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Herz-Bypass: Arterienströmung entscheidend  
  Untersuchungen eines Grazer Mathematikers in einem vom Wissenschaftsfonds (FWF) geförderten Forschungsprojekt an Blutgefäßen ergaben nun wichtige Hinweise für die Herstellung eines Bypasses.  
Karl Perktold vom Institut für Mathematik an der TU Graz konnte zusammen mit seinem Forschungsteam durch die realistische mathematische Modellierung und Simulation des Blutstroms verschiedene Strömungsmuster zeigen und Einflüsse auf Grund der geometrischen Strukturen von Arterien nachweisen.

"Wir konnten zeigen, dass die lokale Arterienkrümmung die Belastung der Zellschicht beeinflusst", erläutert der Mathematiker das Projekt. Außerdem konnten wir entgegen den bisherigen Erwartungen feststellen, dass die Dynamik der Krümmungsänderung nur geringen Einfluss auf eventuelle Gefäßveränderungen hat."
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Störende Strömungen
Im menschlichen Blutkreislauf treten Strömungsbedingungen auf, die zu unangenehmen Folgen wie Arteriosklerose und Thrombosen beitragen können. Dabei ist besonders das sogenannte "Endothelium" - die Arterie auskleidende Zellschicht - infolge der Blutströmung schweren Belastungen ausgesetzt. Diese Belastungen scheinen das Auftreten von Verdickungen an der Arterienwand zu beeinflussen. Wissenschaftler beschäftigen sich daher intensiv mit der Analyse der arteriellen Strömungsformen und ihres möglichen Einflusses auf die Entstehung von krankhaften Gefäßveränderungen.
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Erste Hinweise vor zwei Jahren
Bereits vor zwei Jahren fand das Grazer Team in Zusammenarbeit mit internationalen Physiologen, Medizinern, Physikern und Bioingenieuren heraus, dass es - nach den Erkenntnissen aus dem Computermodell - im menschlichen Blutkreislauf kritische Zonen gibt, bei denen es bevorzugt zu krankhaften Verdickungen der Arterienwand kommt.

Die Wissenschaftler stellten fest, dass besonders im Bereich von Verzweigungen Wirbelbildungen und Zonen auftreten, in denen die Reibung zwischen Blutstrom und Arterienwand sehr gering ist. An diesen Stellen löst sich das Blut immer wieder von der Gefäßwand. Dadurch entstehen gefährliche "Ruhezonen", in denen sich Partikel längere Zeit aufhalten und festsetzen können. Damit ist der Grundstein für Arteriosklerose und Thrombosen gelegt.
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Korrekte Modellierung als Ziel
Um das Modell für die Berechnungen am Computer möglichst naturgetreu gestalten zu können, wurden Arterien-Verzweigungen in Wachs gegossen, präzise vermessen, und digitalisiert. Durch die Lösung komplizierter Systeme gekoppelter partieller
Differenzialgleichungen berechneten die Wissenschaftler am Computer das naturgetreue Abbild von dynamisch bewegten Arterienverzweigungen und die zugehörigen Strömungsvorgänge und Massetransportprozesse. Die strömungsmechanischen Berechnungen zeigten, dass das Blut besonders bei stumpfwinkeligen Gefäßverzweigungen dazu tendiert, sich von der Wand abzulösen. Für die Mediziner bedeutet diese Erkenntnis vor allem einen wichtigen Hinweis bei der Herstellung von Bypässen. "Um eine Langzeitfunktion zu erreichen, sollten Bypässe eher 'spitz' verzweigt sein", resümiert der Grazer Mathematiker die Analyseergebnisse.
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Hämodynamik von großem Interesse
Die mathematische Analyse der "Hämodynamik" und der Transportvorgänge in den Gefäßen ist von großem Interesse für das Grundverständnis physiologischer und pathophysiologischer Phänomene und Prozesse, die in der Vergangenheit meist nur unter biochemischen Gesichtspunkten betrachtet wurden.

Den Ansatz für die Forschungsarbeit von Perktold und seiner Forschungsgruppe "Numerische Methoden in der Biomechanik" bildet die Bedeutung der Strömungseffekte und des Massetransports in großen Arterien für die Entstehung und Entwicklung krankhafter Gefäßveränderungen.

Die grundlegenden Erkenntnisse des Grazer Teams sind ein kleiner Mosaikstein in der Abgrenzung der strömungsdynamischen Faktoren bei der Entstehung von krankhaften Verdickungen an der Arterienwand, wie der Arteriosklerose oder der Thrombose. Bis es zu einer klinischen Umsetzung kommen kann, sind allerdings noch intensive Forschungsarbeiten notwendig.
->   Biofluid Mechanics Research Group
->   Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF)
 
 
 
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01.01.2010