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Wirtschaftliche Prinzipien der Biologie  
  Biologische Systeme können offensichtlich mit den Begrifflichkeiten der Wirtschaftswissenschaften beschrieben werden. Dabei finden sich beispielsweise "Dienstleistungen" in Korallenriffen und "Arbeitsteilung" in Algenpopulationen.  
Wie Verhaltensforscher im "Journal of Behavior" berichten, wirken in Korallenriffen Analoga zu den Kräften des freien Marktes - denn "Dienstleister" wie Putzerfische verlieren ihre "Kunden", wenn sie unsauber arbeiten.

Zudem konnte bereits vor einigen Jahren nachgewiesen werden, dass die Entstehung der Vielzelligkeit mit exakt jenem Vokabular beschreiben werden kann, das der schottische Ökonom Adam Smith für Volkswirtschaften entwickelt hatte.
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Asymmetric cheating opportunities
Der Artikel " Asymmetric cheating opportunities and partner control in a cleaner fish mutualism" erschien im Fachjournal "Animal Behavior", auf den Seiten 547-555 (2002).
->   Zum Abstract des Artikels
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Untersuchungsobjekt: Symbiose des Putzerfisches
Redouan Bshary von der University of Queensland, Australien, und Alexandra S. Grutter vom Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie, Seewiesen, untersuchten in Laborexperimenten und Freilandbeobachtungen die Stabilität von kooperativem Verhalten.

Ihr Untersuchungsobjekt, der Putzerlippfisch (Labroides dimidiatus), lebt unter natürlichen Bedingungen in mutualistischer Symbiose mit so genannten "client-fishes", in deren Rahmen er Parasiten vom Körper seines Symbiose-Partners entfernt.
->   University of Queensland
->   Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie
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Mutualistische Symbiose
Als mutualistische Symbiose wird in der Ökologie eine Wechselbeziehung zwischen artverschiedenen Organismen bezeichnet, bei der im Gegensatz zu Konkurrenz, Räuber-Beute-Beziehungen oder Parasitismus beide Partner aus Strukturen, Produkten oder Verhaltensweisen Nutzen ziehen. Die Organismen leben dabei weitgehend getrennt voneinander.

Bekannte Beispiele für Mutualismus sind die Bestäubung von Pflanzen durch nektarsammelnde Insekten oder die Verbreitung von Pflanzensamen durch Landtiere über deren Nahrung.
->   Mehr zum Mutualismus des Putzerfisches
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Wie kann Betrug verhindert werden?
Die Grundfrage, der beide Verhaltensforscher nachgingen, lautete: Wie kann mutualistisches Verhalten aufrechterhalten werden, wenn nur einer der Partner die Möglichkeit zum Betrug hat? Das Verhältnis zwischen Putzerfisch und seinen "Klienten" ist nämlich durch eine charakteristische Asymmetrie ausgezeichnet.

Ersterer kann, anstatt Parasiten abzugrasen, auch Schleim oder gar Gewebe des "Klienten" fressen. Letzterer hat hingegen keine Möglichkeit, den Symbiose-Partner zu betrügen. Insofern wäre zu erwarten, dass der Mutualismus zusammenbricht und von einer Situation verdrängt wird, in der die Putzerfische nur das Allernötigste zu der Wechselbeziehung beitragen.
Regulierung des freien Marktes
Doch Bshary und Grutter fanden heraus, dass der kooperative Standard trotz dieser Asymmetrie hoch bleibt. Vor allem bei nicht-räuberischen "Kunden" wurde die ökologische Wechselbeziehung durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage bestimmt.

Orte, an denen sich betrügerische Putzerfische aufhielten, wurden deutlich seltener frequentiert. Darüber hinaus hielten die "Klienten" die Konkurrenz zwischen ihren "Dienstleistern" dadurch hoch, indem sie möglichst viele Territorien verschiedener Putzerfische besuchten, so die Schlussfolgerung der Forscher.
Adam Smiths Prinzipien
Bereits vor einigen Jahren konnte der Biologe Graham Bell von der McGill University in Montreal zeigen, dass die Ausbildung vielzelliger Organisationsformen mit einem volkswirtschaftlichen Vokabular beschrieben werden kann, das auf den schottischen Ökonom Adam Smith zurückgeht.
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Arbeitsteilung in Gesellschaften
Im Jahr 1776 hatte der schottische Philosoph und Ökonom Adam Smith in seiner Schrift "The Wealth of Nations" postuliert, dass das Auftreten von Arbeitsteilung in Gesellschaften an folgende Voraussetzungen gebunden sei:
1. Die Konzentration auf eine einzige Aufgabe muss die Effizienz deren Bewältigung steigern.
2. Arbeitsteilung macht sich erst ab einer gewissen Marktgröße bezahlt.
3. Das Ausmaß der Arbeitsteilung hängt von den Kommunikationsmöglichkeiten ab.
->   Mehr zu Adam Smith
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Modellorganismus Volvox
Graham Bell untersuchte die Algenart Volvox carteri, die aufgrund deren Bauplan und Lebensweise als Modellorganismus für den evolutionären Übergang von der Ein- zur Vielzelligkeit gilt.

Das Ergebnis seiner Untersuchung: Die von Bell eruierten Entstehungsprinzipen für die arbeitsteilige Organisationsform gleichen den Grundsätzen von Smith auf frappierende Weise.
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Arbeitsteilung bei Volvox
1. Funktionale Differenzierung führt bei Volvox carteri zu erhöhten Wachstumsraten. Das ist dadurch erklärbar, dass hoch spezialisierte Zellen weniger Energieverbrauch für ihre Aufgaben benötigen (Synthese- und Mitoseaktivität bei Keimbahnzellen, Geißelbewegung bei Somazellen).
2. Der Größenunterschied zwischen kleinen vegetativen Zellen und großen Keimbahnzellen nimmt mit der Größe der Kolonie zu. Unterhalb eines kritischen Volumens findet man bei den Volvocales keine Arbeitsteilung.
3. Die Spezialisierung ist vom Vorhandensein von Cytoplasma-Verbindungen abhängig.
->   Home-Page von Graham Bell
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Robert Czepel, science.ORF.at
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Kooperative Nager: Geruch bestimmt Sozialverhalten
->   Fairness contra Eigennutz
 
 
 
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01.01.2010