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Medientheorie: Der "Markt der Aufmerksamkeit"  
  Medien und Werbung haben allen Grund, sich für unsere Aufmerksamkeit zu "bedanken", stellt sie doch deren Lebensgrundlage dar. Grund genug für Peter Steinberger sich in einer Seminararbeit mit der "Ökonomie der Aufmerksamkeit" zu beschäftigen, online nachzulesen in der Uni-Datenbank "mnemopol.net". science.ORF.at bringt dazu eine Rezension.  
Aufmerksamkeit - Was ist das?
Von Thomas Müller, mnemopol.net

Danke für Ihre Aufmerksamkeit - dieser Header ist zwar zur medialen Rarität verkommen, und wird schon gar nicht mehr in der Werbung angewandt, jedoch traten an seine Stelle alle möglichen Abschiedsfloskeln: Danke für Ihr Interesse, Toll dass Sie dabei waren - die aber im Prinzip dieselbe Funktion übernahmen.

Um das Phänomen Aufmerksamkeit zu untersuchen, ist zunächst eine Definition des Begriffs nötig; dieser aber ist nur schwer zu fassen: Egal ob man auf der psychologischen Ebene operiert oder auf der sozialen, diese Systeme zeichnen sich durch Undurchschaubarkeit und Chaos aus.
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Aufmerksamkeit - ein "kompetitives System"
Der Autor muss in seiner Arbeit über die Ökonomie der Aufmerksamkeit also an der Oberfläche bleiben und kann grundsätzlich feststellen, dass Aufmerksamkeit ein kompetitives System ist. Es ist nicht möglich, mehrere Dinge gleich aufmerksam zu betrachten; Umweltreize sind im steten "Wettbewerb" um unsere Aufmerksamkeit.
->   Die Arbeit auf "mnemopol.net"
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Einmal Aufmerksamkeit zum Mitnehmen, bitte
Steinberger bezieht sich in seiner Arbeit zunächst auf das Buch "Ökonomie der Aufmerksamkeit. Ein Entwurf" von Georg Franck. Dessen ökonomischer Ansatz versucht Aufmerksamkeit als die Währung der Informationsgesellschaft zu definieren, und geht dabei vom Streben des Individuums nach dem persönlichen Vorteil aus.

Zur Veranschaulichung bleibt Franck in seinem eigenen Bereich, der Wissenschaft. Denn neben der eigenen Neugier ist hier das Verlangen nach der Aufmerksamkeit der anderen die wesentliche Triebfeder. Der Lohn für die Anstrengungen ist weniger finanzieller Natur, sondern besteht aus dem Renommee bei der ForscherInnengemeinde.

Durch diesen Markt der Aufmerksamkeit, der in allen kreativen Bereichen von Bedeutung ist, sieht Franck eine "gemischte Ökonomie" entstehen, in der Geld eine untergeordnete Rolle spielt.
Die Geister, die ich rief ...
Der zweite Theoretiker, der kritisch analysiert wird, ist der deutsche Kommunikationstheoretiker Siegfried J. Schmidt. In dessen Buch "Kalte Faszination. Medien.Kultur.Wissenschaft in der Mediengesellschaft" wird ebenfalls über die Aufmerksamkeitsökonomie reflektiert.

Hierbei werden auftauchende Medienparadoxien aufgelistet: So wird Aufmerksamkeit beispielsweise immer knapper, je mehr darum gekämpft wird. Ebendies passiert in der Werbewirtschaft, bei der ein wahrlich professioneller Kampf um die Aufmerksamkeit geführt wird. Verselbständigung tritt dann ein, wenn die Werbung beginnt, die eigentliche Botschaft, das Produkt, zu überdecken.
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Eine eigene Medien-Realität
Schmidt überträgt dieses Phänomen auf die Medienwelt als Gesamtheit, die sich ihre eigene Medienrealität erzeugt. Sie beginnt die Ereignisse zu diktieren und selektiert die Wirklichkeit durch passive Eskamotierung, sodass letzten Endes sie bestimmt, was unsere Aufmerksamkeit erregen kann.
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Wem gehört Ihre Aufmerksamkeit?
Schmidt bringt aber noch einen Punkt ein, der im bisherigen Diskurs unerwähnt blieb, nämlich eine Art Aufmerksamkeitsökologie als Gegenbewegung zur Industrialisierung der Aufmerksamkeit.

Denn die Fernbedienung ist noch immer in der Hand des Medienbenutzers /der Medienbenutzerin und sie verfügt auch über einen Aus-Schalter. So einfach kann eine Kultur nicht umgekrempelt werden, die erfahrungsgemäß über starke verharrende Kräfte verfügt. Hinzu kommt, dass Aufmerksamkeit eine begrenzte Ressource ist. Passen Sie also auf, wem Sie sie schenken, sie ist kostbar.
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Der Autor der besprochenen Arbeit
Peter Steinberger *1975 studiert Publizistik und Politikwissenschaft in Wien. Er ist seit 1997 in der Studienrichtungsvertretung Publizistik aktiv. 2000/01 war er als wissenschaftlicher Assistent und Lektor am Studiengang für MultiMediaArt in Salzburg beschäftigt. Aktuell schreibt Steinberger an seiner Diplomarbeit zum Thema Apokalypsen in der Medientheorie und organisiert für [d]vision (www.dvision.at) die Herausgabe des Buchs "Die Weltenmaschine - Der Computer als Spielplatz und Erkenntnisraum". Steinberger ist regelmässiger Autor für kultur.ORF.at und die Radiosendung "Matrix" auf Ö1.
->   mnemopol.net
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01.01.2010