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Rätselhafte "Gewichtszunahme" der Erde  
  10.000 Jahre lang hat die Erde um den Äquator abgenommen, seit 1998 wird sie dort aber wieder "dicker" und insgesamt platter: Dies haben US-Forscher mit Hilfe von Satelliten-Messungen der Erdanziehungskraft festgestellt. Zwar gibt es eine Reihe von Erklärungen für die Masseverlagerungen der Erde, die nun beobachtete läuft aber besonders schnell ab und stellt die Geologen vor ein Rätsel.  
Die Präzisionsmessungen mit neun Satelliten seit 1979 stellen Christoper Cox vom Forschungsunternehmen Raytheon und Benjamin Chao von der NASA in der aktuellen Ausgabe von "Science" vor.
Bekannte Phänomene
Schon seit langem war klar, dass es sich bei der Erde um keine perfekte Kugel handelt. Aufgrund ihrer relativ hohen Fliehkraft, der ungleichmäßigen Verteilung der Kontinente und der Massen im Erdinneren ist sie um den Äquator herum etwas breiter als entlang ihrer Längengrade. Der Unterschied ist allerdings gering: die beiden Werte unterscheiden sich nur um 0,3 Prozent.

Seit dem Ende der vergangenen Eiszeit aber heben sich die von der Eislast befreiten hohen Breiten langsam etwas, was den Äquator-Bauch schrumpfen ließ.
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Die Original-Artikel von Christopher Cox und Benjamin Chao unter dem Titel "Detection of a Large-Scale Mass Redistribution in the Terrestrial System Since 1998" sowie von Anny Cazenave und Steven Nerem unter dem Titel "Redistributing Earth's Mass" sind in der aktuellen Ausgabe von Science (Bd. 297, S. 831 bzw. 783) erschienen.
->   Original-Artikel (kostenpflichtig)
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Seit 10.000 Jahren wurde Erde immer runder
Genauere Satellitenmessungen seit den 1980er Jahren ergaben, dass sich die Erde dadurch - langsam, aber doch - der idealen Kugelform immer mehr annähert.

Nach dem Schmelzen der Eiskappen nach der letzten Eiszeit (vor etwa 10.000 Jahren) verlagerte sich deren Masse weg von den Polen.

Dadurch tendierte die Erde in Richtung vorangegangener Form, die sie durch den Jahrtausende währenden Druck der Eismassen verloren hatte - in etwa so wie ein Schwamm, den man zusammendrückt und der sich danach wieder selbst in seine ursprüngliche Form bringt.
Ab 1998: Anwachsen des Äquators
Dieser Zustand dauerte nach Ansicht der Forscher aber nur bis 1998. In den vergangenen vier Jahren nämlich habe sich dieser "Verschlankungsprozess" umgekehrt, so Cox und Chao.

Seitdem wächst der Äquator-Bauch aus unbekannten Gründen wieder, wie die Messungen der Erdgravitation zeigen. Der beobachtbare Effekt sei doppelt so groß wie jener der schmelzenden Polkappen.
Drei mögliche Ursachen: Ozeane, Eis, Atmosphäre
Mit der Frage, warum die Erde seit kurzer Zeit um den Äquator wieder dicker wird, hat sich die französische Geologin Anny Cazenave und ihr Kollege Steven Nerem ebenfalls in der aktuellen Ausgabe von "Science" beschäftigt.

Drei Dinge sind es, die große Veränderungen im Gravitationsfeld der Erde verursachen können: die Ozeane, Polar- und Gletschereis sowie die Atmosphäre. Meteorologische Modelle und Messungen des Meeresspiegelanstiegs schließen Eisschmelze und die Atmosphäre als alleinige Ursachen für die Masseverlagerung in Richtung Äquator aus, schreiben Cazenave und Nerem.
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Aristoteles erkannte 340 v.Chr. als erster die Kugelgestalt der Erde, die erste Messung führte Eratosthenes etwa 230 v.Chr. in Ägypten durch. Er errechnete einen Radius von 7.360 Kilometer. Huygens und Newton stellen um 1650 die Abplattung der Erde an den Polen fest. Der heute anerkannte Äquatorradius beträgt 6.378 Kilometer, sein Umfang 40.075 Kilometer.
->   Mehr über Erdmessung
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Masseverlagerungen im äußeren Erdmantel?
Die verbleibende Ursache ist eine Umverteilung des Ozeanwassers. Dies könnte möglicherweise mit dem Klimaphänomen El Nino verbunden sein, das im gesamten 20. Jahrhundert im Winter 1997/98 am stärksten ausgeprägt gewesen sei, heißt es dazu in "Science".

Darüber hinaus kämen möglicherweise aber auch unterirdische Umverteilungen im flüssigen äußeren Erdmantel als Ursache in Frage. Diese Masseverlagerungen äußern sich in Schwankungen des Magnetfelds der Erde, wie sie 1999 tatsächlich vorgekommen sind.

Letztlich, so Cazenave und Nerem, sind die genauen Ursachen bisher unbekannt. Eines aber sei sicher: Menschliche Aktivität - die etwa die globale Erderwärmung verursacht hat - ist für das nun konstatierte Phänomen nicht verantwortlich.
->   NASA
->   Raytheon
Mehr über die Erde in science.ORF.at:
->   Anzeichen für Umpolung des Erdmagnetfeldes
->   Zum Zustand des "Blauen Planeten"
->   Das Schutzschild der Erde
 
 
 
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01.01.2010