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Zum 100. Geburtstag von Günther Anders  
  Als Schriftsteller und Philosoph hat Günther Anders die Bedrohungen der Gegenwart ins Zentrum seines Denkens gerückt. Als unerbittlicher Moralist und politischer Warner kämpfte er stets dagegen an. Mit seinem Hauptwerk "Die Antiquiertheit des Menschen" ist er zu einem der wichtigsten Denker des 20. Jahrhunderts geworden. Am Freitag wäre Günther Anders 100 Jahre alt geworden.  
Die Denkwelt des Günther Anders scheint düster: Der Mensch ist zum Objekt seiner technologischen Fähigkeiten geworden und steuert auf eine Apokalypse zu, die er nicht als solche erkennt.
"Die Antiquiertheit des Menschen"
Atomkraft, Technik- und Zivilisationskritik, Totalitarismus - in vielen Aspekten erscheint Anders' Hauptschrift, deren erster Band 1956 erschien, heute prophetisch.

In persönlicher Sorge um den Zustand des Menschlichen kreiste er in seiner radikalen Analyse des Menschen im Atomzeitalter um die drei Hauptthesen: "Dass wir der Perfektion unserer Produkte nicht gewachsen sind; dass wir mehr herstellen als vorstellen und verantworten können; und dass wir glauben, das, was wir können, auch zu dürfen".

Wurde ihm zu seiner Zeit Kulturpessimismus und Nihilismus vorgeworfen, so fordern heute Kollegen wie der österreichische Philosoph Konrad Paul Liessmann die "Wiederentdeckung" des unorthodoxen Denkers.
->   science.ORF.at: Wiederentdeckung von Günther Anders gefordert
Anders' Medienkritik bis heute aktuell
Auch in den Anliegen der Globalisierungsgegner und in heutiger Medienkritik findet sich vieles, was Anders vor fast 50 Jahren vorweggenommen hat. Für ihn gehörte das Fernsehen zu jenen Technologien, die den Menschen längst überholt haben.

Besorgt von jenem Auseinanderklaffen zwischen technischem Vermögen und Erkenntnisfähigkeit, das in seinen Augen die Gegenwart charakterisiert, hält er fest, dass "sich die Leistungen unserer Herzen: unsere Hemmungen, unsere Ängste, unsere Vorsorge, unsere Reue im umgekehrten Verhältnis zum Ausmaß unserer Taten entwickeln".
Unerbittlicher Moralist
Die Menschen im Atomzeitalter sind in seinen Augen "die inhumansten Wesen, die es je gegeben hat". Als unerbittlicher Moralist erhebt er neben dem intellektuell-technologischen Vermögen des Menschen dessen Empfindungen zum Maßstab.

Für Anders liegt "die heute entscheidende moralische Aufgabe in der Ausbildung der moralischen Phantasie" als einzige Möglichkeit, das Gefälle zwischen Zerstörungspotential und Fühlen auszugleichen.

Anders entwickelte seine philosophischen Positionen aus dem eigenen Erleben, seine Forderungen aus vehement humanistischer Überzeugung.
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Biographie
Günther Anders wurde am 12. Juli 1902 in Breslau als Sohn des jüdischen Psychologenpaares Clara und William Stern geboren, die mit der Schrift "Psychologie der frühen Kindheit" ein Standardwerk verfasst haben. Der junge Günther Stern, der sich als Journalist das Pseudonym Anders zulegt, erkennt früh die Bedrohung durch Hitler und beschreibt sie in seinem Roman "die molussische Katakombe". 1933 flieht er nach Paris und emigriert 1936 nach Amerika, wo er sich als Fabrikarbeiter durchschlägt.

1950 kehrt er nach Europa zurück und lässt sich in Wien nieder, wo er nach der gescheiterten Ehe mit Hannah Arendt die Journalistin und Schriftstellerin Elisabeth Freundlich heiratet.
Am 17. Dezember 1992 stirbt Günther Anders in einem Pflegeheim in Wien an Herzversagen
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Radikaler Antifaschist und antitotalitärer Denker
Neben der Erfahrung des Holocaust, die ihn zum radikalen Antifaschisten und antitotalitären Denker macht, wird der Abwurf der Atombombe über Hiroshima und Nagasaki zum zweiten Schlüsselerlebnis.

Weit abseits vom Elfenbeinturm wollte er seine Schriften als Kampfschriften verstanden wissen und forderte den amerikanischen Präsidenten Kennedy ebenso zum offenen Streit wie den Atombomben-Piloten Claude Etherly.
Stets aktiv und präsent, wo Parteinahme notwendig schien
1936 nach Amerika emigriert kehrte Anders 1950 nach Europa zurück, wo er stets dort aktiv und präsent war, wo ihm Parteinahme notwendig schien.

Er wurde zur moralischen Instanz und zum Vordenker der Anti-Atom-Bewegung, saß in der Jury des "Russell-Tibunals" gegen den Vietnamkrieg und gehörte der Jury auch an, als 1978 über die Verwirklichung der Menschenrechte in der damaligen Bundesrepublik Deutschland befunden wurde.
Philosophische Schriften und zahlreiche Erzählungen
Neben seinen philosophischen Schriften verfasste Anders zahlreiche Erzählungen, Fabeln und Lyrik. In Tagebuchaufzeichnungen schildert er unter anderem Begegnungen und Gespräche mit Bert Brecht, Theodor W. Adorno.
->   Günther Anders Forum
->   science.ORF.at: Arendt und Anders - Über Täter ohne Gewissen
 
 
 
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01.01.2010