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Gentech-Bakterien sollen Karies bekämpfen  
  Das Bakterium Streptococcus mutans ist winzig - und verursacht dennoch schmerzhafte, große Löcher in unseren Zähnen. Forscher wollen nun das Kariesbakterium mit seinen eigenen "Verwandten" schlagen: Sie haben Laktobazillus-Bakterien, die beispielsweise in Joghurt vorkommen, genetisch so modifiziert, dass diese ihre zahnschädigenden Artgenossen bekämpfen - und damit den Auslöser der Karies unschädlich machen.  
Lennart Hammarstrom und seine Kollegen vom Karolinska Institute in Stockholm berichten in der aktuellen Ausgabe von "Nature Biotechnology", dass erste Versuche an Ratten die Wirksamkeit der Gentech-Bakterien nachweisen konnten.
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"Lactobacilli producing single-chain antibodies"
Der Artikel "In situ delivery of passive immunity by lactobacilli producing single-chain antibodies" ist erschienen in "Nature Biotechnology", Bd. 20, Seiten 702 - 706 vom 28. Juni 2002.
->   "Nature Biotechnology" (kostenpflichtig)
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Kampf der Bakterien
Die schwedischen Wissenschaftler nahmen sich des Streptococcus mutans an, das als Verursacher der meisten Kariesformen gilt. Um diesen Keim effektiv zu bekämpfen, griffen sie zu einem weiteren Artgenossen: Lactobacillus zeae.

Lactobazillen kommen in vielen Milchprodukten wie etwa Joghurt vor - der von den schwedischen Wissenschaftlern verwendete Keim gilt als für Menschen harmloser bzw. nützlicher Vertreter dieser Art.
Über die Speiseröhre entsorgt
Der Mikroorganismus wurde von den Forschern genetisch so modifiziert, dass er an seiner Oberfläche einen Antikörper gegen das Karies verursachende Bakterium trägt.

Dieser bindet an ein Molekül von Streptococcus mutans, welches normalerweise dazu führt, dass die Bakterien sich an die Zähne heften. Durch die Bindung verklumpen beide Arten - und rutschen harmlos die Kehle hinunter, wie die Forscher schreiben.

Ob dabei die Streptococcen tatsächlich getötet werden, konnten die Forscher zwar nicht nachweisen. Hammerstrom allerdings glaubt, dass die zahnschädigenden Bakterien absterben - möglicherweise durch die von ihren Gentech-Verwandten produzierte Milchsäure.
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Karies - Demineralisierung führt zu Löchern
Unter Karies, genauer Zahnkaries, versteht man die Zerstörung der Hartsubstanzen des Zahnes. Streptococcus mutans befindet sich als "natürlicher Kolonialist" im Mund beinahe jedes Menschen. Der Keim verursacht rund 85 Prozent aller Fälle von Karies (Zahnfäule), indem er Zucker in Milchsäure (Laktat) umwandelt, die den Zahnschmelz angreift und langsam "wegradiert".

Daran beteiligt sind so genannte Spaltpilze, Säuren und andere Gärungsprodukte: Durch das Lösen bestimmter chemischer Verbindungen wird der Zahn demineralisiert - die Hartsubstanz (Schmelz, Zahnstein oder Wurzelelement) wird durch von Bakterien produzierte Säuren gelöst (pH-Senkung), die entstandenen Schäden bezeichnet man als Karies. Ursache sind meist eine ungenügende Zahnhygiene sowie schädliche Essgewohnheiten.
->   Mehr Informationen zu Karies
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Im Tierversuch weniger Karies
Bei Ratten konnten die Forscher bereits erste Erfolge beobachten, wie sie in ihrem Artikel schreiben. Demnach hatte sich bei den Tieren, die zuvor mit Streptococcus mutans infiziert worden waren, die Zahl der Karies verursachenden Keime deutlich reduziert.

Die Bakterien produzierten zudem deutlich weniger Löcher in den Zähnen - der Effekt bzw. die Antikörper überdauerten rund drei Wochen im Mundraum der Ratten. Der Antikörper alleine dagegen wird nach Auskunft der Wissenschaftler sehr schnell aufgespalten oder ausgeschieden.
Gleiche Technik für weitere Erreger
Das Team um Lennart Hammerstrom arbeitet nun bereits daran, die Lactobazillen mit Antikörpern gegen eine ganze Reihe von Infektionserregern zu versehen - darunter etwa der Rotavirus, Hauptursache für schwere Fälle von Diarrhö.
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Zahnhygiene: Vorsorge in Österreich vernachlässigt
Zahnbehandlungen kosten Österreichs Bevölkerung und Krankenkassen jährlich große Summen, doch die zahnhygienische Vorsorge wie zum Beispiel eine Zahnfleischbehandlung kommt nach Ansicht von Experten zu kurz. Ein Grund: Die Leistungen sind meist privat zu begleichen und werden seltener in Anspruch genommen. Zeit für ein Umdenken in puncto Finanzierung, meinen daher die Mediziner.
->   Mehr dazu in science.ORF.at (Artikel vom 19.10.2001)
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Akzeptanz von Gentech-Bakterien?
Nach Schätzungen von Hammerstrom wird es etwa ein bis zwei Jahre dauern, bis die Herstellung solcher "bakterieller Medikamente" möglich sein wird. Weitere fünf bis zehn Jahre könnte es jedoch brauchen, bis die Bedenken der Öffentlichkeit abgebaut seien.
->   Karolinska Institute
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01.01.2010