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YOUNG SCIENCE: Die Dialektdatenbank Österreich  
  Dass oft kritisch betrachtete lexikalische Jahrhundertprojekte keineswegs verstaubt sein müssen, zeigt die "Datenbank der bairischen Mundarten in Österreich" (DBÖ). Seit 1993 wird am Institut für Österreichische Dialekt- und Namenlexika eine Datenbank zu den österreichischen Dialekten aufgebaut, die auf einer umfassenden Sammlung basiert. Die Germanistin Eveline Wandl-Vogt stellt das Projekt in der science.ORF.at-Serie "YOUNG SCIENCE" vor.  
Zwischen Tradition und Fortschritt
Von Eveline Wandl-Vogt

Vom 1911 an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien beschlossenen Projekt des Wörterbuchs der bairischen Mundarten in Österreich (WBÖ) bis zur Datenbank der bairischen Mundarten in Österreich (DBÖ), kurz auch: Dialektdatenbank Österreich, ist es - nicht nur zeitlich - ein weiter Weg.
->   Young Science: Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich:
Die Digitalisierung, die 1993 unter dem Blickwinkel der Beschleunigung der Wörterbucharbeit begonnen wurde, soll 2006/07 abgeschlossen sein. 8 DatatypistInnen sind derzeit mit der Digitalisierung der Einzelbelege betraut. Rund die Hälfte des Gesamtmaterials steht in unterschiedlichen Bearbeitungsstufen elektronisch zur Verfügung.

Konzept und Realisierung der DBÖ sowie die Programmierung aller für die Er- und Bearbeitung nötigen Anwendungen im Tübinger System von Textverarbeitungsprogrammen (TUSTEP) liegen im Aufgabenbereich der wissenschaftlichen Mitarbeiter/Innen des Instituts.
->   TUSTEP - Tübinger System von Textverarbeitungsprogrammen
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Das WBÖ und die DBÖ - zwei ungleiche Schwestern?
Die DBÖ ist konzipiert als Basis- und Informationsdatei für die Ausarbeitung der WBÖ-Artikel. Im gedruckten WBÖ wird ab Band 5 (= Lieferung 33ff.) auf die Datenbank verwiesen, wenn das Belegmaterial zu Brauchtum, Volkskunde, Volksglaube, sachlicher Verwendung und Beschreibung nicht ausführlich dargestellt werden kann. Gleiches gilt, wenn Abbildungen und historische und/oder literarische Belege, die in das Druckwerk nicht entsprechend einfließen können, in nennenswerter Qualität und/oder Quantität in der Bilddatenbank bzw. dem Textkorpus zum WBÖ abgespeichert sind.
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Die DBÖ als Belegarchiv
Die DBÖ besteht aus mehreren verknüpften bzw. verknüpfbaren Einzeldatenbanken. Die Belegdatenbank im engeren Sinne ist das Herzstück der DBÖ. Eine spezielle angegliederte und damit verknüpfbare Datenbank ist die Pflanzennamendatenbank. In dieser werden mundartliche Synonyme für lateinische Pflanzennamen digitalisiert.

Als erweiterte Belegdatenbank ist das Textkorpus zum WBÖ anzusprechen. Das Textkorpus - bestehend aus Primärtext- und Sekundärtextkorpus sowie digitalem WBÖ (derzeit nur für die interne Artikelarbeit aufbereitet) - ist ein umfassendes, aus rund 90 österreichischen Texten bestehendes digitales Belegarchiv, das für die programmgestützte Volltextrecherche zur Verfügung steht.

In der Bilddatenbank, die der Belegdatenbank angegliedert ist, werden jene Belege, auf denen der Sammler / die Sammlerin eine Skizze oder Abbildung zur Bedeutungserklärung angefertigt hat, als Bilddokumente abgespeichert.

