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Wachstumsfaktoren sollen Taubheit bekämpfen  
  Wissenschaftler arbeiten daran, Gehörslose nur mithilfe von Medikamenten wieder hörend zu machen. Das künftige Wundermittel gegen Taubheit sind spezielle Wachstumsfaktoren - körpereigene Substanzen, die das Gehör reifen lassen.  
Ein erster Schritt in diese Zukunft soll die Kombination von elektronischen Innenohrimplantaten - so genannte Cochlea-Implantate - und Wachstumsfaktoren sein.

Noch sind Wachstumsfaktoren für den therapeutischen Einsatz im Gehör nicht zugelassen. Das Wissen um diese Stoffe vervielfacht sich aber ständig und in wenigen Jahren soll die Zulassung bereits möglich sein.
Rolle der Wachstumsfaktoren beim Hören
Bei einem gesunden und intakten Ohr bilden sich durch das aktive Hören und Zuordnen von Geräuschen so genannte Wachstumsfaktoren. Das sind multifunktionale Botenstoffe mit einer komplexen Wirkungsweise.

Der aktive Hörprozess beginnt etwa ab dem zweiten Lebensmonat. Erst damit werden Spracherwerb und kognitive Entwicklung eines kleinen Kindes möglich.
Cochlea-Implantat - direkter Draht zum Gehirn
Bisher können sowohl gehörlose Kinder als auch Erwachsene mit Cochlea-Implantaten versorgt werden. Durch Elektroden, die in die Gehörschnecke verlegt werden, werden Geräusche in elektrische Signale umgewandelt und ans Gehirn weitergeleitet. Durch dieses elektronisch stimulierte Hören entwickeln sich zwar Wachstumsfaktoren, die kleinen Patienten haben aber viel aufzuholen.
Erster Schritt: Kombination von Implantat und Medikament
Damit wollen sich die Forscher nicht zufrieden geben. Etappenziel ist es, den jüngsten Patienten unter den Gehörlosen mit einer Kombination von Cochlea-Implantaten und Wachstumsfaktoren eine optimale Entwicklung zu ermöglichen. Aber auch älteren, spät-ertaubten Menschen kann damit besser geholfen werden.
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Das Gehör ist unzugänglich
Bisher war es allerdings nicht möglich, Medikamente direkt an den Ort im Gehör zu befördern, wo sie gebraucht werden. Für einen herkömmlichen medikamentösen Eingriff mit Tablette oder Injektion ist das Innere der Gehörschnecke völlig unzugänglich.

Das Zentrum mit seinen unzähligen Nervenenden und dem direkten Draht zum Gehirn ist durch die so genannte Blut-Hirnschranke biologisch besonders gut geschützt.
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Mikropumpe transportiert Wachstumsfaktoren
Eine Lösung für die pharmakologische Anwendung von Wachstumsfaktoren bei Gehörlosen wurde nun am Wiener AKH getestet: Während einer Cochlea-Implantation an einem etwa eineinhalb jährigen Buben wurde ein neu entwickeltes Gerät - eine so genannte Mikropumpe - versuchsweise angepasst und vermessen.

Durch diese Mikropumpe gelingt es, Wachstumsfaktoren direkt in das Innere der Gehörschnecke zu bringen. Auf diese Art und Weise kann die Blut-Hirnschranke überwunden werden.

Das Schädelwachstum eines Kindes ist so geringfügig in diesem Bereich, so dass die Implantate kein Problem darstellen.
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Genug Platz auf kleinstem Raum
Der mikrochirurgische Einsatz findet auf einem etwa zwei Quadratzentimeter kleinen Areal hinter dem äußeren Gehörgang im Innenohrbereich statt. Die Gehörschnecke, in die sowohl die Cochlea-Elektrode als auch das Röhrchen der Mikropumpe eingefädelt werden, verjüngt sich auf weniger als einen Millimeter.

"Trotz der geringen Platzverhältnisse gelingt die Kombination beider Geräte. Das heißt, es gibt in Zukunft auch die Möglichkeit Wachstumsfaktoren wirklich dorthin zu bringen, wo sie gebraucht werden", sagt Wolf-Dieter Baumgartner von der Universitätsklinik für HNO am AKH Wien.
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Fernziel: Heilen ohne Chirurgie
"Das Fernziel an sich ist es, die Chirurgie als solche überflüssig zu machen", so Baumgartner. "Bis dahin ist es aber durchaus ein weiter Weg. Ziel wäre es, möglicherweise die Cochlea-Implantate überflüssig zu machen. Ich brauche, um einen Gehörlosen Menschen hörend zu machen, keine Operation mehr, sondern es würden die entsprechenden Wachstumsfaktoren oder Proteine zur Selbstregeneration genügen."

Martina Schmidt, Modern Times
->   Österreichische Gesellschaft für implantierbare Hörhilfen
->   Cochlear-Implantate
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01.01.2010