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Deutsche Bundesärztekammer gegen EU-Biopatentrichtlinie  
  Patente auf Leben, wie sie mit der Umsetzung der EU-Biopatentrichtlinie mögliche würden, behindern Forschung und Medizin, wie die deutsche Bundesärztekammer meint. Eine Umsetzung in nationales Recht sei daher abzulehnen.  
Dies sagte der Mediziner Otmar Kloiber, Dezernent der deutschen Bundesärztekammer am Freitag auf Einladung von Greenpeace bei einem Pressegespräch in Wien.

Die Kommission für Ethik und Recht in der Medizin des deutschen Bundestages hat sich bereits Anfang des Jahres, im Gegensatz zur österreichischen Bioethik-Kommission, gegen eine Umsetzung der EU-Biopatentrichtlinie ausgesprochen.
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Biopatentrichtlinie
Die EU-Biopatentrichtlinie, eigentlich "Richtlinie 98/44/EG des Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen" (CelexNr 31998 L 044), ist ein über ein Jahrzehnt heftig diskutiertes Dokument, das Patentierungen im Bereich der Biotechnologie regelt. Im Rahmen der österreichischen Patentrechtsnovelle hätte im Sommer 2000 diese Richtlinie in das nationale Patengesetz übernommen werden sollen.
->   Richtlinie des Europäischen Parlaments über den Schutz biotechnologischer Erfindungen
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Biopatente behindern Forschung ...
Eine Umsetzung der Eu-Biopatentrichtlinie würde die Medizin in zwei Kernbereichen treffen, so Otmar Kloiber. Zum einen behindern Biopatente die Forschung. Zum Patent angemeldete Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung dürfen in Europa - im Gegensatz zu den USA - nicht vorher publiziert werden.

Wenn aber wissenschaftliche Ergebnisse nicht mehr publiziert werden, behindert das den Fortschritt der Forschung massiv. Viele Experimente, auch Tierversuche, müssten unnötigerweise mehrfach durchgeführt werden, da die eine Forschungsgruppe nichts mehr von den Zwischenerfolgen der anderen erfährt, die auf einem ähnlichen Gebiet arbeitet.
... und machen Medikamente unnötig teuer
Biopatente werden Medikamente außerdem unnötig und in ungerechtfertigter Weise teuer machen, erklärt Kloiber, und damit auch zu weitern Rationierungen im Gesundheitswesen führen. Dieses Problem wird alle Länder der Erde treffen, ist der Experte überzeugt.

Bestes Beispiel ist das auch in Europa bereits seit einem Jahr patentierte Brustkrebsgen BCRA1. Wegen des Patents, das die US-Firma Myriad hält, sind etwa Lizenzen bei jeder Art von Diagnoseverfahren oder bei der Entwicklung eines Medikaments aufgrund der Gensequenz fällig.
->   science.ORF.at: Verbot von Brustkrebsgen-Patent gefordert
Richtlinie grundsätzlich falsch
Die Forderung der deutschen Bundesärztekammer ist daher, die Richtlinie nicht umzusetzen, sondern von parlamentarischer Seite aus Neuverhandlungen auf europäischer Eben zu fordern.

"Wir sind der Meinung, dass die Biopatentrichtlinie grundsätzlich falsch ist. Das Ziel, das Patentwesen in diesem Bereich neu zu regeln und auf eine ethische Basis zu stellen, ist damit nicht erreicht", lautet Kloibers Fazit.

Die Europäische Kommission sollte den Auftrag erhalten, diese Richtlinie neu zu gestalten, und zwar so, dass Patente auf Gene, Gen-Sequenzen, Zellen oder Organe nicht möglich sind.

Birgit Dalheimer, Ö1-Wissenschaft
->   Stellungnahme der deutschen Bundesärztekammer
->   Stellungnahme der Kommission für Ethik und Recht des deutschen Bundestages
->   Stellungnahme der österreichischen Bioethik-Kommission (pdf)
->   Greenpeace Informationen zur EU-Biopatentrichtlinie
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Polit-Streit um EU-Biopatentrichtlinie
 
 
 
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01.01.2010