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US-Politologe: Pro und Contra der Biotechnologie  
  Die Möglichkeiten der Biotechnologie werden sehr unterschiedlich bewertet. Der US-Politologe Francis Fukuyama hält es in seinem neuen Buch für nötig, dass eine Polarisierung zu Gunsten praktischer Fragen überwunden wird.  
"Beide Ansätze, eine vollkommen duldsame Haltung gegenüber biotechnologischen Entwicklungen und der Versuch, weite Bereiche zukünftiger Technologien zu verbieten, führen in die Irre und sind unrealistisch", schreibt er.
Was tun im "posthumanen Stadium"?
Er versucht in seinem Buch "Das Ende des Menschen", zum einen zu zeigen, wie die Biotechnologie "die Natur des Menschen" umzugestalten drohe, ja uns dahin bringen könnte, "unser Menschsein zu verlieren".

Und wie sie uns damit in ein "posthumanes" Stadium der Geschichte führen würde. Zum anderen widmet er sich dem praktischen Problem, wie jener Gefahr begegnet werden kann. "Was tun?" ist dieser Teil seiner konstruktiven Analyse überschrieben.
Teufelspakt Biotechnologie
Fukuyama verweist darauf, dass die Biotechnologie im Unterschied zu vielen anderen wissenschaftlichen Fortschritten "offensichtliche Vorteile mit verdeckten Nachteilen nahtlos zu einem Ganzen verbindet". Im Blick auf gewisse mögliche Techniken spricht er auch von einem "Teufelspakt": Ein längeres Leben, aber auch verminderte geistige Fähigkeiten.

Ein Leben ohne Depressionen, aber auch ohne Kreativität und Geist. Eine Verwischung der Grenzen zwischen dem, was wir aus eigener Kraft erreichen, und dem, was wir auf Grund des Pegelstands verschiedener Chemikalien im Gehirn zu Wege bringen.
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Francis Fukuyama: Das Ende der Geschichte
Francis Fukuyama ist als Politologe bekannt. 1992 erklärte er in seinem Bestseller "Das Ende der Geschichte", dass die Weltgeschichte nach dem Fall des Kommunismus am Ziel sei: Die liberale Demokratie des Westens sei das unumstrittene Modell, nach dem Menschen überall leben wollten. Die Geschichte, nach Hegel begriffen als ständiger Kampf um Anerkennung, sei daher zu Ende.
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Staatliche Institutionen sollen überwachen
Angesichts der Herausforderung durch eine Technologie, bei der positive und negative Aspekte eng miteinander verknüpft seien, ist für den Amerikaner nur diese Reaktion angemessen: "Die Staaten müssen die Entwicklung und den Gebrauch dieser neuen Technik politisch regulieren, sie müssen Institutionen einsetzen, die zwischen jenen technologischen Fortschritten unterscheiden, die dem Menschen nützen, und jenen, die eine Bedrohung für die Würde und das Wohlergehen des Menschen bedeuten. Diese Überwachungseinrichtungen müssen zunächst die Kompetenz erhalten, ihre Entscheidungen auf nationaler Ebene durchzusetzen, schließlich müssen sie ihre Reichweite dann international ausdehnen."
Regelungsbedarf bei menschlichen Embryonen
Den wichtigsten Bedarf für Regelungen sieht er bei Praktiken, die menschliche Embryonen betreffen. So etwa Abtreibung, Klonen zu Fortpflanzungs- und Forschungszwecken, Stammzellenforschung, Befruchtung im Reagenzglas, Präimplantationsdiagnostik (PID) und Manipulation von Keimbahnen.

Seiner Meinung nach sind mit Ausnahme einiger "radikaler Liberaler" die meisten Leute dafür, dass hier Grenzen gesetzt werden. Einiges sollte nach seiner Auffassung uneingeschränkt verboten werden. Dazu gehört das Klonen mit der Absicht, ein Kind hervorzubringen.
Kontrolle bei PID
Die Präimplantationsdiagnostik (PID) wird bereits heute in einigen Ländern - nicht in Österreich - praktiziert. Dabei wird ein künstlich erzeugter Embryo vor dem Einsetzen in die Gebärmutter auf genetische Krankheiten hin getestet. Eingebracht werden nur Embryonen, die diese Erbgutveränderung nicht haben.

Die PID kann jedoch auch, schreibt der Politologe, für "weniger lobenswerte" Zwecke verwendet werden, etwa die Selektion des Geschlechts. In diesem Fall müsse man zwar das Verfahren nicht verbieten, aber Kontrolle sei unerlässlich. Es sei zwischen legitimem und illegitimem Gebrauch zu unterscheiden.
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Francis Fukuyama, "Das Ende des Menschen"
Deutsche Verlags- Anstalt, München, 352 S., ISBN 3421055173
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Genmanipulation: Letzte Biotech-Stufe ...
Wie der Autor konstatiert, sind wir gegenwärtig noch nicht im Stande, die menschliche Natur auf signifikante Weise umzugestalten. Aber selbst wenn die Genmanipulation, diese "letzte Stufe der Entwicklung der Biotechnologie", nicht Wirklichkeit wird, werden nach seiner Einschätzung schon die vorherigen Stufen wichtige Auswirkungen im 21. Jahrhundert haben.

Einen der Faktoren sieht er in einer weiteren wesentlichen Verlängerung des menschlichen Lebens. Einen anderen in unserem größeren Wissen über die genetische Ursachenkette, also etwa die Zusammenhänge zwischen Genen und Merkmalen wie Verhalten, Intelligenz, Gedächtnis, Kriminalität oder Homosexualität.
... wird den Menschen ändern
Fukuyama nennt hier auch die Entwicklung der Neuropharmakologie. Unter seinen Befürchtungen ist, dass diese Entwicklungen der Gesellschaft auch neue Techniken zur Kontrolle des Verhaltens ihrer Bürger an die Hand geben. Und dass sie unsere Auffassung von menschlicher Persönlichkeit und Identität verändern.

Rudolf Grimm, dpa
 
 
 
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01.01.2010