 


Beispiel für eine Datei aus der Bilddatenbank: Die allgemeine Bedeutungsangabe im Wörterbuch ("Gepflasterter Weg, Gang an der Hauswand" WBÖ 5,404), kann mit Hilfe des Bildbelegs aus der Sprachinsel Brünn bei Interesse näher spezifiziert werden als "Gang mit Pfeilerbogen vor den Stallungen".
Die DBÖ als Dokumentationsarchiv
Eine Reihe von sogenannten Quelldatenbanken bildet die Basis des Dokumentationsarchivs der DBÖ und ist Grundlage der quellenkritischen Arbeit zum WBÖ. Die Verknüpfung der einzelnen Subdatenbanken mit den Belegdatenbanken ermöglicht eine umfassende Belegrecherche und unterstützt die systematische und beschleunigte Belegbearbeitung für das WBÖ.
Wo?
Orts- und Gebietsdatenbank sind Archive für Lokalisierungsfragen. Jede Lokalität, die in der Sammlung vorkommt, wird in der Ortsdatenbank erfasst, einer auf dem Ortsverzeichnis 1971 beruhenden administrativen Einheit zugeordnet und in ein in der Gebietsdatenbank abgegrenztes Mundartgebiet eingegliedert.

Die Zuordnung erfolgt über Kurzsiglen (alphanumerische Kennungen), die eine programmtechnische Sortierung der Einzelbelege nach WBÖ - Kriterien (von Westen nach Osten, vom Südbairischen zum Mittelbairischen) ermöglichen.
Was?
In der Fragebogendatenbank werden alle Fragebogen, die den Sammlern/Innen des WBÖ zur Verfügung gestanden sind, digital abgespeichert. Rund 25.000 Einzelfragen aus 109 Fragebogen wurden bisher mit einem alphanumerischen Key versehen und zu einer Kurzfrage zusammengefasst, die auch ohne Kontext verständlich ist. Key und Kurzfrage werden programmtechnisch in die Belegdatenbanken der DBÖ eingespielt.
Wer?
Die Sammlerdatenbank ist das Dokumentationsarchiv zu den Sammlern/den Sammlerinnen zum WBÖ. In dieser Datenbank kann einem Lebenslauf (und damit Lokalisierungsfragen und Verlässlichkeitsbewertungen eines Einzelbelegs) nachgegangen werden oder eine Datierungsfrage geklärt werden.

Datierung und Urheber eines Einzelbelegs gehen ebenso wie die Lokalisierung in die Sortiersigle ein. Die Literaturdatenbank schließlich ist das Belegarchiv der im WBÖ zitierten und verwendeten Literatur.
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Zu den Detailfragen
Näheres zur Datenbankkonstruktion, zum logischen Aufbau der DBÖ und den Verknüfpungen zwischen den Einzeldatenbanken s. Ingeborg Geyer: Die digitale Dialektdatenbank Österreichs (DBÖ) und das Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich (WBÖ) - online.
->   http://www.uni-tuebingen.de/zdv/zrlinfo/prot/prot781-diadb.html
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Kernstück der DBÖ
Im Zentrum der DBÖ steht die Belegdatenbank im engeren Sinne, die dem eins-zu-eins-digitalisierten Hauptkatalog (HK) entspricht, einer rund 3,6 Mio. Unikate umfassenden Belegsammlung. Jeder Belegzettel wird in der Datenbankmaske einerseits systematisiert, andererseits jedoch originalgetreu wiedergegeben.

Auf diese Weise ist sichergestellt, dass die in die DBÖ eingegebenen Belege nach unterschiedlichen Kriterien abfragbar sind und für eine weitere Abfrage möglichst offen bleiben.

 


Die Darstellungen in der Bilddatenbank entschlüsseln häufig Bedeutungen, die aus der Textbeschreibung nicht eindeutig zu erschließen sind. Der Zugang zu einzelnen Belegen - auf Grund von Schreibung (Stenographie, schwierig zu lesende Handschriften) und Ausbleichen der Tinte bzw. beginnende Auflösung des Papiers - wird durch die DBÖ ebenfalls langfristig sichergestellt.
Vom "Rohstoff" zum Werk
In der DBÖ findet der Nutzer / die Nutzerin dialektologisches "Rohmaterial", quellenkritisch aufbereitet und nach WBÖ-Richtlinien lemmatisiert. Die Daten sind programmtechnisch nach verschiedensten Gesichtspunkten sortierbar. Die Interpretation des dargebotenen Materials obliegt dem Anwender / der Anwenderin.

