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Small was beautiful - Mega ist mächtig  
  Leopold Kohrs These "Small is beautiful" scheint heute nicht mehr aktuell. Globalisierung, Großstaaten und Großprojekte dominieren Politik, Wirtschaft und Kultur. Die Ausstellung "Mega: Manifeste der Anmaßung" im Wiener Künstlerhaus hinterfragt das Megadenken.  
Jagd nach dem höchsten Gebäude der Welt
In Ostasien kämpfen China und Taiwan um das höchste Gebäude der Welt. Während in Shanghai ein Wolkenkratzer mindestens 460 Meter in die Höhe wachsen soll, wird in Taipeh der Bau eines 508 Meter hohen Turms vorangetrieben.

Die beiden Länder haben nur ein Ziel: das bisher höchste Gebäude der Welt, die Petronas Twin Towers mit 452 Metern in Kuala Lumpur, zu übertreffen. Seit den 70iger Jahren läuft dieser Wettkampf der Superlative - und er wird noch weitergehen, ist Jan Tabor, Kurator der Mega-Ausstellung, überzeugt.
->   Spektakuläre Baupläne
Turmbau zu Babel
"Die Grenzen sind schwer auszumachen", meint Tabor. Besonders für Architekten ist das Planen in Megadimensionen von jeher bedeutungsvoll. Es ist der Turmbau zu Babel, der Urmythos der Architektur, der sich bis heute gehalten hat.

Leopold Kohr erinnerte angesichts der Anmaßung der Erbauer an die Strafe Gottes, an die Sprachenverwirrung. "Obwohl jeder die Geschichte vom Turmbau zu Babel kennt, kümmert sich keiner darum. Fritz Schumacher drückte das in einem Wort aus: Small is beautiful".
Mensch als Maß
"Small is beautiful" wurde der Leitspruch des Salzburger Philosophen. Er setzte einen neuen Maßstab: "der Mensch ist das Maß aller Dinge". So dienten ihm auch die wirtschaftlichen und politischen Strukturen von Kleinstaaten als Vorbild, wie Liechtenstein oder die Schweiz mit ihren Kantonen.

Heute sind die Megastädte die Struktur der Zukunft. Noch, meint der Experte. "Die Grenzen des Wachstums zeichnen sich ab, so Heinz Nissel vom Institut für Geographie und Regionalforschung der Universität Wien. "Wir sehen, dass die größten Megacities der Erde nicht mehr so rasant wachsen. Die zentralen Stadtbezirke verlieren stark an Einwohnern, die Vororte dagegen wachsen weiter."
Größenkrankheit?
"Woran die Welt leidet, das ist die Größenkrankheit", meinte der Philosoph Leopold Kohr. "Nicht an Arbeitslosigkeit oder am Verbrechertum. Sondern an der Dimension. Die Antwort ist: kleiner zu machen. Denn jedes Problem nimmt die Dimension des Körpers an, dem es anhaftet".

"Das ist eine reine Kitsch-Äußerung", kontert Tabor. "Das Gegenteil gilt: Die Bemühungen der Zivilisation gehen dahin, die Dinge zu vergrößern. Die Probleme müssen vergrößert werden, um sie lösen zu können, man denke nur an Viren und Bazillen."
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Die Experimente des Leopold Kohr
Das Puerto Rico der 70er Jahre war Leopold Kohrs Experimentierfeld, um seine in New Jersey entwickelten Theorien über die Vorteile der staatlichen Kleinheit und Unabhängigkeit zu testen. Kohr beschäftigte sich jahrelang mit der Planung der menschenwürdigen Stadt, er leistete Pionierarbeit mit seinem Konzept der Dorferneuerung und des Umweltschutzes. Dafür bekam er 1986 den Alternativen Nobelpreis. Heute liegen seine Ideen nicht im Trend, wie jener unabhängige Staat, den er 1977 auf einer karibischen Insel mitbegründete. Es war das pazifistische Experiment der "Insel der Seligen".
->   Mehr Infos über Leopold Kohr
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Groß, großzügig, großartig!
"Mega" - im Sinne von groß und mächtig - wird auch die Bewegung der Völker werden. Es wird zu Massenbewegungen aus der Dritten Welt kommen, ist Tabor überzeugt. "Das wird das Problem der Schrumpfung lösen. Denn viele Stadtstrukturen funktionieren nur als Megastruktur, so braucht zum Beispiel auch die U-Bahn die Mega-Nachfrage."

Der Megabegriff habe noch von der klassischen Moderne her einen negativen Beigeschmack. Die riesigen Siedlungen, die nach dem Krieg gebaut wurden, waren "sehr ungemütlich", so Tabor. Das richtige Mega hingegen, meint Tabor, sei "nicht nur groß, sondern großzügig und dadurch auch großartig".
->   Ausstellung "Mega: manifeste der anmaßung"
Babel des 21. Jahrhunderts
Wie aktuell der babylonische Turm - das Symbol für die Mega-Manie schlechthin- ist, zeigt ein Projekt aus Spanien, das kürzlich präsentiert wurde.

Der Turmbau zu Babel des 21. Jahrhunderts soll nach den Plänen der Architekten Javier Pioz und Maria Rosa Cervera so aussehen: in Shanghai wird auf einer Insel eine Gebäude-Stadt für 100.000 Menschen entstehen. "Bionic Tower" nennt sich das Babylon, das nach und nach in die Höhe wachsen soll.

Ein Beitrag von Ulrike Schmitzer für das gemeinsam mit Elisabeth Nöstlinger gestaltete Salzburger Nachtstudio vom 24. 4. 2002, 21.01 Uhr.
->   Mehr über die "Stadt in der Vertikale"
->   Radio Österreich 1
 
 
 
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01.01.2010