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Nike-Adidas: 2002 das Traumfinale der Marketing-WM  
  Deutschland gegen Brasilien im Finale der Fußball-WM: Das war 2002 das "Traumfinale der Marketing-WM" Adidas gegen Nike. Während Adidas als offizieller Sponsor des Weltfußballverbands nach wie vor eher traditionellen Strategien des Marketings anhängt, ist der amerikanische Weltmarktführer seit Jahren Vorreiter einer Ökonomie, der es mehr um die Produktion von Sinn als von Produkten geht.  
Bevor es bei der kommenden WM in Deutschland wieder zu einem solchen "Traumfinale" kommen kann, müssen noch 62 Fußballspiele gespielt werden. Möglich ist es - etwa wenn Brasilien (Nike) auf Argentinien (Adidas) trifft.
Zwei sehr unterschiedliche Werbekampagnen
Die Werbekampagnen von Adidas und Nike 2002 brachten das Verhältnis der beiden Hauptkonkurrenten anschaulich auf den Punkt.

Nike präsentierte dunkle, popkulturell ansprechende, ironische TV-Spots, bei denen Fußball-Stars wie Ronaldo oder Totti auf einem verlassenen Handelsschiff buchstäblich um ihr Leben spielen.

Adidas hingegen zeigte ihre Werbeträger (David Beckham, Zinedine Zidane ...) wie sie - mehr bieder als witzig - vergeblich versuchen, sich von ihrer "Footballitis" zu kurieren.
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33,4 Milliarden Zuseher
Beiden gemein ist der Versuch, beim globalen Spektakel "Fußball-WM" soviel Aufmerksamkeit wie möglich zu generieren. Und das vor einem Weltpublikum:

Die WM 98 wurde nach Hochrechnungen von 33,4 Milliarden Menschen in 196 Ländern verfolgt, alleine das Finale von einer Milliarde. Für heuer wird mit einer weiteren Steigerung gerechnet.
Millionen für exklusive Rechte
Kein Wunder, dass sich Brands wie Coca Cola, Mc Donald's, Philips oder Adidas schon seit langem mit dem Titel "Offizieller Sponsor" des Weltfußballverbands schmücken.

1998 hatten sie zwischen 23 und 30,5 Millionen Euro investiert, um exklusive Rechte zu erringen - etwa die Berechtigung, das WM-Logo in ihr eigenes Firmensignet zu integrieren, oder die Reservierung von Sitzplätzen und Werbebanden in den Stadien.
Sport soll Marken emotionalisieren
Globale Marken nutzen die Bühne der WM zur Vermarktung ihrer Waren - und profitieren vom Zeichenwert der Sportstars. Die Produkte werden mit den Emotionen des Sportspektakels quasi "aufgeladen" und sollen so selbst zum Träger dieser Emotionen werden.
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Hoher Bekanntheitsgrad
Der Bekanntheitsgrad von Sportvereinen und einiger Akteure ist höher als der von Markenartikelunternehmen wie Sony oder Adidas. Wie eine aktuelle Studie belegt, hat etwa in Deutschland "die Marke FC Bayern München" bereits einen Bekanntheitsgrad von 95 Prozent erreicht.
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Nikes Ökonomie der Zeichen
Ein Vorreiter dieser Strategie war seit den 80er Jahren Nike. Der Weltmarktführer in Sachen Sportartikel exekutiert das, was Soziologen wie Scott Lash die "Ökonomie der Zeichen" nennen, in der die Produktion symbolischer Waren vorherrscht.

Nike ist keine "Produktionsfirma" im klassischen Sinn, der entscheidende Mehrwert seiner ansonsten bedeutungslosen Sportartikel wird durch "symbolische Arbeit" generiert.
Sinnvermittlung statt Produktherstellung
Im Mittelpunkt steht die Pflege der Marke bzw. des Logos (Swoosh), in den Worten von Naomi Kleins Antiglobalisierungs-Manifest "No logo!": Es geht um Sinnvermittlung statt Produktherstellung. Werbung und (Sport)Marketing kommen dabei wichtige Rollen als Produktionsort dieser Zeichen-Werte zu.
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WM-Investitionen: 40 Mio. Euro
Insofern ist es nur logisch, dass sich die Werbeetats mittlerweile in schwindelerregende Höhen geschraubt hat. Adidas investierte 40 Millionen Euro in die WM in Japan und Südkorea und nimmt dafür einen Gewinnrückgang im ersten Halbjahr in Kauf. Nike gibt nach Analystenschätzungen fast 15 Millionen Euro allein für TV-Werbung aus.
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Zauberwort Ambush: "Hinterhältiges" Marketing
Um das zu erreichen, heißt das Zauberwort für den weltgrößten Sportartikelhersteller - wie schon bei anderen Großereignissen zuvor - "Ambush-Marketing".

