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Physikalische Genkarte der Maus veröffentlicht  
  Am Sonntag wurde auf der Website des Wissenschaftsmagazins "Nature" eine physikalische Genkarte des Maus-Genoms veröffentlicht. Diese Karte ist nun zu 98 Prozent komplett ausgearbeitet und gibt die genaue Anordnung zuvor sequenzierter Gene an. Die derzeit verfügbaren Daten sind das Ergebnis eines Forschungsprogramms, das als komplementäres Projekt zu der bereits im Mai dieses Jahres veröffentlichten Genom-Entschlüsselung der Maus lanciert wurde.  
Vom Vergleich der genetischen Architektur von Maus und Mensch erhofft man sich weitere Einsichten in die Funktionen so genannter genetischer Kontrollregionen, die eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Krankheiten spielen.

Im Rahmen dieses internationalen Forschungsprojektes erwiesen sich Forscher des Genome Sequencing Center der Washington University School of Medicine in St. Louis als federführend, da an deren Institut der Hauptteil der Sequenzierungs- und Kartierungsdaten erstellt wurde.
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"A physical map of the mouse genome"
Die Studie "A physical map of the mouse genome" von Simon G. Gregory, John D. Mc Pherson und Mitarbeitern erschien als Online-Publikation auf der Website des englischen Wissenschaftsmagazins "Nature" und wird auch in der folgenden Print-Ausgabe der Zeitschrift veröffentlicht.
->   Zum Artikel (kostenpflichtig)
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Von Mäusen und Menschen
"Das Maus-Genom spielt eine essenzielle Rolle in der Erforschung menschlicher Biologie und Krankheiten", stellt der Leiter des Forschungsprojekts, John D. Mc Pherson, fest: "Die physikalische Genkarte ermöglicht uns einen detaillierten Einblick in das Mausgenom. Dies ist unglaublich hilfreich für weitere medizinische und genetische Untersuchungen des menschlichen Erbgutes."
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Genkartierung 1
Als "Genkartierung" bezeichnet man allgemein die Bestimmung der relativen Positionen verschiedener Gene auf einem DNA-Molekül. Der klassische Weg der Genkartierung beruht auf so genannten Koppelungsanalysen mit Hilfe von Daten aus Rekombinationsversuchen.

Diese Versuche beruhen auf der Erkenntnis, dass gewisse Gene nicht bzw. nur in eingeschränktem Maße frei (re-)kombinierbar sind, weil sie auf dem selben Chromosom liegen. Die dabei gefundene Austauschhäufigkeiten werden nach T.H. Morgan, der 1911 die erste Chromosomenkarte der Fruchtfliege veröffentlichte, als Morgan-Einheit bezeichnet.

Dieses als genetische Kartierung bezeichnete Vorgehen kann jedoch nicht zur Ermittlung der absoluten Distanzen von Genen genutzt werden, da die Crossing-over-Häufigkeit nicht über das gesamte Chromosom einheitlich ist und mit dem Abstand von Genen auch die Wahrscheinlichkeit mehrfacher Crossing-over-Ereignisse zunimmt.

Zur genauen physikalischen Kartierung nutzt man daher verschiedene Methoden aus der Cytogenetik und Gentechnologie.
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Vom Sequenzieren zum Verstehen
Grundlage der nun veröffentlichten physikalischen Karte ist die im Englischen als "draft sequence" bezeichnete Genomsequenz der Maus, die bereits im Mai dieses Jahres der Öffentlichkeit präsentiert wurde.

Diese beinhaltete zwar bereits die komplette Abfolge der so genannten Nukleotidbasen (d.h. die kleinsten molekularen Bausteine der DNA), zu einem genaueren Verständnis der genetischen Funktionszusammenhänge sind allerdings auch detaillierte Informationen über die Lokalisierung der Gene von Nöten.

Plastisch ausgedrückt: Die rohen Sequenzierungsdaten machen das Genom lesbar, physikalische Karten zeigen uns, wo genau welche Wörter im Buch des Lebens stehen. Diese Wissenslücke wurde nun von dem internationalen Forscher-Konsortium geschlossen.
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Genkartierung 2
Eine korrekte physikalische Kartierung ist eine unentbehrliche Orientierungshilfe für die vollständige Sequenzierung eines Genoms. Vor allem im Rahmen des Genomprojekts werden für die physikalische Kartierung heute verstärkt so genannte "sequence tagged sites" (STSs) und "expressed sequence tags" (ESTs) herangezogen.

Beide stellen spezifische DNA-Sequenzen dar, die als Orientierungshilfen (in gewisser Weise wie etwa Leuchttürme in der Hochsee-Navigation) eingesetzt werden. Zusätzlich erstellt man z.B. so genannte Restriktionskarten (i.e. "Zerschneidungsmuster" der DNA nach Verdau mit Restriktionsenzymen), die ebenfalls einen Einblick in die relative Anordnung der Gene zueinander ermöglichen.

Erst die Kombination und Integration möglichst vieler dieser Methoden ermöglicht die maximale Zuverlässigkeit der Genkartierung. In Kombination mit Chromosomen-Bänderungstechniken können schließlich bestimmte Genorte auch anschaulich auf Chromosomenkarten dargestellt werden - wie es etwa in der oben erwähnten "Nature"-Publikation der Fall ist.
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Gemeinsame Vorfahren noch sichtbar
Ein Hauptaugenmerk wurde im Rahmen der Studie auf den Vergleich zwischen dem menschlichem Genom und jenem der kleinen Nager gelegt. Dabei fand man, dass auf den 20 Chromosomenpaaren der Maus mindestens 288 Regionen bestehen, deren Genabfolge beim Menschen ganz ähnlich beschaffen ist.

Diese "konservierten Sequenzen" gibt es deswegen, weil Maus und Mensch bestimmte Teile ihrer genetischen Architektur von ihren gemeinsamen Vorfahren unverändert übernommen haben. Besonders interessant sind hierbei so genante Kontrollgene, deren Genprodukte regulierend auf die Aktivität anderer Gene wirken und - im Falle gestörter Funktion - für die Entstehung von vielen Krankheiten verantwortlich sind.
Genom in künstlichen Chromosomen gespeichert
Um Struktur und Ordnung des Maus-Genoms analysieren zu können, verwendete das Team um John D. mehr als 300.000 künstlicher Bakterienchromosomen (so genannter "BACs") in denen Fragmente des gesamten Genoms "gespeichert" wurden. Diese Segmente wurden in Bakterien "kloniert" (d.h. integriert und vermehrt) und somit für weitere Analyseschritte verfügbar gemacht.

In Zukunft werden die Bakterien eingefroren und genauestens katalogisiert. Für folgende genetische Detailanalysen genügt es daher, Bakterien-Klone anzufordern, die genau jene Sequenzen enthalten, die früher mühsam aus dem gesamten Genom isoliert werden mussten.
->   Genome Sequencing Center, Washington University School of Medicine
Mehr zum Maus-Genom und genetischen Karten in science.ORF.at:
->   Forscher entschlüsseln Genom der Maus
->   Mäuse und Menschen bemerkenswert ähnlich
->   Drosophila: Kleine Geschichte der Laborzoologie
 
 
 
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01.01.2010