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Nanosensor misst Zuckergehalt in der lebenden Zelle  
  Für die Erforschung von Krankheiten müssen Wissenschaftler auch Stoffwechselvorgänge in Zellen untersuchen. Bisher jedoch starb dabei häufig die Zelle ab - und die Ursache mancher Effekt war unklar. Forscher der deutschen Universität Tübingen haben nun den Prototypen eines Nanosensors entwickelt, der den Zuckergehalt in der lebenden Zelle messen kann, ohne diese zu zerstören. Medizinische Anwendungen sind etwa im Bereich der Diabetes-Forschung denkbar.  
Die Forschungsergebnisse der Pflanzenphysiologen Marcus Fehr und Sylvie Lalonde - unter der Leitung von Wolf Frommer vom Zentrum für Molekularbiologie der Pflanzen - sind nun in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS) erschienen.
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"Visualization of maltose uptake in living yeast cells"
Der Artikel "Visualization of maltose uptake in living yeast cells by fluorescent nanosensors" wurde vorab als Online-Publikation in den PNAS veröffentlicht und wird in einer der künftigen Print-Ausgaben des US-Fachmagazins erscheinen.
->   PNAS: Abstract des Artikels
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Unterschiedlichste Stoffwechselvorgänge
In jeder einzelnen Zelle laufen gleichzeitig zahlreiche unterschiedliche Stoffwechselvorgänge ab: Die Zelle muss aus geeigneten Stoffen Energie gewinnen, um wiederum andere Stoffe transportieren, auf- oder abbauen zu können.

Zudem ist die Zelle - für diese vielen, zum Teil parallel ablaufenden Vorgänge - in verschiedene Abteile aufgeteilt, Biologen bezeichnen diese als Kompartimente.

Denn manche Reaktionen müssen zum Beispiel in einer sauren Umgebung ablaufen, andere benötigen Enzyme zur Unterstützung, die nur bei einer bestimmten Konzentration an Calcium arbeiten.
Bisherige Forschungen: Meist Zelltod
Um zu erkunden, was genau in den Zellen passiert, welche Stoffe entstehen und wohin sie transportiert werden, mussten die Forscher bisher häufig die Zellstruktur zerstören oder die Zellen fixieren.

Dabei sterben die Zellen ab und es lässt sich manchmal nicht feststellen, ob bestimmte Effekte vielleicht erst bei der Zerstörung der Zelle entstanden sind.
Sensor kann in lebende Zelle "hineinsehen"
Frommer und seine Mitarbeiter haben daher einen Sensor entwickelt, mit dem sie in die lebende Zelle "hineinsehen" können. Das macht es sogar möglich, Unterschiede zwischen benachbarten Zellen im gleichen Gewebe zu messen, ohne das ganze System zu beeinflussen.
Prototyp misst den Zuckergehalt
Der Prototyp dieses Sensors kann die Konzentration des Zuckers Maltose messen. Maltose ist ein Abbauprodukt der Stärke, die vielen Bakterien, Pilzen und Tieren als Nahrung dient. Auch Pflanzen bauen zur Energiegewinnung nachts Stärke zu Maltose ab, da sie im Dunkeln die Sonnenenergie nicht direkt nutzen können.
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Wie funktioniert ein Sensor für Maltose?
Um nicht - zusammen mit der Maltose - auch andere Zucker zu messen, sind Moleküle nötig, die sich spezifisch nur an diesen einen Stoff binden. Die Tübinger Forscher bedienten sich eines Maltose-Bindungsproteins aus Bakterien (Periplasmic Binding Proteins, PBPs). Über genetische Veränderungen wurde ein PB-Protein hergestellt, das für den richtigen Messbereich der Maltose-Konzentrationen geeignet ist.

Um die Bindung zuverlässig anzuzeigen, muss das Protein dabei seine Form ändern: Das Maltose-PBP klappt durch eine scharnierartige Bewegung zusammen. Dabei werden zwei fluoreszierende Proteine näher zusammengebracht, von denen eines durch blaues Licht angeregt wurde. Das zweite fluoreszierende Protein übernimmt die Resonanzenergie des ersten und leuchtet in einer anderen Farbe. Das Licht kann gemessen werden und liefert so indirekt Informationen über die Konzentration an Maltose in der Zelle.

Änderungen der Maltose-Konzentration in der Zelle können die Forscher sogar dynamisch in vier Dimensionen verfolgen: durch eine dreidimensionale Darstellung der fluoreszierenden Moleküle in einem speziellen Mikroskop und über die Dimension des Zeitverlaufs. Es können in Lösungen und in lebenden Zellen sehr schnell auch winzige Konzentrationsänderungen im Nanobereich festgestellt werden.
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Andere Sensoren nach gleichem Prinzip
Der neue Nanosensor für Maltose ist ein Prototyp, da sich nach dem gleichen Bauprinzip auch Sensoren für andere Stoffe konstruieren lassen - wenn es ein Molekül gibt, das ganz spezifisch einen bestimmten Stoff bindet.

Für mindestens 50 weitere Stoffe sind solche Moleküle, PBPs aus Bakterien, bekannt. Nach Ansicht der Forscher lassen sich damit zahlreiche weitere Stoffwechselprodukte messen wie andere Zuckersorten, Aminosäuren oder die Botenstoffe zwischen Nervenzellen.
Weitere Forschungen an Pflanzen ...
Bei Pflanzen wollen die Wissenschaftler nun die Verteilung verschiedener Zuckersorten in den unterschiedlichen Kompartimenten der Zelle feststellen und den Zuckertransport in den Leitgeweben von Pflanzen genauer untersuchen.
... und an menschlichen Zellen
Die Messmethode ist allerdings nicht auf pflanzliche Zellen beschränkt. Denn auf der Ebene der Zellen lässt sie sich problemlos auf andere Lebewesen übertragen.

So wollen die Wissenschaftler das Verfahren nun auch zur Messung der Zuckerkonzentration in menschlichen Zellen weiterentwickeln, was in der medizinischen Anwendung vor allem bei Diabetes interessant ist.
->   Universität Tübingen, Fakultät für Biologie
 
 
 
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01.01.2010