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Forscher identifizieren "Lern-Protein"  
  Auf der Suche nach den Grundlagen von Gedächtnisvorgängen im Gehirn haben Neurowissenschaftler nun jenes Protein entdeckt, das unser Lern- und Erinnerungsvermögen ermöglicht. Das so genannte ASIC-Protein könnte somit zum Wegbereiter für eine neue Generation von Medikamenten werden. Denn durch die molekulare Identifikation des gesuchten Proteins erhofft man sich gezieltere Therapien etwa bei altersbedingten Gedächtnisstörungen.  
Dies berichten John Wemmie und seine Kollegen von der University of Iowa in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Neuron". Ihnen gelang es, das ASIC-Protein (Acid Sensing Ion Channel) in einer bestimmten Gehirnregion, dem Hippokampus, bei Mäusen nachzuweisen.
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"Acid-Sensing Ion Channels and Synaptic Plasticity"
Der Artikel "Acid-Sensing Ion Channels and Synaptic Plasticity"ist erschienen in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Neuron" (25. April 2002, S 463 - 477).
->   Der Originalartikel (kostenpflichtig)
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Lernanregung durch "Säure"
Seit Längerem ist Neurowissenschaftlern bekannt, dass die Fähigkeit zu Lernen wie auch der Mechanismus des Vergessens in Zusammenhang mit säureaktivierenden elektrischen Strömen in Neuronen stehen.

Demnach regen Säuren Nervenzellen an und entlocken ihnen ein elektrisches Signal. Dieser Umstand ließ Wissenschaftler darauf schließen, dass ein säureempfindlicher Ionenkanal die Zellmembran queren muss.
Informationsaustausch durch Ionen
Bei Ionenkanälen handelt es sich um Proteine, die in der Hülle (Membran) von Zellen liegen und im geöffneten Zustand elektrisch geladene Teilchen - Ionen - von einer Seite der Membran auf die andere fließen lassen. Sie gleichen einem Schalter, der zwischen dem Zellinnern und der Außenwelt wirkt.
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Ionenkanäle - Bau und Mechanismus
Die Ionenkanäle sind Proteine, die sich zusammen mit einem lipophilen (fettlöslichen) und mehreren geladenen Teilen in der Nervenzellmembran befinden. Die Öffnung und Schließung der Kanäle hängt insoweit mit dem Membranpotenzial zusammen, als dass sich die in den Kanälen befindlichen geladenen Teilchen in Abhängigkeit von Stärke und Richtung des elektrischen Feldes bewegen.

Während des Ruhepotenzials sind diese Teilchen so lokalisiert, dass die meisten Kanäle geschlossen sind. Tritt nun eine Spannungsänderung ein, verschieben sie sich, so dass sich dadurch die Kanäle öffnen. Man geht davon aus, dass für eine Öffnung etwa drei oder vier Teilchen zusammenwirken müssen.
->   Mehr zu Ionenkanälen
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Mehrere Proteine entdeckt, genauere Funktion unbekannt
Mittlerweile gelang es auch, mehrere der säureempfindlichen Proteine zu identifizieren - doch ihre molekulare Beschaffenheit wie auch die jeweilige physiologische Funktion blieb weitgehend unbekannt.

Wemmie konnte nun als Erster den direkten Zusammenhang zwischen dem ASIC-Protein und der Fähigkeit zu Lernen an Mäusen, denen ein entsprechendes Protein fehlte, nachweisen.
Lerndefizite bei Mangel vom ACIS-Protein
Mäuse ohne ASIC-Protein zeigten im Verhalten und Erscheinungsbild zwar keine Unterschiede zur Kontrollgruppe, wiesen aber signifikante Defizite in Lern- und Gedächtnisfähigkeiten auf.

"Was diese Ionenkanäle tatsächlich bewirken, konnten wir erst feststellen, als wir die Lern- und Gedächtnisleistungen der Tiere wie auch die synaptischen Funktionen im Gehirn untersuchten", kommentiert Wemmie seine Entdeckung.
Neue Generation von Medikamenten?
Mit der exakten Bestimmung der molekularen Funktion des säureempfindlichen Proteins eröffnen sich für den Wissenschaftler vielversprechende Möglichkeiten, neue Medikamente etwa für altersbedingte Demenzerkrankungen zu entwickeln.

Da Ionenkanäle quasi als Schalter zwischen dem Zellinneren und der Außenwelt wirken und über Arzneimittel das Öffnen oder Schließen eines Ionenkanals ausgelöst werden kann, erhofft sich Wemmie nun einen gezielteren Einsatz von Medikamenten, die das Gedächtnis verbessern - ohne wie bisher - gleichzeitig andere Gehirnfunktionen zu beeinflussen.

Doch auch im Falle von anderen Erkrankungen könnte Wemmies Entdeckung durchschlagende Erfolge bringen, etwa bei psychischen Erkrankungen. Hier wäre allerdings - in manchen Fällen - der gegenteiliger Effekt von Vorteil, nämlich die Erinnerungsleistung zu schwächen.
Mehr dazu in science.ORF.at
->   Lernen, ohne es zu wissen
->   Ionenkanäle und Geschmacksempfinden
->   Die Muster des Vergessens
->   Wie die Hirnforschung das Menschenbild verändert
 
 
 
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01.01.2010