News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben .  Umwelt und Klima 
 
Klärschlamm: Die nächste Agrarkrise?  
  Giftiger Klärschlamm als Düngemittel in der Landwirtschaft wird in einer neuen Studie als billige, aber riskante Form der Entsorgung bezeichnet. Walter Wenzel vom Institut für Bodenforschung an der BOKU nimmt dazu Stellung.  
Der Anlaßfall: Die Studie des Heidelberger ifeu-Instituts kommt zu dem Schluss, dass Klärschlamm aus der kommunalen Abfallwirtschaft "die ganze Vielfalt unseres chemisierten Alltags" auf die Äcker bringt. Die mit diesem "Giftcocktail" verbundenen Gefahren seien unkontrollierbar.
Mehr dazu in science.orf.at
->   Klärschlamm: Die wahre Bio-Bombe?
Konzentration der Klärschlammverwertung auf landwirtschaftliche Böden als Gefahr
In seiner Stellungnahme gegenüber science.orf.at verweist Walter W. Wenzel vom Institut für Bodenforschung an der Universität für Bodenkultur in Wien auf die Gefahr "dass bei der derzeitigen Praxis der Klärschlammverwertung auf landwirtschaftlichen Böden zumindest in Österreich eine Konzentration auf wenige Flächen erfolgt, die aufgrund der Bereitschaft der betroffenen Bauern und einer Eignungsbewertung durch Experten dafür in Frage kommen."
...
Walter W. Wenzel: "Ähnlich wie bei den sogenannten "Ökoflächen" besteht die Gefahr, dass gerade die besten landwirtschaftlichen Flächen damit einer Intensivierung und einem höheren Schadstoffeintrag unterworfen sind, während andere Flächen brachliegen.

Meines Erachtens wären derartige - im Sinne einer umweltfreundlichen Bewirtschaftung zwar gut gemeinten - Konzepte neu zu überdenken und in ihrer Auswirkung zu evaluieren.

Gerade im Zusammenhang mit der derzeitigen Krise der Landwirtschaft rund um BSE, Antibiotika bei Schweinen etc. wäre ein neuer Systemansatz dringend auch in der öffentlichen Diskussion gefragt."
...
Landwirtschaftliche oder thermische Verwertung?
"Einerseits wäre es im Sinne einer nachhaltigen Wirtschaftsweise erstrebenswert, Kreisläufe zu schließen, um organische Substanz und Nährstoffe zum Boden zurückzuführen", so Walter Wenzel.

"Andererseits wird dem 'Stoffstrom', der letzlich im 'Produkt'
Klärschlamm mündet, auch Unerwünschtes zugeführt, also
Schwermetalle, organische Schadstoffe, Antibiotika,
Krankheitskeime etc.

Dies erfolgt an verschiedenen Stellen - etwa
über Futtermittelzusätze, aber vor allem im Haushalt und über die Einleitung von Dach- und Straßenabwässern (Zink, Cadmium) in die Mischkanalisation."
...
Ökologische Verträglichkeit
"Wenn keine ausreichende Trennung kontaminierter und 'reiner'
Stoffströme erfolgt, ist es ökologisch verträglicher, die
Klärschlämme thermisch zu verwerten, wenn - wie bei modernen
Müllverbrennungsanlagen bereits Standard - die Abgase effizient
gefiltert werden. Klärschlämme guter Qualität sind jedoch für die
Landwirtschaft durchaus interessant.

Strategisch gesehen macht es Sinn, über die Trennung
kontaminierter und unbedenklicher Stoffströme den Anteil in der
Landwirtschaft verwertbarer Klärschlämme zu erhöhen und die
hierdurch im Volumen reduzierten belasteten Schlämme weiter
thermisch zu entsorgen. Generell ist die Reduktion von
Schadstoffeinträgen an der Quelle (in der Produktion und beim
Verbraucher) zu fordern.

Dach- und Straßenabwässer könnten z.B. durch pflanzengestützte Verfahren (auch dezentral) gereinigt werden, bevor sie versickern oder in Vorfluter eingeleitet werden. Sie würden somit die Klärschlämme nicht belasten. Technolgien zu dieser Art von Phytosanierung werden von meiner Arbeitsgruppe an der Universität für Bodenkultur entwickelt und getestet (z.B. finanziert durch und in Zusammenarbeit mit der Stadt Wien)."
->   Aktivitäten der Arbeitsgruppe
...
Unterschiedliche Interessenslagen
Die aktuelle Diskussion, (z.B. der Artikel in der "Zeit") so Walter Wenzel, sei nicht nur von technisch-wissenschaftlichen Gesichtspunkten bestimmt, sondern spiegle zum Teil unterschiedliche, konkurrierende Interessenslagen wider:
...
"Wenn ein Bundesland sich für eine thermische Verwertung
entschließt, besteht natürlich Interesse, den (oft landeseigenen
oder -nahen) Betreiber auch auszulasten.

Andererseits ist das Vertrauen der Landwirtschaft in die Klärschlammqualität meist nicht sehr hoch, sodass auch aus dieser Sicht zum jetzigen Zeitpunkt manches für die thermische Verwertung spricht."
...
->   Universität für Bodenkultur
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben .  Umwelt und Klima 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010