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Parodontitis ist nicht nur eine Gefahr für die Zähne  
  Die gesundheitlichen Folgen einer Parodontitis können über den Verlust eines Zahnes weit hinausgehen. So ist etwa bei schwangeren Frauen, die an Parodontitis leiden, ein um 50 Prozent erhöhtes Frühgeburtenrisiko festgestellt worden. An der Wiener Universitätszahnklinik wurde jetzt eine Therapie entwickelt, mit deren Hilfe es erstmals möglich ist, Parodontitis während der Schwangerschaft zu behandeln.  
Parodontitis ist ein Entzündungsherd im Körper. Damit gelangen Bakterien und die von ihnen gebildeten Gifte in die Blutbahn und somit in den ganzen Körper.

Durch diesen Mechanismus gerät während der Schwangerschaft auch die Plazenta in ständigen Kontakt mit den schädlichen Mikroorganismen. "Durch die andauernde Belastung der Bakterien kann die Plazenta derart geschwächt werden, dass die Bakterien diese durchdringen können. Wenn dies geschieht, kann es in Folge zu einer Frühgeburt kommen", erklärt der Parodontitisspezialist Orhun Dörtbudak von der Wiener Universitätszahnklinik gegenüber science.ORF.at.
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Parodontitis
Parodontitis entsteht durch Zahnbelag. Die in diesem Belag enthaltenen Bakterien bilden Stoffe, die zu Entzündungen des Zahnfleisches und später zu Entzündungen der knöchernen Teile des Zahnhalteapparates führen und so zum Verlust eines oder mehrerer Zähne. Da die Bakterien in die Blutbahn und somit in den ganzen Körper gelangen, können sie eine Reihe von Gesundheitsproblemen auslösen: im schlimmsten Fall eine Entzündung der Herzklappen oder einen Herzinfarkt.
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Behandlung ohne Einsatz von Antibiotika
Das Problem der Behandlung von Parodontitis während der Schwangerschaft ist, dass keine Antibiotika eingesetzt werden können. Denn diese würden eine Gefahr für das Ungeborene darstellen.

"Uns ist es gelungen, eine Lasertherapie, die bisher im Bereich der Krebsbehandlung eingesetzt wurde, so zu modifizieren, das sie zum ersten Mal auch gegen Bakterien angewandt werden kann", sagt Dörtbudak.

Die so genannte Photodynamische Therapie sei nebenwirkungsfrei und daher ideal für die Behandlung von Schwangeren oder von Menschen, die keine Medikamente vertragen, meint der Parodontitisspezialist.
Photodynamische Therapie
Bei der Behandlung wird zunächst ein blauer Farbstoff in das Zahnfleisch der Patienten eingebracht. Dieser Farbstoff hat die Fähigkeit, sich in Bakterienwände einzulagern, und zeigt das gleiche Absorptionsspektrum wie die Wellenlänge des Lasers. Aus diesem Grund wird die zugeführte Laserenergie vom Farbstoff aufgenommen und so eine Reaktion in der Bakterienwand in Gang gesetzt.

Durch diese Reaktion werden Sauerstoffradikale freigesetzt, die eine toxische Wirkung auf Bakterien und andere Mikroorganismen haben. Die krankheitsverursachenden Bakterien werden sozusagen zum Platzen gebracht.
Sauerstoff gegen Keime
Die freigesetzten Sauerstoffradikale sind sehr kurzlebig und zerfallen in Sauerstoffmoleküle, aus O3 wird O2. Das führt zu einem positiven Nebeneffekt, denn die schädlichen Mikroorganismen vertragen auch keinen Sauerstoff und sind durch die vorliegenden Sauerstoffmoleküle nicht mehr lebensfähig.

Daher kann mit dieser Lasertherapie eine Keimfreiheit bis zu 92 Prozent erzielt werden.
Nur Ergänzung der gesamten Therapiestrategie
Trotz dieser guten Wirksamkeit ist die Photodynamische Therapie aber nur als additives Mittel gedacht.

"Sie kann also kein Ersatz für die Behandlung der eigentlichen Ursachen der Parodontitis sein. Und die liegt nun einmal im entzündeten Gewebe, das entfernt werden muss", sagt Dörtbudak im Gespräch mit science.ORF.at.
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Von Müdigkeit bis zu Herzerkrankungen
Weitere mögliche Folgen einer Parodontitis können von einem ständigen Müdigkeitsgefühl über eine erhöhte Virusanfälligkeit bis zu Herz-Kreislauferkrankungen reichen. Wenn die schädlichen Mikroorganismen das Herz erreichen, besteht die Möglichkeit, dass sie sich an den Herzklappen festsetzen und so eine Herzklappenentzündung, die zu einer Herzinsuffizienz oder einem Herzinfarkt führt, verursachen.
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Schlimmer als Rauchen
Parodontitis hat bereits einen höheren Stellenwert als das Rauchen bei den Einzelrisikofaktoren, die zu Herzerkrankungen führen können. Laut Dörtbudak gibt es auch Studien, die auf einen Zusammenhang zwischen Parodontitis und Arteriesklerose sowie Osteoporose hinweisen.

Selbst ungeklärte Blutsenkungswerte oder unerklärbare Leukozytenwerte können ihre Ursache in den von der Parodontitis verursachten Streuherden im Kiefer haben, erklärt Dörtbudak.
Einziges sicheres Mittel zur Vermeidung: Mundhygiene
Die Ursachen für die Entstehung der chronischen Entzündung sind in schlechter Mundhygiene und einer genetischen Veranlagung zu suchen. Gegen Ersteres kann man etwas unternehmen.

Regelmäßiges Zähneputzen, die Verwendung einer elektrischen Zahnbürste, das Benutzen von Zahnseide und Mundspülungen sollten eigentlich selbstverständlich sein. Zahnstein sollte man sich viertel- bis halbjährlich durch den Zahnarzt entfernen lassen.
Parodontitis verursacht keine Schmerzen
Das große Problem, so Dörtbudak, bei den meisten Patienten ist: Sie sind beschwerdefrei, haben also keine Schmerzen und machen daher nichts gegen die Krankheit.

"Die Patienten kommen daher meist nur im Akutstadium der Krankheit, werden behandelt und werden dann nie wieder gesehen, während die Krankheit chronisch fortschreitet", klagt der Mediziner.
Im Alter ist Parodontitis Ursache Nr. 1 für Zahnverlust
Bei Erwachsenen schreitet die Parodontose zwar fast immer langsam voran. Durch Faktoren wie Stress, außergewöhnliche Belastungen usw. können aber regelrechte Krankheitsschübe ausgelöst werden.

Eines sollte aber nicht vergessen werden: Ab dem 35. Lebensjahr verlieren Menschen mehr Zähne durch Parodontitis als durch Karies.

Walter Gerischer-Landrock, Ö1-Radiodoktor
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Mehr über Zahnprobleme erfahren Sie in der Sendung Radiodoktor am 15.4.2002 um 14.05 Uhr in Ö1.
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01.01.2010