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Ozeanien: Traditionen trotz "Verwestlichung"  
  Die traditionellen Werte Ozeaniens sind Thema einer internationalen Konferenz an der Uni Wien. Ethnologen, Historiker und Botaniker diskutieren die Rolle von Tradition trotz der "Verwestlichung" des Südpazifiks.  
Recovering the Past
"Recovering the Past" lautet der doppeldeutige Titel der Konferenz. "Recover" meint einerseits, dass sich die pazifischen Bewohner von äußeren Einflüssen wie der Kolonialisierung erholen.

Andererseits soll "recover" an das Enthüllen von Unentdecktem erinnern. Ehemals Kolonien, sind die meisten der pazifischen Inseln erst seit kurzem unabhängig.
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Die Veranstaltung
"Recovering the Past: Resources, Representations, and Ethics of Research in Oceania" wird von der ESfO, der European Society for Oceanists, veranstaltet. Die Konferenz findet an der Universität Wien statt und dauert bis zum 6. Juli. 2002
->   Erklärung des Titels der Veranstaltung
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Walzahn als Verhandlungsstrategie
Die Anthropologin Viviane Cretton von der Universität Lausanne hat erlebt, wie mit alten Riten auch heute Politik gemacht wird: Tabua - das ist der Zahn eines Wales, er wird poliert und gefärbt. Es ist das Wertvollste, was auf Fidschi verschenkt werden kann.

 


Mit einem Tabua wirbt z. B. der Vater des Bräutigams um die Braut bei ihrer Familie. Der Wert ist rein symbolisch, dennoch können Walzähne in der Hauptstadt Suva im Geschäft gekauft werden. Für Anhänger der Tradition haben Tabua aber keinen Marktwert
"Tabua" und der Fidschi-Putsch
Bei dem Putschversuch im Mai 2000 wurden Geiseln genommen. In den darauffolgenden Verhandlungen spielten auch Walzähne eine Rolle, sagt Cretton: "Es musste zum Beispiel die Freilassung der Geiseln verhandelt werden. Dabei gab es zeremonielle Handlungen zwischen den verschiedenen Verhandlungspartnern: Zwischen Ureinwohnern, Geiselnehmern und Militär. Dabei wurden auch Walzähne, also Tabua ausgetauscht."
Bitte mit Geschenk verknüpfen
Nach dem Putschversuch übernahm das Militär die Macht. Der Armee-Kommandant forderte den damaligen Präsidenten zum Rücktritt auf. Dabei überreichte er ihm einen Walzahn und entschuldigte sich für die Absetzung, sagt Cretton.

Der Präsident habe sowohl Rücktritt als auch Walzahn akzeptiert: "Das ist das Besondere daran: Ich habe eine Bitte, also überreiche ich einen Walzahn. Sie können das akzeptieren und mir ebenfalls einen Walzahn geben. Aber Sie können auch ablehnen. Aber wenn Sie ablehnen und keinen Walzahn zurückgeben, dann bricht Streit zwischen uns aus."
Tradition auf der Entbindungsstation
Die Rückbesinnung auf Tradition hat die Ethnologin Christine Binder-Fritz in Neuseeland erlebt. Sie verbrachte 21 Monate bei Maori-Familien. Sie interessiert sich vor allem für Frauengesundheit: für traditionelle Heilmethoden und Riten.

Vieles sei durch die Verwestlichung verloren gegangen, doch die indigene Bevölkerung bemühe sich um das verlorengegangene Wissen und wende das traditionelle Wissen im modernen Alltag an. Ein Brauch bei der Geburt (Nabelschnur und Plazenta zu bestatten) sei durch Klinik-Entbindungen in Vergessenheit geraten, sagt Binder-Fritz. Seit fast 20 Jahren werde der Brauch wieder gepflegt.
Geben, nicht nur nehmen
Wissenschafter haben eine soziale Verantwortung gegenüber der ethnischen Gruppe, bei der sie leben und forschen, betont Binder-Fritz: Nicht nur zu nehmen, sondern auch zu geben. Es würden zum Beispiel Maori immer wieder beklagen, dass Forscher nicht einmal ein Foto schicken.

Ihr Weg, sich für die Zusammenarbeit zu bedanken: Sie macht im Westen über die Anliegen der Maori aufmerksam. Sie hat ihnen dabei nicht nur im übertragenen Sinn eine Stimme gegeben, sondern sie auch zu internationalen Konferenzen eingeladen.

Ein Beitrag von Barbara Daser für die Sendung "Dimensionen" vom 5. Juli 2002, Ö1.
->   Ö1
->   European Society for Oceanists
 
 
 
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01.01.2010