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Die Handprobleme der Neandertaler  
  Warum starben die Neandertaler aus? Niemand kann es mit Sicherheit sagen. Doch der geschicktere Griff des frühneuzeitlichen Menschen könnte für ihn ein Vorteil gegenüber seinem "Vetter", dem Neandertaler, gewesen sein, der ihn für die soziale und technologische Weiterentwicklung fitter machte, so neueste Forschungen.  
Allzu grobe Faust
Die Neandertaler, obwohl stämmig und stark, hatten wahrscheinlich eine allzu grobe Faust, als dass sie sich fortgeschrittenere Steinzeittechnologien zu Nutze hätten machen können. Für bestimmte Aufgaben, die besondere Geschicklichkeit erforderten wie Holzschnitzarbeiten, waren ihre Hände nicht geeignet, meint Wesley Niewoehner, Anthropologe an der University of New Mexico in Albuquerque.

Das untermauere die Vorstellung, dass frühneuzeitliche Menschen die Neandertaler überlebten, weil sie einen überlegenen Umgang mit denselben Werkzeugen hatten. So zu lesen in den Proceedings of the National Academy of Sciences.
Digitale 3-D-Rekonstruktion der Hände
 


Niewoehner stellte eine digitale Rekonstruktionen der Mittelhandknochen der Neandertaler- und der frühneuzeitlichen Menschenhand in 3D dar. Die Form, die die Spitzen der Mittelhandknochen aufweisen, deuten auf die Art und Weise, wie diese Hominiden etwas greifen konnten.
Die geschickteren Hände hätten die technologische und soziale Weiterentwicklung der Hominiden begünstigt, schließen die Anthropologen: Höhlenmalerei und Ornamentherstellung war nicht Sache der Neandertaler. Mit Hilfe ihrer flinkeren Finger vermochten unsere Vorfahren letztere zu überflügeln.
Einen Hammer halten
Niewoehners Abbildungen lassen als wahrscheinlich gelten, dass die kleineren und schlankeren Hände des frühneuzeitlichen Menschen sich besser für "indirekte" bzw. "mittelbare" Handgriffe eigneten - wie etwa einen Hammer zu halten, ein komplexeres Werkzeug mit einem Griff.
Kein raffinierter Griff
Neandertaler auf der anderen Seite hatten wahrscheinlich einen kräftigeren, aber weniger raffinierten Griff. "So etwa, wie wenn man einen Baseball oder einen Stein hält", erklärt Steven Churchill, Anthropolge an der Duke University in Durham, North Carolina, der sich mit den Verhaltensweisen der Neandertaler und der frühgeschichtlichen Hominiden beschäftigt.
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Die Höhlen von Skhul und Qafzeh
Neandertaler und frühneuzeitliche Menschen lebten vor rund 100.000 Jahren gemeinsam in den bewaldeten Küstenstreifen und in den Steppen des Gebietes, das sich heute in Irak, Israel und Syrien aufteilt. Wie diese frühzeitlichen Jäger und Sammler lebten, lässt sich aus den archäologischen Knochenfunden ablesen. Zu den frühesten menschlichen Funden gehören die aus den Höhlen in Skhul und Qafzeh in Israel, auf die sich auch die Forschungen Niewoehners beziehen.
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Dieselben Werkzeuge - effizientere Nutzung
"Das sagt allerdings nichts darüber aus, warum die Neandertaler schließlich ausgestorben sind", sagte Wesley Niewoehner. "Über 100.000 Jahre lang lebten sie erfolgreich. Doch wäre es vorstellbar, dass die Verhaltensweisen der frühgeschichtlichen Menschen denen der Neandertaler überlegen waren - insbesondere was die Nutzung effizienterer und komplexerer Steinwerkzeuge betrifft."
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Die steinernen Werkzeuge und die Tierknochen legen es nahe, dass beide Gruppen ähnliche Gewohnheiten hatten. Etwas allerdings muss den frühen Hominiden einen Vorteil über die Neandertaler verschafft haben, die später ausgestorben sind. Die Hinweise, die aus den historischen Überresten nun gezogen wurden, deuten darauf, dass Neandertaler und Hominiden unterschiedliche Hände hatten.
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"Meine Forschungsarbeit deutet darauf hin, dass die Hände der Skhul/Qafzeh-Menschen eher mit den Händen der Menschen vergleichbar sind, die vor 20.000 bis 40.000 Jahre lebten. Sie ähnelten weniger denen der Neandertaler", meint Niewoehner.

"Obwohl sie also dieselben Steinwerkzeuge nutzten, müssen sie sie auf ganz andere Weise verwendet haben."

Doch nicht nur waren die Menschen der frühen Neuzeit geschickter im Umgang mit Werkzeugen, sie waren womöglich auch weniger anfällig für Krankheiten wie Osteoarthritis, eine degenerative Gelenkserkrankung. Das würde ihnen einen weiteren spezifischen Überlebensvorteil verschafft haben.
->   Proceedings of the National Academy of Sciences
->   University of New Mexico
->   Duke University
 
 
 
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01.01.2010