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Der "Wirtschaftsmotor" Informationstechnologie stottert  
  Nach einer neuen Studie sind rund 20 Prozent aller IT-Ausgaben Fehlinvestitionen. Klassische Verfahren der Investitionsbewertung sind vor allem bei aufwändigen IT-Plattformen nicht anwendbar, da ein direkter Nutzen schwer absehbar ist. Ein neuer Ansatz, der die so genannte "Optionspreistheorie" auf IT-Investitionen anwendet, wurde am 23. 4. mit dem "WU-Best Paper Award" ausgezeichnet. Alfred Taudes fasst die wichtigsten Punkte in seinem Gastbeitrag für science.ORF.at zusammen.  
Informationstechnologie und Ökonomie - vom Produktivitätsparadoxon zum Internet-Hype und zurück
Von Alfred Taudes, WU Wien

Überoptimismus, Web-Infrastrukturinvestitionen und asymmetrische Information zwischen Anlegern und com-Start Up's sind die Gründe für den Internet-Hype und Crash.

IT-Investitionen werden aufgrund von erwarteten Produktivitätssteigerungen vorgenommen. Und tatsächlich: Die New Economy ist eine IT-Story. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre hat sich in den USA das Wirtschaftswachstum auf fast fünf Prozent beschleunigt, die Investitionen in Informations- und Kommunikationstechnologie haben dazu ein Prozent beigetragen.
Wachstum der Arbeitsproduktivität
Die dahinter liegende Beschleunigung des Arbeitsproduktivitätswachstums ist zu zwei Drittel auf den zunehmenden Einsatz von Informationstechnologie und Effizienzsteigerungen in den IT-Industrien zurückzuführen.
Das restliche Drittel beruht auf Produktivitätssteigerungen in IT-intensiven Industrien wie der Telekommunikationsbranche oder den Finanzdienstleistern.
"Produktivitätsparadoxon"
Auch im IT-Einsatz führende europäische Länder wie Großbritannien, Schweden oder die Niederlande können ähnliche Erfolge vermelden. Der Zusammenhang IT-Investitionen - Produktivitätswachstum - Wirtschaftswachstum war allerdings vor der New Economy nicht messbar.

Zur Auflösung dieses "Produktivitätsparadoxons" waren Organisationsanpassungen und das Erreichen einer kritischen Masse an Rechnerverfügbarkeit und -vernetzung notwendig, so dass sich die seit den 70er Jahren getätigten IT-Investitionen erst mit einer erheblichen Zeitverzögerung bezahlt machten.
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Zu optimistische Prognosen
Nach einer Phase zweistelligen Wachstums pro Jahr waren in den USA im Jahr 2000 50 Prozent aller Anlageninvestitionen IT-Investitionen, acht Prozent der US-Wirtschaft entfiel auf IT-Industrien. 2001 brach das IT-Investitionswachstum ein, in diesem Jahr war erstmals seit 1991 ein Rückgang um 3,6 Prozent zu verzeichnen.

Zeitlicher Verlauf und Analyse der beschafften Systeme deuten darauf hin, dass für dieses Muster Investitionen in den elektronischen Geschäftsverkehr und die unternehmensübergreifende Koordination (E-Commerce und E-Business) verantwortlich waren. Sicherlich waren dafür teilweise überoptimistische Prognosen verantwortlich, bei denen die für den erfolgreichen Einsatz der neuen Systeme notwendigen Organisations- und Verhaltensänderungen nicht beachtet wurden.
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Gründe für eine "Überinvestition"
Wir haben herausgefunden, dass für eine Überinvestition auch spricht, dass die für die Zeit des Internet-Hype typischen Investitionen in Gründungen von Internetfirmen und Web-Infrastruktur wie Web-Server Hardware oder Anwendungsserver Optionscharakter haben:

Analog zu derivativen Instrumenten am Finanzmarkt ist das Risiko nach unten begrenzt, die Möglichkeit muss allerdings innerhalb eines bestimmten Zeitraums ausgenutzt werden.
"Eintrittskarte ins Internet"
Bei zunehmendem Risiko steigt daher der Wert von Optionen, während "traditionelle" Investitionen nicht mehr rentabel werden bzw. verschoben werden.

Web-Infrastruktur ist die notwendige "Eintrittskarte" ins Internet und muss rechtzeitig vor den entsprechenden Anwendungen aufgebaut werden, wobei sich erst im Lauf der Zeit ergibt, welche darauf basierenden Anwendungen tatsächlich in Betrieb gehen.
Langfristige Gewinnchancen sind weniger entscheidend
Im Fall eines mit Venturekapital finanzierten Internetunternehmens werden kaum eigene Sicherheiten eingebracht und empirische Untersuchungen zeigen, dass etwa die Zielmärkte von B2B (Business to Business)-Marktplätzen eher nach Kapitalbedarf und Möglichkeiten eines Börseganges als nach langfristigen Gewinnchancen ausgesucht wurden.
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"WU - Best Paper Award" für Forschergruppe um Alfred Taudes
Alfred Taudes, der Autor dieses Gastbeitrages, ist Leiter der Abteilung für Produktionsmanagement an der Wirtschaftsuniversität Wien.

Die von den WU-Forschern Alfred Taudes, Markus Feurstein und Andreas Mild entwickelte Optionsbetrachtung von IT-Investitionen wurde in der renommierten amerikanischen Fachzeitschrift MIS Quarterly publiziert und mit dem von der Stadt Wien gestifteten - und mit 30.000 Euro dotierten - WU-Best Paper Award 2001 ausgezeichnet.
->   Abteilung für Produktionsmanagement.
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->   WU Wien
 
 
 
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01.01.2010