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Todesfisch verrät Geheimnisse  
  Der Kugelfisch "Fugu rupestris" ist Liebhabern von Sushi-Restaurants bekannt: Zum einen durch seine Schmackhaftigkeit, zum anderen durch seine Gefährlichkeit - seine hochgiftigen Organe müssen vor dem Verzehr minutiös entfernt werden. Molekularbiologen haben nun das Genom dieses Todesfisches sequenziert - und sind damit sowohl seinen Geheimnissen als auch jenen des menschlichen Erbgutes einen Schritt näher gekommen.  
Gleich viele Gene wie der Mensch, aber kompakter
Bei der Sequenzierung stellte sich heraus, dass Kugelfische in etwa über die gleiche Anzahl an Genen verfügen wie der Mensch, dessen Genom jedoch weit größer ist. Das liegt daran, dass das Fugu-Genom aus weit weniger "Junk-DNA" besteht als das menschliche, so ein internationales Forschungsteam unter Führung des amerikanischen Joint Genome Institute (JGI).

Somit verfügen die Fische über das kompakteste bekannte Genom aller Wirbeltiere - es hat nur etwa ein Achtel der Größe des menschlichen Genoms.
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Die Studie
Der Original-Artikel der Molekularbiologen Samuel Aparicio, Daniel Rokhsar und Kollegen wurde unter dem Titel "Whole-Genome Shotgun Assembly and Analysis of the Genome of Fugu rubripes" am 25. Juli auf der Website von "Science" publiziert.
->   Original-Artikel (kostenpflichtig)
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Gemeinsame Vorfahren vor 400 Mio. Jahren
Nach dem Menschen und der Maus ist der Kugelfisch das dritte Wirbeltier, dessen Genom komplett sequenziert wurde: Rund 400 Millionen Jahre sind vergangen, seit sich der Mensch und der Fisch aus einem gemeinsamen Vorfahren auseinanderentwickelt haben.

Während sich etwa drei Viertel aller Gene der beiden Arten entsprechen - was auf die gemeinsame Anatomie und Physiologie aller Wirbeltiere zurückzuführen ist - präsentiert sich das letzte Viertel, v.a. für das Immunsystem verantwortlich, höchst unterschiedlich.
Schluss auf 1.000 unbekannte Menschen-Gene
Durch den Vergleich der beiden Genome konnten die Forscher zudem die Existenz von 1.000 bisher nicht-identifizierten Genen beim Menschen vorhersagen. Welche Funktion diese zusätzlichen, hypothetischen Gene haben, ist unklar.

"Vergleichende Genom-Programme wie das 'Fugu-Projekt' sind sehr wichtig für unser Verständnis des menschlichen Genoms", so JGI-Direktor Eddy Rubin.

"So historisch bedeutsam die Entschlüsselung des menschlichen Erbgutes auch war, stellt diese doch erst den ersten Schritt dar für unser Verstehen der Funktionsweise von Genen."
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Kugelfische
Kugelfische (Tetradontidae) sind rund 60 Zentimeter große Fische aus der Ordnung der Haftkiefer, deren Zähne zu je zwei Knochenplatten in Ober- und Unterkiefer verwachsen sind und eine Art Schnabel bilden. Sie haben kleine Flossen und gelten als sehr schlechte Schwimmer. Die meisten Arten sind Riffbewohner tropischer Meere, wenige leben im Brack- und Süßwasser (z. B. der als Aquarienfisch bekannte Grüne Kugelfisch). Kugelfische können sich wie Igelfische bei Gefahr aufblähen, indem sie Wasser oder Luft schlucken.

Mehrere Kugelfischarten sind giftig; der Kugelfisch Fugu rupestris, dessen Genom nun sequenziert wurde, ist in Japan als Speisefisch hoch geschätzt. Vor der Zubereitung müssen die gifthaltigen Organe unter Beachtung bestimmter Vorsichtsmaßnahmen entfernt werden. Das Gift Tetraodontoxin wird durch Kochen nicht zerstört.
->   Einteilung der Kugelfische
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Vergleichende Genetik schärft Resultate
Nach Angaben von Dankel Rokhsar, einem JGI-Forschungsleiter, war es die kompakte Struktur des Fugu-Genoms aufgrund der jene Gene identifiziert werden konnten, die beim Menschen bisher durch repetitive und nicht-kodierende Sequenzen verborgen geblieben sind.

Die Forscher verglichen die vorherberechneten Fugu-Proteine direkt mit der Sequenz des menschlichen Genoms. In 961 Fällen wurden dabei Übereinstimmungen festgestellt, die nicht mit vorhergesagten oder bereits bekannten menschlichen Genen korrespondierten.

Durch vergleichende Genetik könnten so noch weitere, bisher unbekannte menschliche Gene entdeckt werden, so Samuel Aparicio von der Abteilung für Onkologie der Universität Cambridge.
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Internationales Fugu-Genom-Konsortium
Das Internationale Fugu-Genom-Konsortium wurde im November 2000 unter Führung des JGI und des Biomedizinischen Forschungsinstitutes für Molekulare und Zellbiologie in Singapur gegründet. Weitere Mitglieder sind das UK Medical Research Council's Human Genome Mapping Resource Centre in Cambridge, die Abteilung für Onkologie der Cambridge University, das Institut für Systembiologie in Seattle sowie die Firmen Celera Genomics und Myriad Genetics.

Eine erste Version des Fugu-Genoms war bereits im vergangenen Oktober veröffentlicht worden. Die komplette Sequenz ist samt anderen Informationen auf zwei Websites einzusehen.
Das Genom-Projekt am JGI
FUGU Genome Project
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40.000 menschliche Gene?
Die "handliche" Größe des Fugu-Genoms könnte auch die Schätzung der Anzahl menschlicher Gene erleichtern - für die dafür zuständigen Computerprogramme ist es einfacher, die DNA des kompakten Kugelfisch nach Genen zu durchsuchen als jene des Menschen.

Die bisher umstrittenen Schätzungen gehen von 30.000 bis 40.000 Genen aus. Nach Ansicht von Greg Elgar vom "UK Human Genome Mapping Project Resource Centre" sind 40.000 die wahrscheinlichste Zahl.
->   Fugu Genomics Project
->   Kugelfisch-FAQ
->   Joint Genome Institute
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Forscher entschlüsseln Genom der Maus
->   1 Jahr Genom-Veröffentlichung
->   Menschliches Genom: Erkenntnisse aus der Entschlüsselung
 
 
 
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01.01.2010