News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben .  Wissen und Bildung 
 
Expertenschätzungen zur bakteriellen Vielfalt  
  In einem Haufen Erde aus dem heimischen Garten leben mehr unterschiedliche Bakterien, als in den gesamten Weltmeeren zusammengenommen. Auf dieses Ergebnis kommen zumindest britische Wissenschaftler bei ihren Berechnungen zur Artenvielfalt in der Welt der Einzeller. Deren Zahl ist tatsächlich so ungeheuer groß, dass die Wissenschaft bislang nur einen winzigen Bruchteil identifizieren konnte.  
Tom Curtis von der britischen University of Newcastle upon Tyne hat nun zusammen mit Kollegen errechnet, dass in einer Tonne Erdboden etwa vier Millionen verschiedene Bakterien leben.
Nur halb so viel in den Weltmeeren
Dagegen schreiben die Forscher in den "Proceedings of the National Academy of Sciences", dass sich laut ihren Analysen in den gesamten Ozeanen lediglich zwei Millionen verschiedene Bakterien finden.
...
"Estimating prokaryotic diversity and its limits"
Der Artikel "Estimating prokaryotic diversity and its limits" wurde online in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" publiziert (3. Juli 2002) und wird in einer der zukünfitgen Print-Ausgaben des Fachmagazins erscheinen.
->   Abstract des Artikels
...
Neue Methode zur statistischen Berechnung
Das eigentlich interessante an der Arbeit der Wissenschaftler sind allerdings weniger die von ihnen berechneten Zahlen, als vielmehr der Ansatz, den sie zu ihrer Hochrechnung verwendeten.

Wie Tom Curtis erklärt, würden Forscher normalerweise bakterielle Spezies zählen, indem sie nach unterschiedlichen genetischen Sequenzen suchen. Dies sei allerdings sehr arbeitsintensiv - und "vielleicht unmöglich fertig zu stellen".
Von der Probe zur Hochrechnung
Stattdessen arbeitete sein Team "rückwärts": Als Grundlage diente den Wissenschaftlern die Anzahl von Bakterien in einer kleineren Probe sowie Fachliteratur mit Schätzungen zur Menge der verbreitetsten Arten.

Wenn die am häufigsten vorkommende Bakterienspezies einen Großteil der Einzeller in einer Probe ausmacht, dann weist dieser Lebensraum vermutlich insgesamt eine kleinere Anzahl unterschiedlicher Arten auf.

Eine geringere Anzahl dieser Bakterienarten dagegen deute auf ein sehr viel verschiedenartigeres Ökosystem hin, so die Argumentation der Wissenschaftler.
...
Bakterien: Vielfältige Einzeller
Bakterien sind mikroskopisch kleine, einzellige Lebewesen. Es gibt bisher ca. 6.000 bekannte Bakterienarten, ihre Einteilung erfolgt in Gruppen - entsprechend ihres "Aussehens" unterscheidet man stäbchenförmige Bakterien (z. B. die Bazillen), kugelförmige (Kokken), kommaförmige (Vibrionen), spiralförmige (Spirillen), sowie weitere spezielle Formen.

Bakterien finden sich tatsächlich überall, in der Luft, Erde, im Wasser, in Menschen, Tieren und Pflanzen. Dabei unterscheidet man zwischen nützlichen und schädlichen Bakterien: etwa solche, die biologischen Abbau betreiben und für Kreisläufe innerhalb der Natur wichtig sind oder Darmbakterien, die Nahrungsmittel abbauen gegenüber pathogenen und parasitären Bakterien als Erreger von Infektionskrankheiten wie Diphtherie, Typhus, Cholera und Tuberkulose.
->   Weitere Informationen zu Bakterien in www.medicine-worldwide.de
...
Ein Viertel im Meerwasser, ein Zehntel in der Erde
Die Forscher nahmen sich zunächst dem Meereswasser an. Nach Analysen von Proben stellten sie fest, dass eine sehr geläufige Bakterienart rund ein Viertel aller gefundenen Einzeller ausmacht.

Damit - so die These der Forscher - sei impliziert, dass einige der häufigsten Bakterienspezies insgesamt dominieren. In einem Gramm gewöhnlichen Gartenbodens repräsentiert das am häufigsten vorkommende Bakterium dagegen lediglich zehn Prozent des Gesamten.
Bis zu 38.000 Arten im Garten
Ihre Hochrechnung auf Basis dieser Daten: In einem Milliliter Seewasser finden sich etwa 160 Bakterienspezies, während die Wissenschaftler bei einem Gramm Erdboden zwischen 6.400 und 38.000 verschiedene Arten annehmen. Die Zahlen ähneln im Übrigen Hochrechnungen auf Basis von DNA-Analysen.

Die Frage der bakteriellen Artenvielfalt hat tatsächlich auch praktische Konsequenzen. Nach Berechnung der Forscher enthält beispielsweise Abwasser lediglich 70 Arten pro Milliliter - ein Mehr an Mikroorganismen könnte dagegen den Abbau beschleunigen.
->   University of Newcastle upon Tyne
Mehr zur Artenvielfalt in science.ORF.at:
->   Datenbank für globalen Zugang zu "Bio-Daten"
->   Weniger Insektenarten als bislang gedacht?
->   Artenvielfalt in Korallenriffen bedroht
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben .  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010