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Die Macht der Frauen in Great Zimbabwe  
  Das Volk der Lobedu hält einen Rekord: Nirgendwo sonst in Afrika besetzen Frauen so viele politische und kultische Ämter, die sie auch an ihre weiblichen Nachkommen weitergeben.  
Außerdem besitzen Lobedu-Frauen die volle Kontrolle über Güter, die sie nach der Heirat erworben haben. Sie können damit sogar andere Frauen heiraten. Deren Kinder nehmen sie als ihre eigenen an.
Irdische und sakrale Herrscherinnen
"Den Königinnen wird die Aura der sakralen Herrschaft
zugeschrieben", berichtet die Münchner Ethnologin Kunigunde Böhmer-Bauer. "Die Herrscherinnen stehen allgemein im Ruf, die mächtigsten Regenmacher Südostafrikas zu sein." Böhmer-Bauer beschäftigte sich im Rahmen ihrer Promotion mit den Ruinen der Great Zimbabwe-Region und den damit zusammenhängenden Kulturen, den Shona, Venda und Lobedu.
Zimbabwe
 


Great Zimbabwe
Great Zimbabwe ist die wohl berühmteste archäologische Stätte im südlichen Afrika. Die von der UNESCO in den Rang eines Weltkulturerbes erhobenen Maueranlagen sind nach den ägyptischen Pyramiden die größte Ansammlung traditioneller Steinmonumente Afrikas. Vorfahren des heutigen Shona-Volkes sollen die Anlagen ab dem Ende des 13. Jahrhunderts errichtet haben.

Diese Erkenntnis setzte sich unter europäischen Forschern aber nur sehr langsam durch. Lange galt es als unmöglich, dass Schwarzafrikaner die beeindruckenden Anlagen erbaut haben konnten. Getrieben von derartigen Vorurteilen suchten westliche Hobby-Archäologen im vorigen Jahrhundert auf dem ausgedehnten Grabungsfeld nach Schichten, die auf nicht-afrikanische Baumeister hinwiesen. Dabei zerstörten sie unwiederbringlich viel wertvolles Material.
Vernachlässigte Frauengeschichte
Doch nicht nur die Theorien zu den Ruinen von Great Zimbabwe waren lange von den Vorurteilen europäischer Wissenschaftler geprägt. "Mir fiel auf, dass es zwar viele Interpretationen zur Entstehung und Bedeutung der Anlagen gab", berichtet Böhmer-Bauer. "Die Kulturen der Region waren aber nur sehr lückenhaft untersucht, wobei die herausragende politische und kultische Stellung bestimmter Frauen komplett unterschätzt oder ignoriert wurde. Der eigene kulturelle Hintergrund trübte oft den Blick der Forscher."
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Umfangreiche Neurecherche
Für ihre eigene, insgesamt über sieben Jahre laufende Untersuchung, zog Böhmer-Bauer umfangreiches Forschungsmaterial heran: Zahlreiche Objekte und Grabungsberichte aus Great Zimbabwe, portugiesische Berichte ab dem 16. Jahrhundert, frühe Entdeckungs- und Grabungsberichte ab 1871 sowie ethnologische Arbeiten und orale Traditionen, die größtenteils im 19. und 20. Jahrhundert verfasst bzw. gesammelt wurden, heran. Zudem verbrachte die Ethnologin etwa sechs Wochen vor Ort in Zimbabwe und eine Woche in Südafrika.
->   Geschichte, Wirtschaft. Politik Zimbabwes
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Bei der Schwester schwören
"Bei allen Völkern, die mit der Great Zimbabwe-Kultur zusammenhängen, nahmen Frauen hohe Positionen in Kult und Politik ein und tun das zum Teil immer noch", berichtet Böhmer-Bauer.

"Beispielsweise oblag bei den Shona im 16. Jahrhundert den königlichen Frauen die Wahl des neuen Herrschers; in den späteren Jahrhunderten hatten sie immerhin noch ein wichtiges Mitbestimmungsrecht. Bis heute übernehmen sie wichtige Funktionen im Ahnenkult." Dabei werden auch zuerst die weiblichen Vorfahren angefleht; und Angehörige des Shona- sowie des Venda-Volkes schwören "bei der Schwester".
Für die Frau das beste Stück
Besonders herausragende Positionen nehmen oft auch innerhalb der Familien die älteren Schwestern der Männer ein. Dies liegt unter anderem daran, dass der für sie entrichtete Brautpreis Rinder in die Familie bringt.

Diese Tiere wiederum ermöglichen dem Bruder eine Heirat. Das hohe Ansehen dieser Frauen zeigt sich unter anderem darin, dass sie bei der Fleischverteilung zuerst bedient werden und das beste Stück bekommen.
Christianisierung schwächte weibliche Autorität
Seit langem ist bei all den untersuchten südostafrikanischen Völkern eine schleichende Schwächung der weiblichen Autorität zu
beobachten: Im Lauf der Jahrhunderte standen Frauen zunehmend weniger hohe Positionen zur Verfügung, wobei manche mit der Zeit von Männern besetzt wurden, die dann auch weibliche Amtstitel trugen. Ein Prozess, den Missionierung und christliche Erziehung beschleunigt und verstärkt haben.
Afrikas Vorbehalte gegenüber westlicher Forschertradition
Der Eurozentrismus und die Vorurteile früherer Forschergenerationen ist noch heute ein schweres Erbe für die Wissenschaft: "Die Zusammenarbeit mit den afrikanischen Archäologen war besonders spannend, weil sie gegenüber westlichen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen mit Recht sehr kritisch eingestellt sind", so Böhmer-Bauer.

"Nach einer offenen Aussprache zu den Vorbehalten der afrikanischen Kollegen mir gegenüber waren aber alle ausgesprochen hilfsbereit. Ich durfte sogar spontan ein Forscherteam zu Restaurierungsarbeiten an Ruinen in den afrikanischen Busch begleiten." Keine Selbstver-ständlichkeit, denn der genaue Forschungsplan muss vor Antritt der Forschungen von den Mitarbeitern der "National Museums and Monuments" von Zimbabwe genehmigt sein.
->   National Museums and Monuments Zimbabwe
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Erste umfassende Untersuchung der Zimbabwe-Ruinen
Die Münchner Ethnologin Kunigunde Böhmer-Bauer legt mit ihrer Arbeit die erste umfassende Untersuchung zu den Zimbabwe-Ruinen und den damit zusammenhängenden Kulturen vor, die historische, ethnologische und archäologische Gesichtspunkte gleichermaßen berücksichtigt. Die wichtige Rolle der aristokratischen Frauen in Südostafrika ist einer der ethnologischen Schwerpunkte. Insgesamt wird jedoch das Zusammenspiel der männlichen und weiblichen Geschichte betrachtet.

Kunigunde Böhmer-Bauer: Great Zimbabwe. Eine ethnologische Untersuchung (Studien zur Kulturkunde Bd. 115), Frankfurt 2000.
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01.01.2010