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Deutschlands erstes Retortenbaby wird 20 Jahre alt  
  In Deutschland wird am Dienstag ein Mann 20 Jahre alt, dessen Geburt 1982 in ganz Deutschland für eine Mischung aus Aufruhr und Euphorie sorgte: In der Erlanger Universitätsklinik wurde Oliver W. als erstes deutsches Retortenbaby geboren.  
"Das ist es!" überschrieb die längst eingestellte Illustrierte "Quick" damals ihre Exklusivgeschichte: Auf dem Titelblatt stellte sich der 53 Zentimeter große und 4150 Gramm schwere Oliver W. mit weit geöffnetem Mund schreiend der Öffentlichkeit vor. Während die Gegner von Teufelswerk sprachen, hofften plötzlich tausende kinderlose Paare auf eine neue Chance.
Drei Jahre Vorbereitung
Der mittlerweile im Ruhestand lebende Mediziner Siegfried Trotnow bekam im Sommer 1978 den Auftrag an der Erlanger Universitätsklinik nachzumachen, was in Großbritannien vorgemacht worden war.

Nach der Geburt des weltweit ersten Retortenbabys Louise Brown erhielt Trotnow über seinen Klinikchef Karl Günter Ober und gegen den Widerstand der Deutschen Forschungsgemeinschaft die finanziellen Mittel, um ein eigenes Team für das erste deutsche Retortenbaby aufzubauen.

1981 war es soweit. In einer Petrischale verschmolzen Eizelle und Spermium; nach zwölf erfolglosen Versuchen bei anderen Frauen gelang der Transfer des dadurch entstandenen befruchteten Eis bei Olivers Mutter: Die erste deutsche In-Vitro-Fertilisation (IVF) war geglückt.
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Öffentlichkeit zunächst nicht informiert
Dass die Erlanger Frauenklinik trotz der in Deutschland weit verbreiteten Kritik überhaupt soweit kam, verdankte sie ihrer Verschwiegenheit. Die Öffentlichkeit sei zunächst nicht über die Geschehnisse in den Labors aufgeklärt worden und sollte vor vollendete Tatsachen gestellt werden, erinnert sich Trotnow.

Als Oliver dann auf die Welt kam, brach ein Sturm der Entrüstung los. "Feministinnen haben uns das Haus eingerannt, und auch der Vatikan war dagegen," sagt Trotnow. Radikale Gegner sprachen sogar Morddrohungen aus.
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Deutschland: Rund 100.000 IVF-Kinder seit 1982
In Erlangen und später auch in anderen deutschen Kliniken setzte ein regelrechter Run kinderloser Paare ein, der bis heute anhält: Im vergangenen Jahr machten allein in Deutschland etwa 40.000 Paare von der Methode Gebrauch, seit Olivers Geburt sind im Nachbarland an die 100.000 Kinder durch IVF auf die Welt gekommen.
Zunehmende negative Begleiterscheinungen
Mediziner beobachten allerdings schon seit längerem zunehmende negative Begleiterscheinungen. Immer mehr private Kliniken bestimmen die Reproduktionsmedizin und machen häufig falsche Versprechungen: Denn trotz aller Fortschritte bleiben nach unterschiedlichen Schätzungen noch immer zwischen 30 und 50 Prozent der Versuche erfolglos.

Besonders im Beruf erfolgreiche, kinderlose Frauen im Alter von Ende 30 sind Ziel der Werbung. Doch gerade bei diesen ist genau wie bei der natürlichen Empfängnis die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft niedriger, weshalb bei ihnen auch häufiger die Erfolge ausbleiben, berichten Reproduktionsexperten.
Österreichs erstes Retortenbaby ...
Das alles kümmert Oliver W. vermutlich wenig - und im August steht im Übrigen ein weiterer Geburtstag an: Dann feiert das erste österreichische Retortenbaby, das rund vier Monate nach Oliver W. auf die Welt kam, seinen 20. Geburtstag.
 
 
 
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01.01.2010