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Wurm als Vorbild für schnelle Datenleitungen  
  Der im Meer lebende Wurm Aphrodita aculeata, auch genannt Seemaus, könnte als Vorbild für eine neue Art von Glasfaserkabeln dienen. Seine Haare und Stacheln, so haben Zoologen und Physiker gemeinsam herausgefunden, bilden sogenannte photonic crystal fibres, die Licht in allen Farben des Regenbogens reflektieren.  
Der Zoologe Andrew Parker von der Universität Oxford in England beschäftigt sich seit längerem mit Tieren, die besondere optische Effekte hervorbringen, wie zum Beispiel grün schillernde Käfer oder leuchtend blaue Schmetterlinge. Die Seemaus Aphrodita ist dabei durch ihre in allen Farben schillernden Haare und Stacheln besonders aufgefallen.
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Seemaus Aphrodita
Die Seemaus ist ein Wurm, der bis zu 20 Zentimeter lang werden kann und auf dem Meeresgrund lebt. Er ist an der Südküste Englands genauso zu finden wie in Australien. Seine Haare und Stacheln, die die gesamte Oberseite des Wurms überziehen, sind normalerweise rot. Bei bestimmtem Lichteinfall können sie das gesamte Farbspektrum des Lichts reflektieren. Es wird angenommen, dass dieses Schillern andere Artgenossen anlocken oder Feinde abwehren soll.
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Perfekte Stacheln
Andrew Parker sah sich die Stacheln des Tieres genauer an und entdeckte eine sehr regelmäßige Struktur, die für dieses Farbenspiel verantwortlich ist: Die Stacheln bestehen aus einer Röhre aus Chitin, die wiederum aus vielen kleinen Röhren zusammengesetzt ist.

Die kleinen Röhren sind völlig regelmäßig in Sechsecken angeordnet. Ihr Durchmesser beträgt nur 0,2 Mikrometer. Durch diese kristallartige Anordnung wird weißes Licht, das in einem bestimmten Winkel auf den Stachel trifft, in ein buntes Farbspektrum aufgespaltet. Wegen dieses physikalischen Effekts wird diese Struktur als photonic crystal fibre bezeichnet.
Versuche im Labor
Unklar ist jedoch, wie diese Struktur in den Zellen der Seemaus gebildet wird. Andrew Parker möchte deshalb diesen Prozess an lebenden Seemäusen und mit Laborversuchen herausfinden, welche Chemikalien und welche Bedingungen dafür nötig sind. Damit wäre es eines Tages vielleicht möglich, die photonic crystal fibres der Seemaus nachzubauen.
Neue Glasfasern
An der Universität Bath arbeiten Physiker seit vielen Jahren an derartigen Strukturen. Nach vielen theoretischen Überlegungen ist es ihnen gelungen, photonic crystal fibres aus Quarzglas herzustellen. Diese neuartigen Glasfasern könnten die Datenübertragung in der Telekommunikation revolutionieren und vielfältige Anwendungen in der Physik ermöglichen.
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Glasfaserkabel
Herkömmliche Glasfaserkabel bestehen aus einem Kern aus Quarzglas und Germanium und einer Hülle aus Quarzglas. Darüber kommt eine Kunststoffschicht als Isolierung und zum Schutz der empfindlichen Faser. Da der Kern einen höheren Brechungsindex hat als die Hülle, wird Laserlicht an der Hülle reflektiert und weitergeleitet.
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Photonic crystal fibres
Die Photonic crystal fibres bestehen aus nur einem Material - reinstem Quarzglas. Der unterschiedliche Brechungsindex entsteht durch Löcher in der Struktur. Hergestellt werden sie aus Glasröhren, die nach einem bestimmten Muster aufeinandergeschichtet und dann erhitzt und gezogen werden. Das Glasbündel wird dadurch wesentlicher dünner, die Form bleibt jedoch exakt erhalten.

Das Ganze kommt dann in eine zwei Stockwerke hohe Anlage, wo das Glas auf 2000 Grad erhitzt und zu einem immer dünneren Faden gezogen wird. Aus einem fingerdicken Glasrohr entsteht so ein kilometerlanger Faden von der Stärke eines menschlichen Haars.
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Fasern mit unterschiedlichen Eigenschaften
Im Querschnitt ist unter dem Mikroskop die besondere Struktur der Fasern erkennbar. Entlang der Faser sind in völlig regelmäßiger Verteilung Löcher angeordnet, die durch Hohlräume bei der Zusammenstellung der Glasröhren entstanden sind.
Je nach Anordnung der Glasröhren zu Beginn des Prozesses können so photonic crystal fibres mit unterschiedlichen Eigenschaften hergestellt werden.
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Lichtspiele
Das Besondere an den photonic crystal fibres ist, dass die Streuung des Lichts, das durch die Faser geleitet wird, verändert werden kann. Die photonic crystal fibres können auch wie ein Sieb für das Licht wirken. Damit kann man zum Beispiel Licht einer bestimmten Wellenlänge im Kern einfangen und unerwünschte Wellenlängen aussieben. Das ermöglicht eine Vielzahl an neuen Einsatzmöglichkeiten in der Physik.
Übertragung großer Datenmengen
Mit der neuen Methode können auch Glasfaserkabel hergestellt werden, die in der Mitte hohl sind. Durch die spezielle Struktur wird es erstmals möglich, Licht durch eine hohle Faser zu leiten. Damit kann Laserlicht von sehr hoher Energie durch die Faser geschickt werden.

Das bedeutet, dass zum Beispiel in der Telekommunikation große Datenmengen ohne Verluste über weite Strecken übertragen werden können. Üblicherweise muss das Signal in regelmäßigen Abständen gereinigt und verstärkt werden.

Sonja Bettel, Modern Times
Mehr dazu in der Sendung Modern Times am 2.8. um 22.35 Uhr in ORF 2
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01.01.2010