Die Strategie von Ambush-Marketing ist so simpel wie erfolgreich: Man platziert eigene Werbung im Umfeld sportlicher Großereignisse, schneidet am Image-Mehrwert der Veranstaltung mit, ohne selbst Sponsor zu sein, und distanziert sich zugleich von ihr.
"Subversive" Fernsehspots
Seit vielen Jahren setzt sich Nike in seinen Kampagnen auf diese Weise von den großen Institutionen wie FIFA oder IOC und ihren "kommerziellen Interessen" ab: Schon bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta wurden in den USA "subversive" Fernsehspots gesendet, die sich scharf gegen die offizielle NBC-Olympia-Berichterstattung abhoben.

Ebenso kritisierte man, als Anwalt der "echten Athleten", die Involvierung sportfremder Marken in die Vermarktung der Olympischen Spiele. Auch die aktuelle Werbekampagne lässt sich mit den Maßstäben offizieller Fair Play-Aufrufe nur schwer messen.
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FIFA gegen Ambush
Die FIFA, seit Jahrzehnten Partner von Adidas, will ihre offiziellen WM-Sponsoren naturgemäß schützen vor unliebsamen Konkurrenten. In einem Schreiben vor WM-Beginn 2002 warnte sie vor Ambush-Marketing als "unauthorisierter Verknüpfung eines Unternehmens oder einer Organisation mit der Fußball-WM". Um dieser "illegalen Verwendung des geistigen Eigentums der FIFA" zu begegnen, wurde ein weltweites Rechtschutzprogramm ins Leben gerufen und ein eigenes "Anti-Counterfeiting Committee (ACC)" gegründet.
->   FIFA
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"Sport-Rockvideos": Authentisch, selbstreflexiv
Die Werbestrategien Nikes beinhalteten einige wichtige, stilbildende Besonderheiten: Nach Einbußen auf dem amerikanischen Markt in den frühen 80er Jahren, als man die Aerobic-Welle "verschlafen" hatte, stellte man als einer der ersten Konzerne auf "neue" Werbestrategien um.

Was Naomi Klein als "die ersten Rockvideos über Sport" bezeichnet, lässt sich mit folgenden Stichworten zusammenfassen: Authentizität/Glaubwürdigkeit wurde gerade dadurch hergestellt, dass die üblichen Regeln des Werbegenres auf einer Metaebene thematisiert oder in Frage gestellt wurden; die Konsumenten werden als kluge Insider angesprochen, die die selbstreflexiven Anspielungen verstehen und zu bestimmten Subkulturen gehören.
Die Alltagsphilosophie des "Just do it"!
Im Vergleich zu anderen Sportartikelkonzernen gelang es Nike durch provokante Strategien und Respektlosigkeit, die Widersprüche heutigen Konsumentenlebens besser in die eigene Imagebildung einzubeziehen.

Durch den Aufbau einer eigenen Alltagsphilosophie ("Just Do it!") und der Sprache der Selbstermächtigung ("Ändern musst Du Dich selber") entwickelte Nike eine höchst erfolgreiche Markenästhetik, die durch die Einbeziehung glaubwürdiger Kreativer (etwa der Regisseur Spike Lee) ausgezeichnet wurde.
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Buchtipps
Michael Fanizadeh, Gerald Hödl and Wolfram Manzenreiter (Hg.): Global Players. Kultur, Ökonomie und Politik des Fußballs. Frankfurt/Wien: Brandes&Apsel/Südwind 2002. ISBN 3-86099-236-8
John Horne und Wolfram Manzenreiter (Hg.): Japan, Korea and the 2002 World Cup. London: Routledge 2002. Pb ISBN 0-415-27563-6
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Vermittlung eines globalen Chics
Entscheidendes Element der Werbestrategie von Nike - die dabei nur die Rolle der Vorreiter spielten - ist die Vermittlung eines "globalen Chics". Naomi Klein beschreibt diese Botschaft u.a. am Beispiel des WM-Songs von 1998 "La Copa de la Vida/The Cup of Life" von Ricky Martin.

"Vielfalt", so Naomi Klein, kann heute mit einer einzigen Kampagne gleich an alle Märkte geliefert werden: "Globales Marketing bedeutet heute nicht mehr, Amerika an die Welt zu verkaufen, sondern weltweit eine Art Markt-Mischmasch anzubieten".

Die "euphorische Marketingsprache des Global Village" beschwört ihr zufolge eine "postnationale Vision", in der globale Teenager in einer multiethnischen gemeinsamen Welt friedlich konsumieren.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at
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01.01.2010