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Mittagsschlaf erhöht Leistung und hilft gegen Burn-out  
  Ein kurzer Schlummer steigert nicht nur die Lernfähigkeit und die Verarbeitung von Informationen, sondern kann auch wahre Wunder bewirken - zumindest für das durch Stress und Hektik geprägte Berufsleben. So führt etwa ein Mittagsschlaf zur erheblichen Verbesserung der Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit, trägt zur Reduktion von Informationsüberflutung bei und scheint darüber hinaus die Gefahr eines Burn-out-Syndroms zu minimieren. Das haben nun Wissenschaftler des National Institute of Mental Health (NIMH) und Kollegen von der Harvard University im Rahmen ihrer Studien herausgefunden.  
Was den nächtlichen Schlaf betrifft, legen die Ergebnisse der Studien nahe, dass das Gehirn diesen zur Konsolidierung der Erinnerungen an Handlungen, Fähigkeiten und Erfahrungen, die während des Tages erlernt bzw. gesammelt werden konnten, nützt.

So konnten etwa jene Personen, die länger schliefen, ihre motorischen Fähigkeiten gegenüber den "Frühaufstehern" um 20 Prozent verbessern.
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Die Ergebnisse der Studie sind unter dem Titel "Be caught napping: you're doing more than resting your eyes" in der Juli-Ausgabe des Fachmagazins "Nature Neuroscience" erschienen.
->   Der Artikel (kostenpflichtig)
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Leistungsfähigkeit mit der Zeit geringer
Sarah Mednick, Robert Stickgold und Kollegen konnten nachweisen, dass Burn-out-Symptome - in diesem Fall Irritation, Frustration und geringere mentale Leistungsfähigkeiten - in dem Maße zunehmen, in dem die mentale Inanspruchnahme andauert.

Auf den Arbeitsalltag umgelegt, heißt das knapp formuliert: je länger der Arbeitstag, desto größer der Leistungsabfall.

Die gewonnenen Ergebnisse stammen aus einer Untersuchung, bei der Testpersonen angewiesen wurden, Aufgabenstellungen zu lösen, die Aufschlüsse über ihre visuelle Wahrnehmung lieferten.
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Details zur Aufgabenstellung
So mussten Testpersonen beispielsweise auf einem Hintergrund mit horizontalen Balken die horizontale oder vertikale Ausrichtung von sich drehenden dreidimensionalen Balken im unteren linken Eck eines Bildschirms erkennen.
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Schlafpause verhindert Leistungsabfall
Im Zuge der Untersuchung wurde deutlich, dass die Leistungen der Probanden im Laufe des - durch vier Testphasen strukturierten - Tages kontinuierlich abnahmen.

Erst nachdem sie zwischen der zweiten und dritten Testphase eine 30 Minuten lange Schlafpause eingelegt hatten, kam der Leistungsabfall zum Stillstand.

Bei einer Pause im Ausmaß von einer Stunde schnellte die Leistungsfähigkeit in der dritten Testphase sogar auf das Level der ersten. Diese hielt auch während der vierten Phase an.
Keine allgemeine Ermüdungserscheinung
Im Gegensatz zu bisherigen Annahmen ist der Leistungsabfall nicht auf eine allgemeine Ermüdung durch Routine zurückzuführen, sondern auf die spezifische Informationsverarbeitung des Visualisierungssystems im Gehirn - wie die Wissenschaftler nach weiteren Tests folgerten.

Denn wie sie durch eine Modifizierung der Problemstellung in der vierten Testphase nachweisen konnten, kam es trotz neuer Anforderungen an den neuronalen Kreislauf durch eine veränderte Aufgabenstellung zu gleichen Ergebnissen.
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Veränderte Aufgabenstellung
Die Testpersonen mussten, ähnlich wie bei der ersten Aufgabenstellung, die horizontale oder vertikale Ausrichtung von dreidimensionalen Balken auf einem Hintergrund mit horizontalen Balken erkennen - diesmal allerdings im unteren rechten Eck eines Bildschirms.
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Gleiches Ergebnis erzielt
Wie zuvor angenommen wurde, gab es auch hier bei Personen, die eine Schlafpause abgehalten hatten, die gleiche Leistung wie zuvor in der ersten Phase, während die "schlaflose" Kontrollgruppe an drastischen Ermüdungserscheinungen litt.
Übersättigung durch Informationen
Mednick und Kollegen nehmen nun an, dass die neuronalen Netzwerke im visuellen Kortex "durch die wiederkehrenden visuellen Eindrücke mit Informationen übersättigt und dadurch an der weiteren Verarbeitung der Wahrnehmungen gehindert wurden".

