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IMP-Forscher entdeckten ''Blut-Stammzell-Verjüngung''  
  Stammzellen werden aufgrund ihrer Fähigkeit, sich zu verschiedenen Zelltypen entwickeln zu können, in der biomedizinischen Forschung immer wichtiger. Galt der Vorgang ihrer Ausdifferenzierung bisher als irreversibel, so lässt ein Team des Wiener Instituts für Molekulare Pathologie (IMP) nun aufhorchen. Durch Ausschalten eines einzigen Gens gelang es den Forschern, frühe Vorläufer von weißen Blutkörperchen zu redifferenzieren. Die möglichen Konsequenzen dieser an Labormäusen durchgeführten "Blut-Stammzell-Verjüngung" reichen bis zu neuen Aids-Therapien.  
Ausschaltung eines einzigen Gens
"Vorwärts mit Volldampf zurück", so könnte man die Devise des Wissenschaftlerteams unter Meinrad Busslinger vom IMP beschreiben. Durch einen Kunstgriff gelang es ihnen erstmals, die Entwicklung von hämatopoietischen Stammzellen (Blutstammzellen) aus der so genannten B-Zell-Linie umkehren zu können.

"Dafür reicht die Ausschaltung eines einzigen Gens, des Pax5-Gens, aus", erklärte Busslinger gegenüber der APA. Das Wissenschaftlerteam präsentiert seine Ergebnisse in der neuesten Ausgabe von "Science", die am 5. Juli 2002 erscheint.
->   Institut für Molekulare Pathologie
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->   ''Science''
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Aus Stammzellen werden Blutzellen
Der Hintergrund laut den Forschern: Die so genannten hämatopoietischen Stammzellen entwickeln sich unter Einwirkung von jeweils verschiedenen körpereigenen Botenstoffen (Zytokine wie zum Beispiel Interleukine oder Wachstumsfaktoren) durch An- und Abschalten bestimmter Gene zu den Vorläufern der einzelnen Blutzellen.

Bei den B-Zellen - also jenen Zellen, die am Ende ihrer Entwicklung vor allem Immunglobuline (Antikörper) bilden - geschieht das über ein Zwischenstadium. Dann folgt der Eintritt in die Zell-Vorläuferlinie, die zu den eigentlichen B-Zellen führt.
->   Mehr über Hämatopoetische Stammzellen
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Forschung mit Auszeichnung
Schon seit Jahren untersucht Busslinger mit seinem Team die molekularen Ursachen der Zelldeterminierung. Das Gründungsmitglied des IMP hat sich auf eine Zelllinie des Immunsystems spezialisiert: auf die so genannte B-Zelle, die für die Produktion von Antikörpern gegen fremde Substanzen verantwortlich ist. 2001 wurde Meinrad Busslinger mit dem Wittgenstein-Preis ausgezeichnet.
->   Wittgenstein-Preis-Verleihung 2001
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Entscheidendes Gen: Pax5
Dabei spielt das Pax5-Gen offenbar die entscheidende Rolle. Busslinger: "Pax5 verengt das Entwicklungspotenzial, das bei den frühen Vorläuferzellen noch besteht, auf jenes der B-Zell-Linie, indem es Gene unterdrückt, die zu einer anderen Entwicklung führen könnten, und die Expression (Aktivierung, Anm.) von Genen fördert, welche für die B-Zellen spezifisch sind."

Wird dieser Weg beschritten, gibt es - so das bisherige Dogma - keinen Weg mehr zurück.
Redifferenzierung der Zellen
Doch die Wissenschaftler des Instituts in Wien-Landstraße kehrten bei einem der B-Zell-Vorläufer diese Entwicklung um, wie Busslinger weiter erläutert:

"Das versuchten wir bei Versuchen an Mäusen. Bei den frühen Pro-B-Vorläuferzellen wurde das Pax5-Gen ausgeschaltet. Daraufhin redifferenzierten sich diese Zellen wieder in ein früheres Entwicklungsstadium zurück und erhielten wieder die Fähigkeit, sich zu anderen Blutzellen - Makrophagen (Fresszellen, Anm.) oder T-Zellen - zu entwickeln."

Somit haben die Pro-B-Zellen auch noch das "Gedächtnis", das es ihnen bei einem entsprechenden Stimulus erlaubt, "jünger" zu werden und dann auch noch in eine andere Richtung zu "gehen".
Mögliche neue Therapien ...
Der einzige entscheidende Faktor bei den genannten Pro-B-Zellen ist dabei laut den Erkenntnissen der Wissenschaftler das Pax5-Gen bzw. dessen Inaktivierung. Das kann eventuell große Folgewirkungen haben.

"Wir gehen derzeit der Frage nach, ob das vielleicht medizinisch relevant werden könnte. Wenn man nämlich auch beim Menschen Pro-B-Zellen auf diese Weise redifferenzieren und eine Produktion von T-Zellen oder Makrophagen verstärken könnte, wäre das eventuell von Bedeutung für neue Therapien", so Busslinger.
... Regenerationspool für fehlende Helferzellen?
Derzeit natürlich noch hypothetisch: Man könnte auf diese Weise Patienten helfen, die eine gestörte körpereigene Produktion von weißen Blutkörperchen aufweisen.

Busslinger: "Aids-Patienten haben zum Beispiel zu wenige T-Helferzellen." Da könnten in ihrer Entwicklung in diese Richtung gedrängte Pro-B-Zellen einen Regenerationspool bilden.
->   Die verschiedenen Arten von Stammzellen
->   Lebenslauf Meinrad Busslinger
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01.01.2010