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Fites Zwerchfell - flotte Beine  
  In den Atemmuskeln steckt Leistungspotential. Wer zusätzlich zu Kondition - und Krafttraining die Atemmuskulatur trainiert, kann seine körperliche Ausdauerleistung um ein Viertel steigern. Das zeigen Untersuchungen von Schweizer Sportphysiologen.  
"Atemmuskeln sind Muskeln wie die anderen Skelettmuskeln auch, das heißt, sie können auch ermüden, wenn man sie lange genug anstrengt", sagt Urs Boutellier vom ETH Zürich.

Der Mediziner gilt als Pionier der Hypothese, dass sich der Zustand der Atemmuskulatur auf die Ausdauerleistung auswirkt. "Unsere Untersuchungen zeigen, dass unsportliche Versuchspersonen nach einem mehrwöchigen Atmungstraining ihre Ausdauerleistung signifikant verbessern konnten", erklärt Boutellier.
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Training der Atemmuskeln
Mit Hilfe eines neu entwickelten Geräts mussten die Probanden ein hartes Programm absolvieren: 20 Tage 30 Minuten starkes Atmen. Um Hyperventilation und Schwindel vorzubeugen, hat man ein offenes Plastikröhrchen mit Mundstück und Beutel konstruiert. Damit wird die ausgeatmete Luft teilweise aufgefangen und wieder rückgeatmet.
"Das klingt harmlos, aber wenn man wirklich stark atmet, dann sind alle Muskeln vom Zwerchfell bis zum Hals involviert. Die Muskulatur des gesamten Oberkörpers wird auf diese Weise trainiert. Solche Trainingseffekte erreicht man nicht einmal im Fitnesscenter, wenn man jeden Muskel einzeln trainiert", sagt Boutellier.
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Beine laufen länger, wenn man Atmung trainiert
Man weiß also, dass ein intensives Atemtraining die körperliche Ausdauerleistung verbessert. Die Frage ist warum verbessert Atmungstraining die Ausdauer.

Das soll nun in der Zukunft geklärt werden. Es gibt Hinweise, dass Ermüdung auch über das Gehirn gesteuert wird.
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Sechs Wochen täglich 30 Minuten Atemtraining
Im ersten Durchgang werden im Labor Ausdauer am Fahrrad und Ermüdung der Atmungsmuskulatur als Referenzwerte gemessen. Nach rund 6 Wochen mit täglichem 30 Minuten Atmungstraining werden die Probanden erneut ins Labor gebeten. Und wieder steht ein Ausdauertest auf dem Programm. Die Probanden treten in die Pedale so lange wie beim ersten Mal. Aber im Gegensatz zum ersten Versuch, sind einige Probanden am Ende des Testes wesentlich weniger erschöpft als beim ersten Mal, obwohl sie eigentlich nur die Atemmuskulatur trainiert haben. Am Magnet-Stimulationsgerät ist ablesbar: die Ermüdung der Atemmuskeln ist nicht so weit fortgeschritten, wie beim Radfahren vor dem Training.
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Reflex mindert Blutzirkulation
Eine parallel geführte Studie in den USA liefert eine Erklärung: Ist das Zwerchfell müde, so vermindert ein Reflex des sympathischen Nervensystems den Blutfluss in den Beinen.

Ist das Zwerchfell fit, dann fließt das Blut und die Beine können arbeiten. "Das heißt Ermüdung ist nicht nur muskulär bedingt, sondern scheinbar auch koordinativ über das Zentralnervensystem", erläutert Boutellier.
Schnarcher schnarchen weniger
Zufällig entdeckten die Wissenschafter, dass auch Schnarchern offensichtlich geholfen wird, wenn sie ihre Atemmuskeln trainieren. Die Partnerinnen von schnarchenden Probanden berichteten von plötzlich ruhiger gewordenen Nächten.

Eine Untersuchung der Universität Zürich im Schlaflabor bestätigte diese persönlichen Beobachtungen. Atemmuskeltraining kräftigt auch jene Muskulatur, die beim Schnarchen involviert ist und vermindert das nächtliche Sägen signifikant.
Atemtraining ersetzt nicht sportliche Bewegung
"Jeder profitiert davon, ob gesund oder krank. Aber natürlich eröffnen sich vor allem für Menschen, die sich aus Krankheitsgründen nicht bewegen können, gute Möglichkeiten, ihre Lebensqualität zu verbessern. Aber auch Menschen, die kurzatmig sind, können profitieren. Nur, sportliche Betätigung, die ja für alle wichtig ist, kann nicht durch Atemtraining ersetzt werden", erklärt Boutellier.
Hilfe bei obstruktiver Bronchitis
Fast gleichzeitig mit den Schweizer Wissenschaftlern hat man sich auch in Wien mit dem Thema Atemmuskulatur beschäftigt.

Im Krankenhaus Lainz in Wien wurden Untersuchungen an Lungenpatienten durchgeführt. Das Ergebnis: Leidet man an obstruktiver Bronchitis, dann kann durch ein gezieltes Training der Atemmuskulatur die Lebensqualität verbessert werden.
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Obstruktive Bronchitis
Die obstruktive Bronchitis ist eine entzündliche Erkrankung der Schleimhäute der Bronchien mit z.T. erheblicher Schleimhautschwellung, Hypersekretion und mit unterschiedlich ausgeprägtem Bronchospasmus.
In den ersten 3 Lebensjahren führt eine entzündliche Schwellung der Bronchialschleimhaut aufgrund der noch kleinen Atemwegsdurchmesser zu einer klinisch relevanten Verengung der Atemwege
->   Mehr Information über obstruktive Bronchitis
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Untrainiertes Gewebe verkümmert
Es sollte vor allem jenen Kindern geholfen werden, die durch ihre neuromuskuläre Erkrankung an den Rollstuhl gefesselt sind. Heilung von dieser muskelzerstörenden Krankheit gibt es nicht.

Ihr Fortschreiten erfordert irgendwann die künstliche Beatmung, denn das Gewebe der Atemmuskulatur verkümmert genauso wie das der Skelettmuskulatur.
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Erhöhung der Lebensqualität für Jahre
Der Lungenspezialist Theodor Wanke arbeitet im Krankenhaus Lainz mit überwiegend jungen Patienten die an einer neuromuskulären Erkrankung leiden: "Wir können die Atemmuskelfunktion signifikant verbessern. Und das Schöne für unsere Arbeitsgruppe war, dass diese Erfolge sehr lange anhalten. Wir konnten aufzeigen, wenn wir diese Patienten regelmäßig trainieren, dass diese Effekte über Jahre anhalten, sodass wir die Beatmung hintanhalten können."
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Verbesserung aber keine Heilung
Täglich intensives Atmen mit Hilfe eines speziell entwickelten Geräts hält die Atemmuskulatur der jungen Patienten stabil.

Wichtig ist auch der soziale Kontakt mit den Patienten und den Eltern, die die Pflege übernehmen. "Durch das Training, das zwar zu Hause durchgeführt wird, bleiben wir aber doch in regelmäßigen Kontakt. Man lernt wie der junge Patient lebt, wie sein Umfeld agiert. Wenn dann der Moment der Entscheidung für die künstliche Beatmung da ist, ist es gut wenn man mit der Familie und den Verhältnissen vertraut ist", erklär Wanke.

Martina Schmidt, Modern Times
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Mehr über dieses Thema erfahren Sie heute (19.04) in Modern Times um 22.35 Uhr in ORF 2
->   Modern Times
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->   Institut für Physiologie, Universität Zürich
 
 
 
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01.01.2010