Demnach scheinen Burn-out-Symptome nichts anderes als ein Schutzmechanismus des Gehirns zu sein. Dieser hat die Aufgabe, jene Informationen zu bewahren, die im Zuge des Schlafens noch nicht verarbeitet werden konnten.
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Neuronale Netze und visueller Kortex
Schichten von Neuronen bilden die Außenseite der beiden Gehirnhemisphären. Sie arbeiten zusammen, um eine möglichst schnelle und optimale Antwort auf erhaltene Reize geben zu können. Es lassen sich verschiedene Felder abgrenzen, die auf Teilaufgaben spezialisiert sind, wie beispielsweise visuelle Wahrnehmung (Visueller Kortex), Bewegungskontrolle (Motorischer Kortex) oder Tastwahrnehmung (Somatosensorischer Kortex).
->   Mehr zu Gehirn und neuronalem Netzwerk
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Was bringt der kurze Schlaf?
Die während der Schlafphasen der Probanden aufgezeichneten Gehirnaktivitäten ließen des Weiteren erkennen, dass es beim einstündigen Schlaf mindestens vier Mal häufiger zur Abfolge von tiefen, leichten und durch Rapid-Eye-Movement (REM) gekennzeichneten Schlafstadien kam als während des halbstündigen Schlafs.

Auch befanden sich Personen, denen die längere Schlafpause vergönnt war, signifikant länger im Stadium des leichten Schlafs während der testfreien Tage.
Mit leichtem Schlaf gegen das Burn-out-Syndrom
Dies lässt die Wissenschaftler nun vermuten, dass ausgerechnet das leichte Schlafstadium ein geeignetes Mittel gegen das Burn-out-Syndrom darstellt.

Diese Vermutung liegt insofern nahe, als das Zustandekommen des an sich als mentale Erholungsphase geltenden REM-Schlafs eine lange Schlafphase benötigt.

Denn das REM-Stadium wird erst nach der Tiefschlafphase erreicht und tritt daher innerhalb eines kurzen Schlafs eher selten auf - im Gegensatz zum leichten Schlaf, der sich sofort nach der Einschlaf-Phase einstellt.
->   Mehr zur Klassifikation der Schlafstadien
Bereits nach kurzer Zeit deutliche Steigerung erreicht
Da die Probanden jedoch bereits nach einer halben bzw. einer Stunde eine deutliche Steigerung ihrer mentalen Fähigkeiten aufwiesen, die wiederum zu einer Verringerung der Burn-out-Symptome führten, meinen die Wissenschaftler nun im Stadium des leichten Schlafs eine mögliche Erklärung gefunden zu haben.
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Wie viel Schlaf braucht der Mensch?
Wem wie viel Bettruhe gut tut, scheint von Mensch zu Mensch verschieden zu sein. Vom medizinischen Standpunkt aus betrachtet, braucht der Mensch allerdings nicht mehr als 6,5 Stunden Schlaf pro Nacht.
->   science.ORF.at: Zu viel Schlaf verkürzt die Lebensdauer
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Ein kurzes Nickerchen während der Arbeitszeit?
Der Grundtenor der Studie könnte demnach auch folgendermaßen lauten: "Wir sollten wohl aufhören, uns schuldig zu fühlen, wenn wir ein kurzes Nickerchen während der Arbeit abhalten", so kommentieren die beteiligten Wissenschaftler zumindest ihre Ergebnisse.
->   National Institute of Mental Health
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->   Dem Geheimnis des Schlafens auf der Spur
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->   Schlaf dient der Gedächtnisbildung des Körpers
 
 
 
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01.01.2010