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Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Wälder binden weniger CO2 als bisher vermutet  
  Die Waldbestände eines Landes können gemäß dem Kyoto-Protokoll als Klimaschutzbeitrag angerechnet werden, da ihnen eine besondere Rolle bei der CO2-Bindung aus der Atmosphäre zugeschrieben wird. Nun sorgen Ergebnisse von zwei unabhängigen Studien für Aufsehen: Diesen zu Folge ist die Reduktion der Treibhausgasemissionen durch Waldbestände wesentlich geringer als bisher angenommen.  
Wie viel Kohlenstoff Wälder tatsächlich speichern können, war zwar bislang umstritten, dennoch galten sie als "Kohlenstoffsenke". William Schlesinger und Kollegen von der Duke University (North Carolina) bestätigen nun mit ihrer Studie, dass die Hoffnung auf Reduzierung von Treibhausgasemissionen durch große Waldbestände eine trügerische ist.
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"Forest experiment questions greenhouse gas strategy"
Der Artikel "Forest experiment questions greenhouse gas strategy" erscheint am 13. April 2002 im "New Scientist" Magazine.
->   Der Artikel (online)
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Verdoppelung der CO2 Emissionen bis 2050 erwartet
Nach bisherigen Schätzungen soll sich der weltweite Kohlendioxidausstoß durch Industrie und Verkehr bis zum Jahr 2050 verdoppeln.

Eine Steigerung des Kohlendioxids würde auch zu schnellerem Wachstum von Wäldern führen, die wiederum - so nahm man bisher an - die gestiegene Menge des Kohlendioxids binden könnten. Man ging daher von einer Pattstellung im Kampf gegen die schädlichen Emissionen aus.
Bisherige Experimente mangelhaft
Diese Annahme konnte auch durch frühere Untersuchungen bestätigt werden, allerdings sind die daraus gewonnenen Ergebnisse laut Schlesinger allesamt nicht beweiskräftig.

Der Wissenschaftler kritisiert in diesem Zusammenhang die Bedingungen der Untersuchungen. Denn alle bisherigen Versuche, mehr über die CO2 Speicherfähigkeit von Bäumen und Pflanzen herauszufinden, wurden in abgeschirmter Umgebung, wie beispielsweise Gewächshäuser, unternommen.
Manko: Unrealistische Klimabedingungen
In Gewächshäusern sei es aber unmöglich, realistische Klimabedingungen in Hinblick auf Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Niederschlag dauerhaft zu gewährleisten.

Aus diesem Grund entschied sich Schlesinger und sein Team für ein vier Jahre dauerndes Freilandexperiment, im Rahmen dessen die Auswirkungen einer verdoppelten Kohlendioxidmenge auf Waldbestände untersucht wurden.
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Das Experiment im Detail
Das Experiment wurde auf sechs Waldgebieten von je 30 Quadratmetern durchgeführt, die mittels 32 vertikalen Röhren ringförmig abgesteckt wurden. Während drei davon mit jener CO2 Menge versorgt wurden, die für das Jahr 2050 geschätzt wird, wurden die drei anderen Grundstücke den derzeitigen CO2 Bedingungen ausgesetzt.
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Nur 27 Prozent des CO2 gebunden
Dabei fanden die Wissenschaftler heraus, dass Bäume, die der doppelten Kohlendioxidmenge ausgesetzt wurden, um 27 Prozent mehr CO2 in Biomasse umwandeln konnten als Bäume im Kontrollgebiet.

Damit sei der bislang erwartete Effekt ausgeblieben, da selbst wenn die Resultate sich auf den gesamten Waldbestand der Erde umlegen ließen, würde nur zehn Prozent der vom Menschen verursachen Treibhausgasemissionen durch Bäume absorbiert werden, kommentiert Schlesinger die erzielten Ergebnisse.
Politisch brisant?
Vor dem Hintergrund der so genannten "Carbon Credits" des Kyoto-Abkommens könnten die Ergebnisse politisch an Brisanz gewinnen.

Bislang werden Wälder und Böden als Klimaschutzbeitrag angerechnet, wodurch manche Länder die im Kyoto-Protokoll festegelegte Reduzierung der schädlichen Emissionen umgehen können. Vor allem waldreiche Länder wie Russland und Kanada profitieren von dieser Möglichkeit.
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"Carbon Credits" im Kyoto-Protokoll
Die Industriestaaten haben sich 1997 auf der UN-Klimakonferenz im japanischen Kyoto dazu verpflichtet, die Emission der sechs Treibhausgase Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Distickstoffoxid (N2O), teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (H-FKW), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW) und Schwefelhexafluorid (SF6) im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2012 gegenüber den Werten des Jahres 1990 um mindestens fünf Prozent zu senken.

Die so genannten "Carbon Credits" (CO2 -Entfernung aus der Atmosphäre durch Pflanzen oder technische Maßnahmen) können Regierungen nun nutzen, um den Treibhausgas-Ausstoß ihres Landes "auszugleichen". Anrechenbar gemäß dem Kyoto-Protokoll sind Neuaufforstungen, aber auch Forstbewirtschaftung.
->   Science.ORF.at: Der Handel mit den Treibhausgasen
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Regenwälder keine Kohlendioxid-Senken
Mit dieser Möglichkeit könnte es nun tatsächlich vorbei sein. Denn eine weitere Studie belegt, dass auch die tropischen Regenwälder - bislang Kohlendioxid-Senken - genau so viel Kohlendioxid freisetzen, wie sie speichern.

Jeffrey Richey von der University of Washington (Seattle) und Kollegen erforschten den Kohlenstoff-Kreislauf im Regenwald des Amazonas.
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"Outgassing from Amazonian rivers and wetlands"
Der Artikel "Outgassing from Amazonian rivers and wetlands as a large tropical source of atmospheric CO2" ist im aktuellen "Nature" erschienen, Bd. 416, Seiten 617 - 620, vom 11. April 2002.
->   Originalartikel (kostenpflichtig)
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Bisherige Daten widersprüchlich
Aufgrund von Widersprüchen in bisherigen Daten über die CO2 Mengen in der Amazonas-Region - direkte Messungen in den Regenwälder ergaben weniger CO2 Emissionen als global berechnet - untersuchten die Forscher auch die Gewässer und kamen zu einem verblüffenden Ergebnis.

Die Flüsse und Überschwemmungsgebiete des Regenwalds verursachen die gleiche Menge an Kohlendioxid, wie die Regenwälder aufnehmen. Damit gleicht sich die Bilanz auch wieder aus.
Mehr zu Treibhausgasemissionen auf science.ORF.at
->   Experten fordern Neuregelungen für Klimaschutz
->   Auswirkungen der Klimaerwärmung bereits sichtbar
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->   Mehr zum Kyoto-Protokoll auf science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010