Derzeit bildet die DBÖ die Basis der für das WBÖ bearbeiteten Artikel. Es bleibt jedoch zu hoffen, dass das digitale Archiv darüber hinaus noch für weitere (wissenschaftliche) Arbeiten aus den verschiedensten Disziplinen genutzt werden möge.
->   Institut für Österreichische Dialekt- und Namenlexika (I DINAMLEX)
->   Universität Tübingen: Tübinger System von Textverarbeitungs-Programmen
->   International TUSTEP-User Group (ITUG)
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YOUNG SCIENCE
Mag. Eveline Wandl-Vogt
geb. 1969 in Ischgl/Paznaun, Studium: Germanistische Philologie und Geographie in Wien 10/1991-10/1998 freie Mitarbeiterin,
seither ständige Mitarbeiterin des Instituts für Österreichische Dialekt- und Namenlexika der ÖAW, Mitarbeit am "Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich (WBÖ)" und der "Datenbank der bairischen Mundarten in Österreich (DBÖ)".
Arbeitsschwerpunkte:
Dialektologie; (Dialekt-)Lexikographie; Lexikologie; Einsatz neuer Medien in Dialektologie und Lexikographie, computergestützte Lexikographie

Institut für Österreichische Dialekt- und Namenlexika
Projekt: Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich (WBÖ),Postgasse 7, 1010 Wien
E-Mail: eveline.wandl-vogt@oeaw.ac.at
Fax: 01/51581-3495
->   Institut für Österreichische Dialekt- und Namenlexika
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LITERATUR:
Werner Bauer / Erika Kühn: Vom Zettelkatalog zur Datenbank. Neue Wege der Datenverwaltung und Datenbearbeitung im "Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich". In: Beiträge zur Dialektologie des ostoberdeutschen Raumes. Referate der 6. Arbeitstagung für bayerisch-österreichische Dialektologie, 20.-24.9.1995 in Graz. Hgg. v. C. J. Hutterer und G. Pauritsch (= Göppinger Arbeiten zur Germanistik 636). Göppingen 1998: 369-382.

·Ingeborg Geyer: Die digitale Dialektdatenbank Österreichs (DBÖ) und das Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich (WBÖ). In: Protokoll des 78. Kolloquiums über die Anwendung der Elektronischen Datenverarbeitung in den Geisteswissenschaften an der Universität Tübingen vom 5. Februar 2000 (online)

Erika Kühn: Intensive Nutzung der EDV im Bereich Verwaltung und Bearbeitung des Sprachdatenmaterials beim WBÖ. In: Bedeutungserfassung und Bedeutungsbeschreibung in historischen und dialektologischen Wörterbüchern. Beiträge zu einer Arbeitstagung der deutschsprachigen Wörterbücher, Projekte an Akademien und Universitäten vom 7. bis 9. März 1996 anläßlich des 150jährigen Jubiläums der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Hgg. v. R. Grosse. Stuttgart, Leipzig 1998: 221-232.
YOUNG SCIENCE in science.ORF.at
->   Materie und Antimaterie (Teil 1)
->   Materie und Antimaterie, Teil 2
->   Zellulärer Transportmechanismus
->   Jesuitenarchitektur in Italien 1540 - 1773
->   Auf der Spur neuer Antibiotika
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->   Kein "Zwutschkerl": Bairische Mundarten in Österreich
->   Spurensuche nach slawischen Wurzeln
->   Giftigen Blaualgen in Österreichs Seen auf der Spur
->   YOUNG SCIENCE auf der Homepage der ÖAW
 
 
 
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01.01.2010