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Weltversuchstiertag: Alternativen zum Tierexperiment  
  Am 24. April ist Weltversuchstiertag. Grund genug, einen kurzen Überblick über Alternativen zu Tierexperimenten zu geben. Denn Tierversuche können in vielen Fällen durch Alternativmethoden reduziert oder ersetzt werden.  
Nach Angaben des Vereines "Ärzte gegen Tierversuche" werden in der BRD jährlich bis zu 1,8 Millionen Versuchstiere getötet. Die Zahlen für Österreich und die Schweiz liegen immerhin bei 150.000 bzw. 850.000.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwieweit die Verwendung von Versuchstieren auf das absolut notwendige Minimum reduziert werden kann.
->   Ärzte gegen Tierversuche
"Refinement, Reduction, Replacement"
Bereits im Jahr 1959 hatten der Zoologe W.M.S. Russel und der Mikrobiologe R.L. Burch in ihrem Buch "The Principles of Human Experimental Technique" systematische Überlegungen angestellt, wie sich durch Experimente verursachtes tierisches Leid reduzieren lasse.

Ergebnis dieser Niederschrift war das so genannte 3R-Konzept, das im wesentlichen auf drei Säulen basiert. Das Kürzel "3R" bezieht sich auf die Schlagworte "Refinement, Reduction, Replacement", was zu deutsch mit den Worten "Verbesserung, Verminderung und Ersatz" übersetzt werden kann.
->   Mehr zum 3R-Konzept
Ersatzmöglichkeiten
Tierversuche kommen vor allem in der medizinischen Grundlagenforschung, in der biomedizinischen Ausbildung sowie in der kosmetischen Industrie zur Anwendung.

Entsprechend dem 3R-Konzept konnte bereits auf einigen Gebieten der biologischen Sicherheitsprüfung, wie z.B. die Qualitätskontrolle von Arzneimitteln, der Versuch am lebendem Tier durch so genannte In vitro-Methoden ersetzt werden.
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In vitro statt in vivo
Die Formulierung "in vivo" bedeutet in den biomedizinischen Wissenschaften "im lebenden Organismus" und wird daher in der Diskussion um Ersatzmethoden synonym mit Tierversuchen verwendet.

Als Ersatz bieten sich hier Versuche an schmerzfreier Materie an. Diese werden "in vitro", d.h. im Reagenzglas durchgeführt. Zur Anwendung kommen hierbei Zellkulturen, mit denen spezifische Reaktionsmuster von Versuchstieren simuliert werden sollen. Diese sind deswegen von Interesse, weil sie aus Zellaggregaten oder -suspensionen bestehen und daher kein Schmerzempfinden aufweisen.

Die Zellbank "American Type Culture Collection" (ATCC) stellt für wissenschaftliche Zwecke Zellkulturen zur Verfügung.
->   ATCC
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Chemische Toxikologie: Verminderung
Sehr viel schwieriger ist aus wissenschaftlicher Sicht der Ersatz von Tierversuchen in der chemischen Toxikologie, wo Stoffe bezüglich ihrer Giftigkeit eingestuft werden müssen. Hier kam lange Zeit der so genannte LD50-Test zur Anwendung.

Dieser als grausam zu bezeichnende Test bestimmt jene Dosis einer Substanz, bei deren Verabreichung 50 Prozent der Versuchstiere sterben. Hier kommen nun Methoden zum Einsatz, die zwar keinen Ersatz, aber zumindest eine Reduktion der verwendeten Organismen erlauben.
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LD50-Alternativen
International validiert wurden in diesem Zusammenhang die "Fixed Dose Procedure" (FDP) sowie die "Acute Toxic Class Method" (ATC-Methode). Beide Methoden beruhen auf klugen Verbesserungen der Prüfstrategien und können die Tierzahlen um etwa 70 Prozent reduzieren.
->   Mehr zum LD50-Test
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Reduktion durch Modellbildung
Andere Strategien zur Reduktion von Tierversuchen setzen auf die Anwendung von Computermodellen. Grundidee dieser Methoden ist das Aufzeigen von unwirksamen Substanzen, noch bevor Tierversuche zur Anwendung kommen. Durch Informationen über die räumliche Struktur oder die Bindungsstärke eines Moleküls kann auf dessen Giftigkeit geschlossen werden.
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Computermodelle
Das "Computer Aided Drug Development" (CADD) geht davon aus, dass die Wirkung eines (natürlichen oder synthetischen) Stoffes in den meisten Fällen von der Bindung an einen Rezeptor abhängig ist. Die Bindungsstärke einer Substanz kann mittels CADD berechnet werden.

QSAR oder "Quantitative Structure Activity Relationship" geht von der Annahme aus, dass die Wirksamkeit eines Stoffes aus dessen räumlichen Eigenschaften ableitbar ist. Bereits im Jahr 1964 konnte eine mathematische Beziehung zwischen biologischer Aktivität und physikochemischen Eigenschaften gefunden werden ("Hansch-Gleichung").

Moderne Methoden setzen u.a. auf so genannte genetische Algorithmen, um mathematische Beziehungen aufzustellen.
->   Mehr zu QSAR und CADD
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Ablehnung von Tierversuchen: Wie begründen?
Die Ablehnung von Tierversuchen basiert in den meisten Fällen auf intuitivem Mitleid. Die philosophische Disziplin der Ethik fordert aber, dass Handlungen von allgemeinen, plausiblen Grundsätzen abgeleitet werden. Die wichtigsten ethischen Strömungen zur Begründung der Tierrechte werden "Anthropozentrik" und "Pathozentrik" genannt.

Vertreter der ersten Strömung argumentieren, dass das Maß für moralisches Verhalten der Mensch sei und Tierversuche letztendlich dem moralischen Gleichgewicht des Menschen abträglich seien. Pathozentriker stellen hingegen die Produktion von tierischem Leid ins Zentrum ihrer Überlegungen und versuchen dieses zu minimieren.
->   Mehr zur Tier-Ethik
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Organisationen
Eine große Zahl von Institutionen, Behörden, Geselschaften und Vereinen verfolgen den Ersatz oder die Reduktion von Tierversuchen. Deren Aktivitäten reichen von der Bereitstellung von Datenbanken über die Entwicklung und Validierung von Alternativmethoden bis zur rechtlichen Beratung und der Organisation von Kampagnen.
->   Links zu nationalen und internationalen Organisationen
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->   Mehr zum Thema Tierversuche in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010