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Analyse des Universitätsgesetzes 2002  
  Das vom Parlament verabschiedete neue Universitätsgesetz wird Österreichs Bildungslandschaft nachhaltig verändern. Soviel steht fest, und wird von Kritikern wie Befürwortern nicht bestritten. Uneinigkeit herrscht allerdings darüber, wohin der Weg der vollrechtsfähigen Unis führen wird. Der Ö1-Wissenschaftsredakteur Martin Haidinger analysiert das neue UG.  
So oder so ein Jahrhundertwerk
Man kann dieses Universitätsgesetz mögen oder nicht: Ein Jahrhundertwerk ist es auf jeden Fall. Denn nach Jahrhunderten, da die Hohen Schulen von einem Ministerium oder zumindest staatlichen Stellen direkt gesteuert wurden, werden sie jetzt formell in eine Selbständigkeit entlassen, die ihnen den Charakter von unternehmensähnlichen Kompetenz- Forschungs- und Wissenszentren verleihen soll.
->   Nationalrat beschließt das Universitätsgesetz 2002
Gut ausgebildete Akademiker statt Rohstoffe
Freilich: Ganz zieht sich der Staat nicht von ihnen zurück. Er gibt alle drei Jahre Geld in Form eines so genannten Globalbudgets und erwartet gewisse Gegenleistungen, als da sind: zum einen Qualitätsstandards der Lehre und Forschung, die in Leistungsvereinbarungen niedergeschrieben werden, und damit - zweitens - einen Beitrag zur Volkswirtschaft leisten, die künftig von einer Wissensgesellschaft zehren wird müssen.

Denn Österreich kann als rohstoffarmes Land im internationalen Wettbewerb nur mit gut ausgebildeten Akademikern bestehen. Ob die reformierten Universitäten solche Spitzenkräfte hervorbringen werden, daran scheiden sich unter den Kritikern die Geister.
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->   Dokumente zur Universitätenreform (Bildungsministerium)
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Kommen die Professoren noch zum Forschen?
Manche erwarten sich von straff geführten Universitäten bessere, aber vor allem quantifizierbar mehr Leistungen.

Ob Professoren, die künftig noch mehr Aufgaben in Verwaltung, Management, Marketing und Public relations übernehmen müssen - denn man ist ja jetzt so etwas wie ein Betrieb -, ob diese Uni-Lehrer dann noch zum Forschen kommen werden, ist für manche fraglich.
Was wird aus Geistes- und Sozialwissenschaften?
Gänzlich ungeklärt ist auch, wie die Zukunft jener Forschungszweige aussehen wird, die im Kleinbetriebsland Österreich nicht das Interesse der Industrie finden. Geistes- und Sozialwissenschaften dürften hierzulande kaum eine Lobby finden, auch wenn sie wichtige Grundlagen für den Bildungsstandort Österreich liefern.

Ein Netz von kultur- und wissensbeflissenen privaten Großsponsoren, wie es sie in den USA und in Großbritannien gibt, existiert in Österreich nicht einmal in Ansätzen. Hier wird der Staat in irgendeiner Weise helfend einspringen müssen - ob das jetzt im Gesetz steht oder nicht.
Zufrieden: Industrie, ÖVP, FPÖ
Zufrieden mit dem Gesetz sind Industrie und Wirtschaftskammer: Sie rechnen mit in Kurzstudien zügig und zielgerichtet ausgebildeten Bakkalaureatsstudenten, die als dreiundzwanzigjährige Akademiker direkt in die Betriebe gehen.

Die ÖVP freut sich über die gelungene Dezentralisierung der Universitäten, die sich künftig wohl mehr mit den Ländern und regionalen Wirtschaftszweigen auseinandersetzen werden.

Zufrieden sind auch die Freiheitlichen, die unter anderem ihr Lieblingsprojekt, die eigenständigen Medizin-Unis verwirklicht haben.
SPÖ in Zwickmühle
In einer Zwickmühle ist die SPÖ, denn das meiste, was da jetzt umgesetzt wird, stand schon in den Abmachungspapieren der rot-schwarzen Koalition. Trotzdem muss die große Oppositionspartei gegen das Gesetz argumentieren.

Dass die SPÖ wirklich die Studienbeiträge abschaffen wird, wenn sie wieder an die Regierung kommt, gilt den meisten realistischen Bobachtern indessen als unwahrscheinlich. Die Grünen schließlich konnten mit keinem wirksamen Alternativkonzept zu der Regierungsvorlage punkten.
Angst des Mittelbaus vor dem Verschwinden
An den Unis selbst fürchten am meisten die Assistenten und Dozenten, der so genannte akademische Mittelbau, um ihre Zukunft. Mittelfristig könnte diese Form von Uni-Lehrer zugunsten von Professoren auf Zeit verschwinden, meinen vor allem regierungsnahe Beobachter.

Dass die akademische Freiheit in einer von Wirtschaftszwängen geleiteten Uni-Landschaft ebenso verschwinden könnte, das fürchten wiederum oppositionelle Kritiker.
Nützliche Universitäten - wie auch immer
Wichtig werden an den neuen Unis die zu Managern mutierten Rektoren und ihre Teams und der von außen bestellte Universitätsrat sein. Die alten Gremien, der Senat und die schon jetzt von immer weniger Studenten mit Wahlbeteiligung bedachte Hochschülerschaft werden an Bedeutung verlieren.

Diese Universitätsreform schafft - wie auch immer - nützliche Universitäten.

Martin Haidinger, Ö1-Wissenschaft
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->   science.ORF.at-Archiv zur Uni-Reform
 
 
 
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01.01.2010