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Autoimmunerkrankung: Entgleisung des Immunsystems  
  Bei Autoimmunerkrankungen richtet sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper. Die Folgen des Angriffs auf körpereigenes Gewebe sind Krankheiten wie Multiple Sklerose, rheumatoide Arthritis und andere Leiden. Jetzt haben Forscher einen Eiweißschalter identifiziert, der dieses Fehlverhalten der körpereigenen Abwehr verhindern könnte.  
Welche Mechanismen und Signale im Detail dazu führen, dass die körpereigenen Abwehrzellen verrückt spielen, ist noch weitgehend ungeklärt.

Die Arbeitsgruppe rund um Michael Leitges vom Max-Planck-Institut für experimentale Endokrinologie in Hannover konnte jedoch ein Enzym identifizieren, das als wichtiger Signalgeber im Immunsystem die verhängnisvolle Entstehung von Autoimmunerkrankungen verhindert.

Die Ergebnisse ihrer Arbeit liefern neue Impulse für die angewandte Forschung auf dem Gebiet der Autoimmunerkrankungen, wie die Wissenschaftler in dem Fachjournal "Nature" schreiben.
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"Protein controls self-antigen-induced B-cell tolerance"
Der Artikel "Protein kinase C controls self-antigen-induced B-cell tolerance" ist erschienen in "Nature", Bd.416, Seiten 860-865 vom 25. April 2002.
->   Der Originalartikel (kostenpflichtig)
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Schalter für die Weiterleitung von Signalen
Die Wissenschaftler des Max-Planck-Institutes beschäftigen sich schon seit einiger Zeit mit der funktionellen Analyse bestimmter Eiweißstoffe, den so genannten Proteinkinase C-Enzymen, kurz PKC.

Dabei gelang ihnen schon sehr bald der Nachweis, dass bestimmte Isoformen, also Strukturvarianten der Proteinkinase C wichtig für ein funktionsfähiges Immunsystem sind.

Diese Enzyme spielen eine entscheidende Rolle bei der Signalübertragung in der Zelle. Durch Phosphorylierung aktivieren oder deaktivieren sie einzelne Proteine und fungieren somit als Schalter für die Weiterleitung von Signalen innerhalb einer Signalkaskade.
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Autoimmunerkrankungen
Bei Autoimmunerkrankungen richtet sich das Abwehrsystem gegen den eigenen Körper. Während es normalerweise dazu dient, Bakterien, Viren und andere Fremdkörper anzugreifen und unschädlich zu machen, ist es in diesen Fällen tatsächlich falsch programmiert: Die Immunzellen lassen sich täuschen und können nicht mehr zwischen "selbst" und "fremd" unterscheiden.
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Ein breites Funktionsspektrum
Das Funktionsspektrum der Proteinkinase C-Enzymen reicht von einer Beteiligung bei neuronalen Prozessen bis hin zur Immunabwehr und anderen immunologischen Vorgängen.

Bei Versuchen an Mäusen konnte jetzt nachgewiesen werden, dass die so genannte Delta-Isoform der Proteinkinase C an Prozessen beteiligt ist, die die Entwicklung einer Autoimmunität unterbinden.
Ein besonderes Familienmitglied
Diese besondere Strukturvariante der Proteinkinase C ist eine von insgesamt elf Mitgliedern der Proteinkinase C-Familie. Mäuse, denen diese Form der Proteinkinase fehlte, zeigten nun Entgleisungen im Immunsystem: Es entstanden so genannte autoreaktive B-Zellen, die körpereigenes Gewebe angreifen.
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Untersuchungen an "Knockout-Mäusen"
Für ihre Untersuchungen nutzten die Forscher so genannte Knockout-Mäuse, die in ihrem Körper bestimmte Proteinkinasen nicht mehr produzieren. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Alexander Tarakhovsky vom Rockefeller Institut in New York konnten jetzt nachgewiesen werden, dass das Proteinkinase C-Enzym-delta, kurz PKC-delta, die Entstehung oder Aktivierung von entgleisten Immunzellen steuert.
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Fehlgeleitete B-Abwehrzellen
Normalerweise produzieren B-Zellen Antikörper gegen Fremdstoffe und übernehmen damit eine wichtige Aufgabe in unserem Immunsystem. B-Zellen, die falsch programmiert sind, werden in einem gesunden Organismus selektiv abgetötet oder inaktiviert. Auf diese Weise wird eine Reaktion gegen den eigenen Körper verhindert.

In der Mausmutante, die das besagte Enzym nicht herstellte, waren aber die falsch programmierten, autoreaktiven B-Zellen nach wie vor aktiv. Sie produzierten Antikörper und lösten damit eine unerwünschte Autoimmunreaktion aus.
Enzymmangel als Ursache von Autoimmunerkrankungen?
Laut den Wissenschaftlern ist dies ein unmittelbarer Beweis dafür, dass PKC-delta die Entstehung oder Aktivierung von entgleisten B-Zellen steuert. Ob noch andere Signale hinzukommen, ist bisher noch unklar.

Daher wollen die Wissenschaftler jetzt untersuchen, ob sich in Patienten mit bestimmten Autoimmunerkrankungen ein Mangel an PKC-delta nachweisen lässt. Wäre das der Fall, so würden sich neue, gezielte Ansätze für eine Therapie dieser Krankheiten eröffnen.
->   Max-Planck-Institut für experimentale Endokrinologie in Hannover
 
 
 
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01.01.2010