgestattetes Mini-Messlabor an Bord haben, fliegen normalerweise in die Zentren von Hurrikans. "Es ist beeindruckend, wie diese Flieger bis zu dreihundert Meter über dem Boden in der turbulenten Föhnluft durch das enge Wipptal manövriert werden", führt Mayr aus.

"Am spektakulärsten war unser erster Einsatz: Das Flugzeug musste wegen einer weit nach Norden reichenden Wolkendecke, einer 'Föhndecke', im Sturzflug in ein Seitental abtauchen und von dort in das Haupttal abdrehen. Für die hurrikanerprobte Flugcrew war es zwar kein Problem, für unsere Mägen allerdings schon."
Relevant für Flughafen Innsbruck und andere
Die gesammelten Messdaten helfen den Wissenschaftlern nicht nur, die Mechanismen des Föhns zu verstehen, sondern finden auch ganz konkret in der Praxis Einsatz: Der Flughafen Innsbruck beispielsweise liegt in einer Föhnschneise. Windscherungen, in denen der Wind innerhalb kürzester Distanzen aus der entgegengesetzten Richtung wehen kann, sind für Flugzeuge während des Starts und der Landung sehr gefährlich.

Die gewonnen Erkenntnisse werden künftig wichtige Details für wetteradäquate Flugmanöver liefern können - nicht nur für Innsbruck, sondern auch für andere internationale Flughäfen. "Auch der Flughafen in Hongkong liegt innerhalb solcher Windschneisen und wird von unseren Ergebnissen profitieren", resümiert der Meteorologe.

Eva-Maria Gruber, Universum-Magazin
->   Mesoscale Alpine Programme
->   Innsbrucker Institut für Meteorologie und Geophysik
->   Wissenschaftsfonds (FWF)
->   Universum-Magazin
 
 
 
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01.01.2010