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Immun gegen Masern mittels "Gemüse-Impfung"  
  Traditionelle Auffrischungsimpfungen könnten schon bald der Vergangenheit angehören - und durch den Verzehr von gentechnisch modifiziertem Gemüse ersetzt werden. Erste Vorstufen solcher oralen Impfungen wurden nun mit Erfolg an Mäusen getestet. Australische Immunologen unterzogen die Nager einer so genannten DNA-Vakzinierung gegen Masern. Die Auffrischung der Immunisierung erfolgte auf durchaus unkonventionelle Weise: Die Mäuse verzehrten Gentech-Tabak und entwickelten dadurch eine ausreichende Resistenz gegen weitere Infektionen.  
Wie eine Arbeitsgruppe um den Virologen Steve L. Wesselingh vom Macfarlane Burnet Institute for Medical Research and Public Health in Melbourne, Australien, belegen konnte, gibt es eine vielversprechende Alternative zu herkömmlichen Impfstrategien: DNA-Vakzinierungen und Wiederholungsimpfungen über die Nahrung.

Diese Methode hätte den Vorteil, dass dadurch auch Entwicklungsländer in den Genuss großflächiger Immunisierungen gelangen könnten. Denn sie benötigt - im Gegensatz zur bisherigen Strategie - weder medizinisches Personal noch aufwendige Kühlketten für die Medikamente.
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"Successful Boosting of a DNA Measles Immunization"
Die Arbeit " Successful Boosting of a DNA Measles Immunization with an Oral Plant-Derived Measles Virus Vaccine" von Steve L. Wesselingh, Diane E. Webster und Mitarbeitern erscheint in der August-Ausgabe des "Journal of Virology" (Vol. 76, Nr. 15), auf den Seiten 7910-7912.
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Neue Bekämpfungsform der Masern
Die von Steve L. Wesselingh und seinen Mitarbeitern publizierte Studie könnte einen ersten Schritt zur Entwicklung einer Art Schluckimpfung gegen Masern darstellen.

Das Masern-Virus ist einer der ansteckendsten der am Menschen parasitierenden Erreger. Weltweit fallen ihm etwa eine Million Menschen pro Jahr zum Opfer. Die mit Abstand am stärksten betroffene Gruppe sind Kinder vom afrikanischen Kontinent.
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Masern
Die Masern werden durch das Masernvirus (so genannte Paramyxoviren) hervorgerufen. Hierbei handelt es sich um eine ansteckende, bisweilen epidemische Infektionskrankheit des Menschen, die meist zwischen dem 5. und 7. Lebensjahr auftritt.

Die Infektion erfolgt durch Tröpfchen, die Inkubationszeit beträgt acht bis 14 Tage. Impfungen (im immunologischen Jargon auch "Vakzinierungen" genannt) erfolgen sowohl mit Aktiv- als auch Passivimpfstoffen. Von den ca. 42 Millionen Masernerkrankungen weltweit pro Jahr verlaufen noch über eine Million tödlich.

Da das Masernvirus dauerhaft nur im Menschen überleben kann, würden flächendeckende Impfprogramme zur Ausrottung des Virus führen. Die WHO hat sich die Ausrottung des Masernvirus zum Ziel gesetzt, allerdings stehen die weltweit unterschiedlichen Impfbeteiligungen dem Erreichen dieses Ziels entgegen.
->   Mehr zum Thema Masern
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Fehlende Infrastruktur in Entwicklungsländern
Klassische Impfstrategien sind mit relativ großem Aufwand verbunden. Zum einen braucht man medizinisch ausgebildetes Personal, zum anderen eine ununterbrochene Kühlkette zur Lagerung von Medikamenten. Beide Vorbedingungen sind in Entwicklungsländern - zumal in Gegenden ohne Stromversorgung - Mangelware.

Dieses Problem könnte eine "Gemüse-Impfung", so sie auch am Menschen durchgeführt würde, lösen: "Angenommen, wir wollten 90 Prozent der afrikanischen Bevölkerung impfen", erklärt Steve Wesselingh, "dann wäre aus logistischer Sicht ein oraler Impfstoff viel sinnvoller".
Schritt 1: DNA-Vakzinierung
Die australischen Forscher injizierten Mäusen zunächst ein so genanntes DNA-Vakzin. Dieses veranlasste die Muskelzellen der Nager, ein virales Protein an deren Oberfläche zu produzieren. Dies stimulierte wiederum das Immunsystem der Tiere zur Herstellung von Antikörpern gegen eben jene Proteine.
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DNA-Vakzinierung
Die Grundidee hinter jeder Aktiv-Impfung besteht in der Tatsache, dass das Immunsystem des Menschen auf körperfremde Moleküle bzw. Organismen (neben anderen Reaktionen) mit einer so genannten spezifischen Immunantwort reagiert. Dies bedeutet, dass Antikörper gegen die Fremdkörper gebildet werden, was zu deren Entfernung führt.

Typischerweise werden bei Aktiv-Impfungen Proteine bzw. Proteinbestandteile als stimulierende Moleküle verwendet. Bei DNA-Vakzinierungen (auch "genetische Immunisierung" genannt) wird nur genetisches Material des Erregers injiziert, woraufhin das betroffene Gewebe das fremde Protein selbst herstellt.
->   Mehr zum Thema Impfungen und DNA-Vakzinierung
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Schritt 2: Pflanzensaft statt Spritze
21 bis 90 Tage nach der ersten Injektion fütterten die Forscher die Mäuse mit Pflanzensaft, der ebenfalls das virale Protein der vorangehenden Impfung enthielt. Der Extrakt war zuvor aus gentechnisch modifizierten Tabakpflanzen gewonnen worden, die Masern-Proteine in ihren Zellen herstellten.
Ergebnis: Immunität der Mäuse ...
Die Mäuse hatten nach dieser Behandlung signifikant mehr Antikörper in ihrem Körper als jene, die mit naturbelassenem Tabaksaft gefüttert worden waren. Die Kombination von DNA-Vakzinierung und "Schluckimpfung" führte schließlich zu so hohen Antikörper-Werten, dass sie selbst beim Menschen zu einer Immunität gegen Masern führen würden.
... und beim Menschen?
Gregory Poland, Director der Mayo Vaccine Research Group in Rochester, Minnesota, bremst allerdings vorschnelle Euphorie ob dieses Resultats: "Nicht alles, was in Mäusen funktioniert, gilt auch für den Menschen."

Doch immerhin meint auch er, dass die australischen Forscher am richtigen Weg seien: "Die Studie beweist, dass so etwas im Prinzip funktioniert."
Zukunft: Salat und Reis
Um zu einer anwendungsfähigen Impfung zu gelangen, haben die australischen Immunologen auch schon Salat und Reis der selben gentechnischen Behandlung unterzogen. Denn diese wären auch als Nahrung für Kinder geeignet. Die nächsten Tests der neuen Impfstrategie sollen nun an Makakken oder Pavianen erprobt werden.
->   Burnet Institute for Medical Research
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01.01.2010