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Scientific Community: Streit um 11. September  
  Nicht nur die Weltpolitik, auch die Forschergemeinde ist nach den Terroranschlägen vom 11. September in Aufruhr. Vor zwei Monaten bekannten sich führende Mitglieder der scientific community in einer offenen Petition zu "fundamentalen Werten", die notfalls auch in einem "gerechten Krieg" zu verteidigen wären. Eine weitere Gruppe von US-Intellektuellen und Wissenschaftlern kritisiert nun hingegen den "Antiterrorkampf" der amerikanischen Regierung heftig.  
Falsche Gleichsetzung: US-Werte und Macht
In einem offenen Brief, gerichtet an "unsere Freunde in Europa" wenden sich 130 Unterzeichner gegen die Politik der USA und ihrer (auch) wissenschaftlichen Verteidiger.

"Der größte Trugschluss der Apologeten der US-Kriegspolitik", so schreiben sie, "ist die Gleichsetzung der 'amerikanischen Werte', so wie sie in unserem Land verstanden werden, mit der Ausübung von wirtschaftlicher und vor allem militärischer Macht der USA im Ausland."
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Prominente Unterzeichner
Der offene Brief wurde an mehrere europäische Zeitungen verschickt und bisher von "Le Monde" und der "Süddeutschen Zeitung" abgedruckt. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem der Historiker Howard Zinn, der Physiker Alan Sokal, die Philosophin Judith Butler, der Schriftsteller Gore Vidal, die Ökonomen Edward Herman, Michael Perelman und Dan Baker sowie der Katholische Bischof Thomas Gumbleton.
->   Alle Unterzeichner des Briefes
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Machtpolitik der USA kritisiert
Die meisten Bürger der Vereinigten Staaten hätten nach Ansicht der Unterzeichner keine Ahnung, dass deren Außenpolitik "nichts mit den bei uns so gefeierten 'Werten' zu tun hat, sondern im Gegenteil oftmals dazu dient, Menschen in anderen Ländern die Möglichkeit vorzuenthalten, diese 'Werte' ebenfalls zu genießen, sollten sie einmal den Versuch unternehmen, dies zu tun."

Die Machtpolitik der USA habe "in Lateinamerika, Afrika und Asien meist dazu gedient, die Überbleibsel der Kolonialherrschaft und verhasste Diktatoren an der Macht zu halten, für die Wirtschaft dieser Länder verheerende wirtschaftliche ... Bedingungen aufzuzwingen, repressive Militärkräfte zu unterstützen ... sowie unabhängige Regierungen zu stürzen."
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Erste Petition: Gerechter Krieg, fundamentale Wahrheiten
Mitte Februar hatten 60 US-Intellektuelle ganz im Gegensatz zur nun vorliegenden Petition zum "gerechten Krieg" aufgerufen. Wissenschaftler wie der Soziologe Francis Fukuyama, der Kulturhistoriker Samuel P. Huntington und der Sozialwissenschaftler Michael Walzer begründeten darin moralisch, politisch und juristisch, warum "universale Werte und Grundrechte" manchmal durch einen solchen verteidigt werden müssen.

Die Verfasser des Aufrufs "What we're fighting for" bekräftigten, dass es "fundamentale Wahrheiten" gebe, auf die alle Menschen Anspruch hätten. Dazu gehöre, dass alle Menschen frei geboren seien und die gleiche Würde und die gleichen Grundrechte hätten. Ebenso seien Gewissensfreiheit und Religionsfreiheit unverletzbare Rechte des Menschen.
->   Mehr dazu: US-Intellektuelle für gerechten "Krieg gegen Terror"
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Recht auf Selbstverteidigung ...
Auch mit dem Recht auf "Selbstverteidigung", das die US-Regierung seit dem 11. September in Anspruch nimmt, gehen die Unterzeichner des Briefes hart ins Gericht. "Ohne Schuldnachweise oder rechtliche Prozedur" würden nun "Krieg nach ihren Bedingungen und eigener Wahl gegen jedes Land" geführt, das als Feind bezeichnet wird.
... ist ein kollektives Menschenrecht
Im Gegensatz dazu sehen die Wissenschaftler und Intellektuellen einzig ein "kollektives Menschenrecht" auf Selbstverteidigung. "Die Menschheit als Ganzes hat das Recht, ihr eigenes Überleben gegen die "Selbstverteidigung" einer keinen Beschränkungen unterworfenen Supermacht zu verteidigen."
Fazit: Die Wahl der Intellektuellen
Das Fazit der Petition: " Die Intellektuellen können wählen, ob sie sich dem Chor jener anschließen möchten, die die brutale Anwendung von Macht verherrlichen, indem sie ihr 'geistige Werte' bescheinigen, oder ob sie die schwierige und wichtigere Aufgabe übernehmen wollen, die arrogante Torheit der Mächtigen zu entlarven und mit der gesamten Menschheit zusammenzuwirken, um Wege zu einem vernünftigen Dialog, fairen wirtschaftlichen Beziehungen und Gerechtigkeit für alle zu finden."
->   Der komplette Text des offenen Briefes
Mehr zum Thema in science.ORF.at:
->   Arabische Wissenschaftler kritisieren US-Intellektuelle
->   Zizek: Wahre Universalität statt falsche Toleranz
->   Jean Baudrillard über den 11. September
 
 
 
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01.01.2010