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Diskussion über Rücktrittsforderung an Gehrer  
  Die Proteste gegen die geplante Universitätsreform gipfeln nun in einer Rücktrittsaufforderung an Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP). In einer Resolution fordern die Lehrenden der Universität Graz sie "zum sofortigen Rücktritt auf, da es ihr nicht gelungen ist, einen sachkompetenten Entwurf vorzulegen". Während die ÖVP diese Rücktrittsaufforderung entschieden zurückweist, planen die Oppositionsparteien für kommende Woche parlamentarische Anfragen an die Bildungsministerin.  
"Destruktive Rücktrittsaufforderungen unterlassen"
"Die Universitäten sollten ihre Vorschläge, Änderungswünsche und Ergänzungen in die Diskussion einbringen, provozierende, destruktive Rücktrittsaufforderungen jedoch unterlassen", erklärte ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon heute (12.4.) in einer Aussendung. Für ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat sind die Forderungen nach Rücktritt Gehrers "sachlich nicht gerechtfertigt".
Breite Front der Ablehnung
Zuvor hatte die Dienststellen- und Betriebsversammlung der Uni-Lehrer an der Universität Graz ebendies gefordert. Abgelehnt wurde der Entwurf für ein neues Universitätsgesetz heute auch vom Senat der Universität Innsbruck sowie von der Dienststellenversammlung der Uni-Lehrer an der Technischen Universität (TU) Wien und der Universität Salzburg.

An allen drei Universitäten wird kritisiert, dass auf die zahlreichen vorgelegten Änderungs- und Verbesserungsvorschläge im Entwurf nicht eingegangen worden sei. Auf Grund der ihrer Ansicht nach gravierenden Mängel im Gesetzesentwurf befürchten die Uni-Lehrer an den drei Standorten eine Verminderung der Qualität der Universitäten.
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Auch Rektoren gegen Entwurf
In dieser Woche hat auch die Österreichische Rektorenkonferenz (ÖRK) den Entwurf für ein neues Universitätsgesetz abgelehnt. Vorgelegt wurde ein umfassendes Forderungspaket.
->   Mehr dazu in science.ORF.at
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Verpolitisierung der Universitäten befürchtet
Nach Ansicht der Grazer Uni-Lehrer geht der Entwurf "gänzlich an den Realitäten einer prinzipiell durchaus reformorientierten Universität vorbei". Das geplante Gesetz berge die eminente Gefahr einer Verpolitisierung der Universitäten, führe zu einer deutlichen Reduktion der Mitgestaltungsrechte der Uni-Angehörigen, bedrohe die Freiheit von Forschung und Lehre und demotiviere einen großen Teil der Universitätslehrer, heißt es in der Grazer Resolution.
Funktionsniederlegung als Protest?
Darin werden auch alle universitären Organe - vom Senat bis zu den Studienkommissionen - zum Protest gegen den Gesetzesentwurf aufgefordert. "Dies kann z.B. durch das Niederlegen von Funktionen in diesen Organen geschehen", heißt es.
Senat Innsbruck: "Gefährlicher Irrweg"
Der Senat der Uni Innsbruck zeigte sich in einer Sondersitzung auf Grund des Gesetzesentwurfes "sehr besorgt und hält die geplante Ausgliederung der Universitäten für einen gefährlichen Irrweg".

Als "besonders gravierend" erachtet der Senat, dass die abgestufte Mitverantwortung aller Universitätsangehörigen fehle, die Unis auf Grund des externen Uni-Rates deutlich stärker fremdbestimmt werden und die Zwangsausgliederung der Medizinischen Fakultät gegen den Willen nahezu aller dort Beschäftigten vorgesehen ist.
TU-Wien-Lehrer: "Neokonservatives Feudalsystem"
Für die Uni-Lehrer der TU Wien ist der Gesetzesentwurf in sich widersprüchlich und realitätsfremd. "Er spiegelt über weite Strecken bloß die Wünsche einer kleinen Gruppe von PolitikerInnen und deren BeraterInnen wider und ist ein Versuch, unter dem Deckmantel einer Reform ein Feudalsystem neokonservativer Prägung herzustellen", heißt es in der Resolution.

Die Rücknahme des Entwurfs für ein neues Universitätsgesetz sowie den Beginn einer konstruktiven Diskussion über die Autonomie der Universitäten fordert auch die Dienstellenversammlung der Universität Salzburg.
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Geisteswissenschaften besonders betroffen?
Ziel der Reform sei es, so der Senatsvorsitzende der Uni Salzburg, Walter Pfeil, möglichst viele und möglichst stromlinienförmige Absolventen auf den Markt zu bringen. Forschung und Lehre dürften sich aber nicht ausschließlich an den Bedürfnissen der Wirtschaft orientieren. In so einer Situation wären stark geisteswissenschaftlich geprägte Universitäten wie Salzburg besonders betroffen, sagte Pfeil.
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ÖVP: "Gehrer hat große Reformkompetenz"
Die Rücktrittsforderungen bezeichnete Amon als "mehrseitige Energieverschwendungen". Sie würden das Gesprächsklima belasten, ohne zu einer Lösung der Probleme beizutragen, und Verhärtungen provozieren, wo Offenheit in der Diskussion gefragt sei.

Rauch-Kallat mahnte eine offene Diskussion ein, die im Sinne einer guten Reform für die Studierenden in Österreich konstruktiver sei als persönliche Angriffe und eine pauschale Ablehnungshaltung. Gehrer habe bei allen Reformen große Kompetenz bewiesen und den persönlichen Dialog mit den Betroffenen gesucht, meinte Rauch-Kallat.
SPÖ stellt Dringliche Anfrage an Gehrer
Die SPÖ wird kommenden Mittwoch im Nationalrat eine Dringliche Anfrage an Gehrer zum geplanten Universitätsgesetz 2002 einbringen, "um gröbere Schäden von den Universitäten fern zu halten". Das kündigten am Freitag SPÖ-Klubobmann Josef Cap und SPÖ-Wissenschaftssprecher Erwin Niederwieser an.

"Die SPÖ sieht die Funktionsfähigkeit der Universitäten durch die von der Bildungsministerin geplante Uni-Reform nicht gegeben", so Niederwieser in einer Aussendung. Deswegen solle die Uni-Reform zum Gegenstand einer Dringlichen Anfrage werden.
Grüne: Missbrauchte "Universitätsautonomie"
Der Klubchef der Grünen, Alexander Van der Bellen, gab sich in einem Gespräch mit der APA "nicht überrascht, dass sich die Rücktrittsaufforderungen an Bildungsministerin Elisabeth Gehrer häufen". Quer durch die Universitäten und quer durch das wissenschaftliche Personal "gärt es, alle fühlen sich vom Ministerium und insbesondere von Gehrer persönlich verschaukelt", erklärte Van der Bellen am Freitag.

Er kritisierte auch den Missbrauch des Begriffs "Universitätsautonomie": "In Wahrheit geht der ministerielle Einfluss nicht zurück", sagte der grüne Klubchef. Vor allem bei den Vorschlägen für den Universitätsrat sei völlig "unklar, wie das funktionieren soll". Kritik übte Van der Bellen auch an der geplanten "Einschränkung der Mitbestimmung".
->   Mehr zur Uni-Reform in science.ORF.at
->   Gastbeitrag von Elisabeth Gehrer in science.ORF.at
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01.01.2010