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Auf der Spur neuer Antibiotika  
  Bis vor kurzem galten Infektionskrankheiten als kontrollierbar und heilbar. Dieser Optimismus führte zu einer fatalen Gleichgültigkeit im Umgang mit Antibiotika, sodass sich Krankheitserreger aufgrund massiver Multiresistenzen gegen eine Vielzahl von klassischen Antibiotika rasant ausbreiten konnten. Vor diesem Hintergrund wird nun intensiv an der Entwicklung neuartiger Antibiotika geforscht, wie Andrea Hickel in einem Gastbeitrag für science.ORF.at in der Reihe "Young Science" berichtet.  
Antibiotikaresistenzen mit Folgen
Von Andrea Hickel, Institut für Biophysik und Röntgenstrukturforschung der ÖAW in Graz

Inzwischen haben sowohl WHO als auch EU Resolutionen verabschiedet, in denen sie vor diesem globalen Gesundheitsproblem warnen. Verschärft tritt dieses Problem in Krankenhäusern auf, da ein großer Teil der dort übertragenen Infektionen durch antibiotika-resistente Bakterien verursacht wird.

Große Besorgnis erregt dabei das Auftreten von Krankenhauskeimen, die gegenüber Vancomycin resistent sind, einem Antibiotikum, das üblicherweise als letzter Ausweg eingesetzt wird.

Die dadurch zusätzlich verursachten Kosten betragen alleine in den USA vier bis fünf Milliarden Doller pro Jahr und dürften in Europa etwa gleich groß sein. Diese alarmierenden Zahlen unterstreichen die dringende Notwendigkeit, neue Antibiotika zu entwickeln.
Abwehrpeptide
Unser Forschungsschwerpunkt liegt auf der Entwicklung völlig neuartiger Antibiotika basierend auf kleinen Eiweißstoffen, so genannten Abwehrpeptiden oder antimikrobiellen Peptiden. Diese Stoffe kommen in der Natur sehr häufig vor, wie z.B. in der Froschhaut.

Der Hauptvorteil dieser Wirkstoffe liegt darin, dass sie Bakterien binnen weniger Minuten durch einen Angriff von außen an der Zellmembran zerstören. Da es dabei zu keiner Bindung an spezifische Rezeptoren kommt, ist die Bildung resistenter Keime unwahrscheinlich.
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Angriff auf Bakterien beschränkt
Solche antimikrobiellen Peptide können zwischen körpereigenen (¿humanen¿) Zellen und bakteriellen Zellen unterscheiden. Dadurch gelingt es, den Angriff nur auf Bakterien zu beschränken. Um diese Abwehrpeptide als neue Antibiotika einsetzen zu können, braucht man ein fundiertes Verständnis über den genauen Mechanismus dieser Differenzierung.
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Bakterielle und menschliche Zellmembranen
 


Bakterielle und menschliche Zellmembranen unterscheiden sich stark in ihrer Zusammensetzung. Es gibt nicht nur eine Reihe von unterschiedlichen Proteinen, auch die Art der Membranlipide variiert sehr stark. Wie bereits erwähnt, binden die Abwehrpeptide nicht an spezifische Rezeptoren, sondern interagieren mit den Lipiden der Zellmembranen.

Die Frage ist nun: Wie erkennen und zerstören diese kleinen natürlichen Eiweißstoffe die Membran von Bakterien? Schwächen sie die Membran durch Einlagerung (Figur 1(A)), oder bilden sie Löcher, durch die der Zellinhalt ausfließen kann (Figur 1(B))?
Wirkungsmechanismus von Abwehrpeptiden
Das Hauptaugenmerk unserer Forschung in der Gruppe von Karl Lohner (Institut für Biophysik und Röntgenstrukturforschung, Österreichische Akademie der Wissenschaften) liegt dabei auf der Aufklärung molekularer Vorgänge.

Für diese Untersuchungen werden Lipidmodellsysteme verwendet, die den natürlichen Membranen nachempfunden werden. Der Einfluss natürlicher und auch modifizierter Abwehrpeptide auf die Struktur, Stabilität und Permeabilität der Membranen wird mittels verschiedener biophysikalischer Methoden (z.B. Mikrokalorimetrie, Röntgenmethoden) untersucht.

Mit Hilfe dieser Daten, komplementiert durch biologische Aktivitätsmessungen, können Struktur-Funktions-Beziehungen erstellt werden. Damit wird es möglich, antimikrobielle Peptide gezielt zu verändern, um eine gewünschte Spezifität und Wirkung zu erzielen.
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"YOUNG SCIENCE" - Kurzbiographie Andrea Hickel
Dr. Andrea Hickel ist seit September 1999 am Institut für Biophysik und Röntgenstrukturforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften tätig.
Geboren 1967 in Graz
1986-1993 Studium der Technischen Chemie an der TU Graz
1993-1996 Doktorarbeit im Bereich Biokatalyse an der TU Graz
1997-1999 Postdoctoral Fellow an der Universität in Berkeley, Californien, USA
2000 - Lehrbeauftragte für Biochemie und Technisches Englisch an der Chemieingenieursschule Graz
2002 Unesco¿L¿Oréal Stipendium ¿for Young Women in Life Sciences¿

Institut für Biophysik und Röntgenstrukturforschung der ÖAW
Schmiedlstraße 6
A-8042 Graz
Tel. 0043-0316-4120-326
Fax. 0043-0316-4120-390
E-mail. andrea.hickel@oeaw.ac.at
->   Institut für Biophysik und Röntgenstrukturforschung
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->   Weitere Beiträge in der Reihe "Young Science"
->   "Young Science" auf der Homepage der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
 
 
 
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01.01.2010