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Umstritten: Später Schwangerschaftsabbruch  
  Ein Schwangerschaftsabbruch im 7. Monat - nachdem ein schwer geschädigter Fötus durch eine Injektion in den Herzmuskel zuvor getötet wurde: Ausgehend von diesem konkreten Fall, der zwar schon Monate zurückliegt, aber erst jetzt bekannt wurde, ist eine Diskussion darüber entflammt, ob ein so später Schwangerschaftsabbruch rechtlich und moralisch zu rechtfertigen ist.  
Straffreier Abbruch bei schwerer Schädigung
In Österreich ist ein Schwangerschaftsabbruch nicht nur bis zur 12. Woche ohne Angabe von Gründen straffrei. Auch nach dem dritten Monat bleibt er straffrei, wenn medizinisch abgesichert davon auszugehen ist, dass das Ungeborene geistig oder körperlich schwer geschädigt sein wird.
Manchmal stirbt das Kind nicht
Eingeleitet wird die Abtreibung - so der Wiener Gynäkologe Peter Husslein - durch die Gabe sehr starker Wehenmittel, "in der Hoffnung, dass der Fötus daran stirbt".

Das sei - wenn man genau darüber nachdenkt - ein qualvolles, stundenlanges Sterben. Gelegentlich sei der Foetus aber nicht gestorben und lebend auf die Welt gekommen - "was eine entsetzliche Situation ist, für alle Beteiligten".
Recht auf Leben nach der Geburt
Husslein verweist auf die juristische Problematik, weil ab der Geburt das volle Lebensrecht des Kindes gilt und alles gemacht werden muss, um das Kind zu reanimieren. "Eine Groteske. Denn an sich wurde der Abbruch gemacht, damit das Kind umkommt."
Grausamer, langsamer Tod
Die Situation sei belastend für die Eltern, aber auch für die Ärzte, meinte Peter Husslein im ORF-Radio: "Letztlich ist es grausam, wenn man das Kind einfach sterben lässt, und zwar langsam - an Sauerstoffmangel."
Entlastende Spritze ins Herz
Daher ist man in anderen europäischen Ländern wie England oder Deutschland dazu übergegangen, das Kind vorher zu töten, indem man eine muskellähmende Substanz in das Herz spritzt. Man habe daher in der Vergangenheit so manche Frau zu dieser Form des Schwangerschaftsabbruchs ins Ausland geschickt, so Peter Husslein.
Erspart qualvolles Sterben
In Österreich haben sich Anfang dieses Jahres Frauenärzte, Vorgeburtsdiagnostiker, Ethiker und Juristen in einem Symposium mit dieser Form des Schwangerschaftsabbruches auseinandergesetzt, erzählte Husslein.

Es sei klar herausgekommen, dass die Praxis, die in Deutschland und in England gehandhabt wird, nämlich dass man das Kind vorher im Mutterleib tötet, dem Kind ein qualvollen Sterben erspare.
"Aus Feigheit ins Ausland"
Kurz nach diesem Symposium wurde in der Privatordination von Peter Husslein ein solcher "Fetozid" durchgeführt. Am Wiener AKH wurde dann die Totgeburt eingeleitet: "Ich habe gefunden, dass es unehrlich ist, sich intellektuell zu einer Sache zu stellen und anschließend dann aus Feigheit die Patienten irgendwohin ins Ausland zu verschicken."
Meldung an Behörde
Er habe jedenfalls vor dem Fetozid eine Zweitmeinung eines englischen Kollegen eingeholt, so Husslein. Das, aber auch genaue Dokumentation, eventuell mit Meldung an die Gesundheitsbehörde sollte - so Peter Husslein - verpflichtend für solche Eingriffe werden. So könne einer schrankenlosen Anwendung entgegengewirkt werden.
Dokumentation und Diagnose
Darüber hinaus sei zu überlegen, solche Spätabbrüche nur in Spezialkliniken durchzuführen - um eben bessere Dokumentation und Transparenz zu gewährleisten. Und man müsse sich mehr als bisher bemühen, schwere Behinderungen so früh wie möglich, am besten in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten, zu diagnostizieren. Die entsprechenden Untersuchungsmethoden gibt es - nur müssen sie auch angewandt werden.
Ministerstellungnahme ausständig
Neben dem von Peter Husslein initiierten Symposium wurde im Gesundheitsministerium ein Arbeitskreis zur Aufarbeitung dieser Problematik eingerichtet.

Der Bericht der Experten ist an sich fertig gestellt, doch war von Gesundheitsminister Herbert Haupt (FPÖ) trotz mehrmaliger Versuche keine Stellungnahme dazu zu bekommen, welche Konsequenzen aus dem Bericht gezogen werden, wie späte Schwangerschaftsabbrüche in Zukunft in Österreich durchgeführt werden, und ob man sich auch bei uns in Zukunft zum Fetozid entscheiden wird.

Eveline Schütz, Ö1-Wissenschaft
->   Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Uni Wien
->   BM für soziale Sicherheit und Generationen (Gesundheitsministerium)
 
 
 
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01.01.2010