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Kaulquappen: Meister der Verwandlung  
  Kaulquappen sind bekannt dafür, ihr Wachstum hervorragend auf ihre Umgebung abstimmen zu können. Droht etwa ein Tümpel auszutrocknen, so beschleunigt sich ihre Entwicklung zur Kröte. Eine bestimmte Spezies hat aber nun eine Art Rekord in Sachen "Entwicklungsplastizität" aufgestellt.  
Die Vorläufer der Geburtshelferkröte auf Mallorca sind es, von deren Höchstleistungen die Zoologen und Biologen beeindruckt sind. Wie die Online-Ausgabe von "Science" berichtet, können die Kaulquappen innerhalb eines Monats ihre Form komplett verändern - je nachdem, ob sich Schlangen, ihre natürlichen Feinde, in ihrer Umgebung befinden - oder nicht.

Die entsprechende Studie wurde Mitte Juli bei der Jahrestagung der britischen "Society of Conservation Biology" vorgestellt.
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->   Jahrestagung der Society of Conservation Biology
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Lange Zeit für ausgestorben gehalten
Forscher hielten die Geburtshelferkröte auf Mallorca lange Zeit für ausgestorben. Als Grund dafür wurde der Erfolg ihrer Fress-Feinde angesehen: vipernartige Schlangen, die von den Römern vor 2000 Jahren auf die spanische Insel gebracht worden waren.

1980 allerdings entdeckte eine Team von Wissenschaftlern 13 Populationen der Kröte in den Bergen Mallorcas und erhielt so die Chance zu studieren, wie sie die Schlangen überleben konnten.
Gefahr macht schlank
Robin Moore, ein graduierter Student der Biologie an der Universität Kent von Canterbury, untersuchte nun, wie die Kaulquappen auf den Geruch von Schlangen reagieren.

Seine Erfahrung: In Teichen mit besonders vielen Schlangen hatten die Kaulquappen signifikant dünnere Körper und stärkere Schwänze. Dadurch, so Moore, haben sie eine bessere Chance, den Schlangen zu entkommen.

Kaulquappen hingegen, die sich in Tümpeln ohne Schlange aufhalten, haben kürzere Schwänze und dicklichere Körper.
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Geburtshelferkröte
Die Männchen und Weibchen erreichen eine Körpergröße von 55 mm. Morphologische Beschreibung: Die Oberseite ist gelblich- bis bräunlichgrau mit undeutlichen dunkleren Flecken, die Unterseite weißlich, an den Beinen rötlich.

Der Körper ist gedrungen, die Schnauze zugespitz. Pupillen stehen senkrecht, das Trommelfell ist deutlich sichtbar. Die Oberseite der Kröte ist mit kleinen rundlichen Warzen ausgestattet, die Unterseite hingegen gekörnt.

Eine Besonderheit der Geburtshelferkröte ist, dass die Männchen die Laichschnur bis zum Ende der Embryonalperiode um die Hinterbeine gewickelt mit sich herumtragen und dann die Larven ins Gewässer absetzen.
->   Mehr über die Geburtshelferkröte (inkl. Audio-Datei)
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Körperveränderung in nur vier Wochen
Bild: Robin Moore
Die dünne und die dicke Variante der Kaulquappe
Das alleine scheint noch wenig erstaunlich. Beeindruckend ist aber die Geschwindigkeit, mit der der Adaptionsprozess des Kaulquappen-Körpers vonstatten geht.

Als Moore eine - durch einen Korb geschützte - Schlange in einen Teich mit den dickeren Kaulquappen hängte, veränderten sich diese innerhalb von nur vier Wochen in die - weniger risikoreiche - Stromlinienform. Obwohl von der Schlange keine reale Gefahr ausging, reichte den Kaulquappen also bereits der Geruch der drohenden Gefahr für ihre Körperveränderung.

Und als der Korb mit der Schlange wieder entfernt wurde, entwickelten sich sie sich im gleichen Tempo wieder in ihre dickleibige Ursprungsform zurück.
Älterer evolutionärer Trick
Marc Hero, ein Ökologe der Griffith Universität in Queensland, Australien, hält das Verhalten der Kaulquappen für ein wunderbares Beispiel von Entwicklungsplastizität. Die schmälere Körperform entsprechen jener, die auch bei Kaulquappen in Flüssen zu finden ist, wo es auf bessere Schwimmqualitäten als in ruhendem Gewässer ankommt.

Möglicherweise haben sie diesen Adaptionstrick also auch während der Regenzeiten gelernt, als sich Teiche in fließendes Gewässer verwandelte. Als die Schlangen mit den Römern nach Mallorca kamen, besaßen sie auf diese Weise vielleicht schon eine evolutionäre Gegenstrategie, so seine Spekulation in der Online-Ausgabe von "Science".
->   Science Now
 
 
 
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01.01.2010